Die Marfels'sche Uhren-sammlung
Umfassend Interessante Taschen-Uhren Seit Erfindung Derselben
År: 1888
Forlag: Kühl & Co. Grossherzoglich Hessische Hof-Kunstantstalt
Sted: Frankfurt Am Main
Sider: 121
UDK: st.f.739.3 Mar
In 48 Lichtdruck-Tafeln Nebst Erläuterndem Text
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das in die Lappen der Spindel greift.
An der aufrechtstehenden Unruhwelle, die in den
beiden Spindel-Kloben lagert, befindet sieh unten ein Trieb, in das ein auf der horizontal
liegenden Spindel angebrachtes kleines Kronrad eingreift, durch welches die hin- und her-
gehende Bewegung der Spindel auf die Unruhwelle übertragen wird.
Es scheint, dass es dem Verfertiger dieser Uhr nur darauf angekommen ist, eine
eigenartige Anordnung des Spindelganges herzustellen; denn als eine Verbesserung desselben
kann diese Konstruktion nicht angesehen werden.
In dem folgenden Stück der Sammlung erblicken wir eine seltsame Taschenuhr
mit springender Sekunde aus der Mitte, wie sie in dieser Art wohl kaum schon einem unserer
Leser vorgekommen ist.
Tafel II Fig. 3 zeigt eine Vorderansicht der Uhr in Originalgrösse. Dieselbe hat
ein silbernes Zifferblatt, in das über der Mitte ein kleines goldenes Zifferblatt eingelassen ist,
auf welchem die Uhr die Stunden und Minuten anzeigt. In der Mitte befindet sich der
lange Sekundenzeiger, der die auf dem Rande des silbernen Zifferblattes angebrachten Se-
kunden markirt und unter der Mitte hat dasselbe einen Ausschnitt, durch welchen man auf
blauem Grunde ein kleines Pendelchen mit goldener Linse seine Schwingungeu vollziehen sieht.
Die ruhigen, gleichmässigen Schwingungen des Pendelchens, deren jede eine volle
Sekunde dauert, verleihen dieser Uhr einen ganz eigenthümlichen Reiz, und man ist auf den
ersten Blick versucht zu glauben, dass die Sekundenschwingungen des kleinen Pendels nur
durch einen komplizirten Mechanismus bewerkstelligt sein können. Dies ist aber keineswegs
der Fall, sondern die langsamen Schwingungen des Pendels und der Unruhe werden durch
die eigens hierzu konstruirte Hemmung in der einfachsten Weise bewirkt, wie im Folgenden
gezeigt werden soll.
Das Mittel- oder Minutenrad des Werkes steht in der Mitte des kleinen Ziffer-
blattes, also ausserhalb der Mitte der Platine. In der Mitte der letzteren steht ein Kronrad,
welches hier das Sekundenrad ist, da auf dem langen Zapfen desselben der grosse Sekunden-
zeiger sitzt. Die Zähne des Kronrades, die sich hier auf der unteren Seite befinden, greifen
in das Trieb des Hemmungsrades, welches, ähnlich wie das Steigrad einer Spindeluhr, in zwei
Die Haupttheile der ganz eigenartigen Hemmung
Kloben horizontal lagert.
sind in nebenstehender Zeichnung, Fig. 5, veranschau-
licht. Das Hemmungsrad a, ähnelnd einer Schiffs-
schraube, besteht aus zwei übereinander angebrachten
Rädern mit je 4 Zähnen von der Form, wie in der
Zeichnung angegeben. Erhält dasselbe einen Antrieb
durch das Räderwerk, so fällt abwechselnd ein Zahn
von a auf den mit einem Ausschnitt b1 versehenen
Konus b, gleitet an diesem herab und ertheilt somit
der Welle desselben eine diesem Vorgange entsprechende kurze Drehung nach der einen
Richtung hin, während der hiernach auffallende Zahn des Hemmungsrades die gleiche Drehung
nach der anderen Seite hin bewirkt, und so wiederholt sich das Hin- und Herdrehen der
Konuswelle von Zahn zu Zahn. Dieselbe trägt unter dem Konus das Rad cc, dessen Zähne
in ein Trieb d, welches auf der Unruhwelle e sitzt, eingreifen, wodurch die Drehung der
Konuswelle gleichzeitig auch auf die Unruhe übertragen wird.
Unter dem Rade cc ist auf der Konuswelle ferner noch
Zifferblatt sichtbare Pendelchen befestigt, welches hierdurch die
das vorerwähnte, auf dem
langsamen, in bestimmten
Zwischenräumen erfolgenden Hin- und Herbewegungen der Konuswelle mitmachen muss, wo-
raus sich die Sekundenschwingungen desselben erklären. Die ziemlich schwere Unruhe ist
wie gewöhnlich mit einer Spirale verbunden, mittelst welcher auf einfache Art und Weise
die Schnelligkeit und Regelmässigkeit der Drehungen der Konuswelle und somit auch die
Regulirung des Ganges der Uhr bewirkt wird.
„Es giebt nichts Neues unter der Sonne“, so müssen wir uns bei Betrachtung eines
anderen Stückes der Sammlung, einer aus dem Ende des vorigen Jahrhunders stammenden
„Perpetuale“, im Vergleich zu den vor etwa zehn Jahren in den Handel gekommenen
Löhr’schen Perpetualen sagen, denn wir finden bei dieser alten Uhr schon eine ganz ähnliche
Einrichtung zum Selbstaufziehen vor, wie sie in den letzteren Perpetualen als sog. Neuheit
vorhanden ist. Fig. 6 sowie Tafel XIV Fig. 3 zeigen die hintere Platine des Uhrwerkes
mit der Aufziehvorrichtung.
Das doppelplatinige Werk dieser alten Uhr
Fig. 6
ist im Allgemeinen wie eine flache Spindeluhr
der damaligen Zeit gebaut, jedoch bereits mit
Cylinderhemmung versehen. Das Aufziehen
wird durch den in der Zeichnung sichtbaren,
pendelartig schwingenden Hammer bewirkt,
der sich bei jedem Schritt, den man mit der
Uhr in der Tasche macht, abwärts bewegt und
durch eine auf der Hammerwelle angebrachte
cylindrische Feder dann wieder zurückgeschnellt
wird. Mit der Hammerwelle ist ausserdem eine
Sperrvorrichtung mit Gegengesperr derartig
verbunden, dass das Hauptsperrad bei jeder
Abwärtsbewegung des Hammers um mehrere
Zähne nach vorwärts gedreht wird, wonach das
Gegengesperr das Zurückschnellen desselben ermöglicht. Auf dem Hauptsperrad ist ein
gewöhnlich gezahntes Rad befestigt, welches wiederum mit einem auf dem Federstift
sitzenden Rad im Eingriff steht, so dass die jedesmalige Vorwärtsbewegung des ersteren
auf diesen übertragen und auf diese Art und Weise die Zugfeder der Uhr bei jeder Abwärts-
bewegung des Hammers um einen gewissen Theil aufgezogen wird, ähnlich wie bei den
Löhr’schen Perpetualen.
So finden wir beim Studium der Werke unserer alten Meister noch so Manches,
was schon von diesen erfunden war, später in Vergessenheit gerieth und viele, viele Jahre
nachher als Neuheit wieder in die Welt geschickt wurde.
Eine ähnliche Mechanik, wie auf Tafel III Fig. 4 dargestellt, finden wir in der ab-
gebildeten sog. Vexiruhr vor, Tafel VI Fig. 2.
Bei dieser Uhr ist das Zifferblatt — wie aus der Zeichnung hervorgeht — ebenfalls
mit zwei Zeiteintheilungen versehen; die Minuten befinden sich auf der linken und die Stunden-
zahlen auf der rechten Seite. Beide Zeiger stehen im Ruhezustande auf der XII so genau
übereinander, dass sie ein Ganzes zu bilden scheinen. Drückt man nun auf den Bügelknopf,
so springen die Zeiger auf die richtige Zeit, und zwar der untere auf die Stunden der rechten,
und der obere auf die Minuten der linken Seite des Zifferblattes, was einen ganz überraschenden
Eindruck auf den Beschauer hervorbringt. Lässt man hiernach den Bügelknopf wieder los,
so kehren die Zeiger in die Ruhelage zurück und verbleiben unverändert darin, trotzdem die
Uhr weitergeht.
Die Konstruktion der Mechanik, durch welche diese originelle Zeitangabe bewirkt
wird, ist beinahe dieselbe, nur etwas einfacher, als bei der oben erwähnten Uhr
mit den beiden Soldaten, welche durch ihre Säbel die Zeit auf zwei Quadranten anzeigen.
Wie bei jener Uhr, so liegt auch bei der Vexiruhr das Minutenrad ausser der
Mitte des Werkes und auf der Minutenradswelle sitzt beweglich ein Rohr mit Trieb auf dessen
unterer Seite die Staffel für die Minuten angebracht ist. In der Mitte der oberen Werkplatine
befindet sich ein feststehender Stift, auf dem das Viertelrohr, welches den Minutenzeiger trägt,
sich frei dreht. Das Trieb des Viertelrohres steht mit einem Rechen im Eingriff, welcher
durch die Einwirkung einer Druckfeder mit seinem vorspringenden Ende auf die Minutenstaffel