Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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Diese hatte bekanntlich schon mehrere Jahre vorher ihre
schöne von Schinkel entworfene Kirche erhalten. Im Frühling
1842 wurde die Kirche die Oder aufwärts auf Flöfsen nach
Liegnitz geführt und von da nach Brückenberg gefahren, eine
theure und beschwerliche Fahrt. Die Zusammensetzung der
Kirche wurde von Baumeister Hamann besorgt. Er fand,
dafs man wesentlich nur die Schwellen, Stäbe und „Stav-
lägjen“ — also das Rahmenwerk — sammt den vier Säulen
des Inneren, die Portale mit den prachtvollen Schnitzereien
und einige Späne verwenden konnte, während die Bohlen sowie
der ganze Laufgang erneuert werden mufsten. Am 8. Februar
1842 wurde der Platz der Kirche festgestellt, am 2. August
desselben Jahres der Grundstein vom König persönlich gelegt,
am 15. Oktober 1843, am Geburtstage des Königs, die Thurm-
spitze aufgerichtet, und auf derselben eine Wetterfahne be-
festigt, die mit der vermuthlichen Jahreszahl der ursprünglichen
Erbauung der Kirche „1200“ versehen wurde. Geweiht wurde
die Kirche im Juli 1844, vielleicht am Tage der Heimsuchung
Mariae, 2. Juli, denn der Prediger sprach über Luc. 1,39: „Aber
Maria stand in denselben Tagen auf und ging schnell nach den
Bergen“. Die Kirche, die um 120 Thaler angekauft war,
Abbild. 149. Vang.
kostete, als sie geweiht wurde, die nette kleine Summe von
23453 Thlr. (etwas über 70 000 Rmk). Sie hat 135 nummerirte
Sitzplätze, kann aber mehr als 200 Personen aufnehmen.
Wie die Kirche jetzt, weit sichtbar auf ihrem Felsen-
plateau in einer Höhe von 2430 Fufs über der Meeresfläche,
den niedrigen Pfarrhof an der einen, den hohen steinernen
Glockenthurm an der anderen Seite (Abbild. 149) liegt, ist sie
gewifs die am häufigsten besuchte aller norwegischen Stab-
kirchen. Von der Einrichtung der norwegischen Stabkirchen
erhält man aber hier leider einen falschen und mangelhaften
Begriff.
Die Kirche von Vang war ursprünglich gewifs eine drei-
schiffige Stabkirche des Valdres’schen viersäuligen Typus,
also mit vier Ecksäulen mit Bögen wie in Lomen und Hurum.
Einen Fingerzeig in dieser Richtung giebt es auch, dafs von
den sechs Säulen der jetzigen Kirche nur vier alt sind, zwei
aber neue Zuthat, und die Stellung dieser sechs Säulen (Ab-
bild. 150) hat nebst der eingelegten Decke quer über die ganze
Kirche die ursprüngliche innere Form gänzlich verwischt. Mit
dem Äufseren kann man sich wohl theilweise versöhnen, ob-
schon der Umstand, dafs
die Seitenschiffe, welche
die volle Höhe des Mittel-
schiffes erreichen, mit die-
sem unter einem gemein-
samen Dache eingeordnet
sind, auch das Äufsere der
Kirche um ihre ursprüng-
liche Schlankheit gebracht
hat. Auch die hohen
Fenster in den Giebeln
über den Vorsprüngen
stimmen nur schlecht mit
den ursprünglichen that-
sächlichen Verhältnissen
überein; die Rundbogen-
fenster über den Seiten-
schiffen müssen hinwegge-
dacht werden; die Fenster
in der an und für sich recht bedenklichen Kuppel des Cylinder-
thurms an der Apsis sind ein hinreichender Beleg der Fehlgriffe.
Noch viel schlimmer steht es um das Innere der Kirche. Dafs die
Wände der Seitenschiffe gegen den Laufgang von Rundbogen-
fenstern durchbrochen sind, mag angehen, es war dies ein
Nothmittel, um mehr Licht in die Kirche zu bringen; da-
gegen ist die ganze innere Konstruktion vollständig mifsver-
standen und giebt durchaus keinen Begriff von dem Inneren einer
Stabkirche. Freilich ist die Kirche auch jetzt dreischiffig,
aber die fast flache Decke ebnet das Ganze zu einem Saal,
in welchem die vier alten der sechs Säulen, von denen die
zwei neuen den Chor abgrenzen, wie ganz zufällig hinversetzt
erscheinen. Das westliche Säulenpaar ist als Träger einer
Orgelempore verwendet, was die zwei übrigen um so gegen-
standsloser macht. Zwischen den Balken der Decke, die eine
schwache Stichbogenform hat, sind horizontalliegende Rund-
bogenbüge eingelegt; sie sind deutlich dem völlig ver-
schwundenen Triforium entnommen, dessen Büge der Bau-
meister nicht verstand und zu verwenden wulste.
Falls die innere Dachkonstruktion ursprünglich ist, hat man
schon gegen das Ende unserer Periode angefangen, den Kiel-
bogen mit einem Querbalken, der die Untersparren kreuzt und
sich in die Obersparren befestigt, zu vertauschen.
Wie gewöhnlich ist der Chor schmäler und niedriger als
die Kirche und mit einer Apsis versehen. Von den drei Vorsprün-
gen wird der nördliche jetzt — durch Wände von dem Laufgange
getrennt — als Sakristei benutzt. Der Dachreiter ist eine neue
Imitation des Dachreiters von Borgund; anstatt des spitzen
Thurmhelmes hat er jedoch ein Walmdach erhalten. Er ruht
auf einem Dachstuhl, der von den vier Säulen des Schiffes
getragen wird. Die Schnitzereien des Nord- und Südportals
hat man dem Inneren des Schiffes anstatt dem Laufgange zu-
gekehrt, was wohl nicht ursprünglich der Fall war.
Was die Ornamentik der Kirche betrifft, so sind die Kapitäle
der beiden neuen Säulen am Chor natürlicli moderne schlesische
Arbeit. Das südliche an der Kanzel stellt David, den Goliath
tödtend, das nördliche Daniel in der Löwengrube dar. Auch
die Cylinderkapitäle der vier ursprünglichen Säulen sind ge-
wifs moderne Arbeit und unterscheiden sich in der ganzen
Formengebung vollständig von den altnorwegischen. Dies
gilt sowohl von David, den Löwen tödtend, am Nordostkapitäl,
wie von den Thierkämpfen des Südwestkapitäls und den
Schlingen und Schlangen der beiden übrigen Kapitäle.
Echt und ursprünglich sind dagegen die Schnitzereien der
Portale, die deutlich die Kirche der Zeit nach 1200, höchst-