ForsideBøgerDie Marfels'sche Uhren-sa…Seit Erfindung Derselben

Die Marfels'sche Uhren-sammlung
Umfassend Interessante Taschen-Uhren Seit Erfindung Derselben

År: 1888

Forlag: Kühl & Co. Grossherzoglich Hessische Hof-Kunstantstalt

Sted: Frankfurt Am Main

Sider: 121

UDK: st.f.739.3 Mar

In 48 Lichtdruck-Tafeln Nebst Erläuterndem Text

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Side af 130 Forrige Næste
1 — 2 — Die Marfels’sehe Uhrensammlung. Wie wohl den meisten Lesern bekannt sein dürfte, ist Peter Henlein — nicht „Hele“, wie man diesen Altmeister der Uhrmacherkunst gewöhnlich fälschlich benennt — der Erfinder der Taschenuhren. Er war der Sohn eines Handwerkers in Nürnberg, wurde 1480 geboren und starb 1542. Ueber seine Erziehung wissen wir nichts weiter, als dass er das Schlosserhandwerk erlernte und auf dasselbe im Jahre 1509 Meister wurde. Dass Peter Henlein aber der Er- finder der Taschenuhren ist, wird in dem Anhang der von Johannes Cocleus im Jahre 1511 bewirkten Ausgabe der „Cosmographia Pomponii Melae“, da, wo er über Nürnberg spricht, urkundlich nachgewiesen. Dieser Antor schreibt nämlich: „Inveniuntur in dies sub- tiliora, etenim Petrus Hele, juvenis adhuc admodum, opera efficit, quae vel doctissimi ad- mirantur mathematici ; nam ex ferro parvo fabricat horologia plurimis digesta rotulis, quae, quocunque vertantur, absque ullo pondere et monstrant et puisant XL horas, etiamsi in sinu marsupiove contineantur“. Dies heisst zu deutsch: „Es werden tagtäglich subtilere Dinge erfunden; so macht Peter Henlein, noch ein junger Mann, Werke, welche die Bewunderung selbst der grössten Mathematiker erregen, denn er baut aus wenig Eisen Uhren mit sehr vielen Rädern, welche, wie man sie auch legen mag und ohne alles Gewicht, 40 Stunden zeigen und schlagen, gleich- viel ob sie im Busen oder in der Geldbörse getragen werden“. Hieraus geht für’s Erste klar hervor, dass die Uhren des Peter Henlein, da sie ohne alles Gewicht und in jeder Lage gingen, die spiralförmig gewundene Feder als Trieb- kraft hatten. Dieser Umstand, zusammen mit jenem anderen, dass die betreffenden Uhren, als aus wenig Eisen bestehend geschildert werden, und sowohl im Busen als in der Tasche getragen wurden, lässt die Werke Henleins ohne Weiteres als Sack- oder Taschenuhren im heutigen Sinne des Wortes erkennen. Dass ferner diese Art von Uhren die spezielle Er- findung unseres Schlossers war, beweist der Eingang der aus Cocleus angeführten Stelle: „Inveniuntur in dies subtiliora — es werden tagtäglich subtilere Dinge erfunden“. Peter Henlein, der Nürnberger Schlosser, ist demnach unbestritten der Erfinder der Taschenuhren und zwar mindestens um das Jahr 1500, wenn nicht noch früher. Ja, wenn es wahr ist, was uns Cocleus berichtet, und wir haben keine Berechtigung daran zu zweifeln, dann sind die Taschenuhren unseres Henlein 40 Stunden lang gegangen, was sein mechanisches Genie in um so schönerem Lichte erscheinen liesse, als fast alle Uhren seiner unmittelbaren Nachfolger nach einem Aufzuge nur 12 Stunden zu gehen pflegten. Allerdings wäre es möglich, dass sich Cocleus bei der damaligen Geheimthuerei über diesen speziell technischen Punkt getäuscht hätte. Allein wenn man bedenkt, dass die ersten Uhren des Henlein wahrscheinlich sogenannte Reiseuhren gewesen sind, denn die langwierigen Reisen in jener Zeit waren es vor allem, welche die Erfindung der Taschenuhren zum Be- dürfniss gemacht hatten, dann ist es sehr einleuchtend, dass sie wirklich 40 Stunden ge- gangen sind. In der That besitzt das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg eine der- artige aus der Zeit um 1560 stammende Reiseuhr, welche gegen 36 Stunden nach einem Aufzuge geht. Diese Uhr ist noch insofern interessant, als sie auch mit einem Selbstschlag- werk verbunden ist. Ganz ähnlicher Art müssen sicher schon die Uhren Peter Henleins ge- wesen sein; denn Cocleus sagt von ihnen, dass sie 40 Stunden gezeigt und geschlagen haben. Sie waren danach ebenfalls mit Selbstschlagwerken verbunden. Es ist freilich nicht absolut ausgeschlossen, dass Cocleus unter „pulsare“ das „Tiek-Tack“ der Uhren meinen könnte, jedoch ist dieses nicht gut allzunehmen, einmal weil in allen späteren Lehrbüchern die Phrase „zeigen und schlagen“ eine ständige ist, und zweitens, weil nach Cocleus die Uhren des Henlein mit sehr vielen Rädern versehen waren — horologia plurimis digesta rotulis — was nur dann Sinn bekommt, wenn die betreffenden Uhren ein Geh- und Schlag- werk zugleich besassen. Bekannt ist sodann die Thatsache, dass die Taschenuhren schon im Jahre 1511 ein Gegenstand des Verlangens der in ihren Zellen abgeschlossenen und des Zeitvertreibes be- dürftigen Nürnberger Klosterfrauen waren. In diesem Jahre hatte sich nämlich, wie urkund- lich festgestellt ist, die Nonne Felicitas Grundherrin, brieflich an ihren Vater Leonhard Grundherrn mit der Bitte um einige „Orrlein“*) gewandt, worunter schwerlich etwas Anderes verstanden werden kann, als die eben zuvor von Peter Henlein erfundenen Taschen- uhren. Da derselbe sieh längere Zeit bei den Barfüssern aufgehalten und diesen für den ihm gewährten Schutz vielleicht allerlei Uehrlein gemacht hat, ist es nicht unmöglich, dass die Nonne eben durch die Barfüsser Kenntniss von den Taschenuhren erhalten hatte, um so mehr, als das St. Clara-Kloster, in welchem sich die Nonne Felicitas befand, dem Kloster der Barfüsser zur geistlichen Pflege und Obhut zugewiesen war. Es ist anzunehmen, dass die neue Erfindung nicht gar lange das Geheimniss eines Einzigen bleiben konnte; denn damals lebten in vielen Städten, namentlich aber in Nürnberg, sehr tüchtige, in der Mechanik erfahrene Schlosser. Dass diese den kleinen Mechanismus zu ergründen und nachzumachen suchten, ist selbstverständlich. Peter Henlein war also nicht blos der Erfinder der Taschenuhren, sondern auch der Begründer eines selbstständigen Gewerbes der Uhrmacher, welche bis dahin, selbst wenn sie sich ausnahmsweise Uhrmacher genannt haben, fast durchgehends zu den Schlossern ge- rechnet wurden. Erst seit Henlein traten die Uhrmacher mehr und mehr als solche auf und unterschieden sich zugleich in Gross- und Klein-Uhrmacher. Sie gehörten aber in vielen Städten noch lange Zeit zur Zunft der Schlosser, da ihrer eben zu einer eigenen Zunft zu wenig waren. Ob sich ein Exemplar der Uhren Peter Henleins bis auf unsere Tage erhalten hat, ist noch nicht festgestellt. Ja, man befand sich bisher sogar auf einer falschen Fährte, in- dem man die Uhren desselben lediglich unter den sogen. „Nürnbergischen lebendisehen Eier- lein“ suchte und Henlein geradezu zum Erfinder dieser machte. Dies ist aber sicher ein Irrthum; denn weder Cocleus noch die Nonne Felicitas Grundherrin sprechen von Eierlein. Jener, der im Jahre 1511 schrieb, nennt sie Uhren aus wenig Eisen, also kleine Uhren, und diese heisst sie in ihrem Buche vom gleichen Jahre einfach „Orrlein“ d. h. Uehrlein. Diese Verquickung der Eiuhren mit dem Erfinder der Taschenuhren gab den Antiquaren Veran- lassung, die Eilein für die ältesten Taschenuhren zu halten und daher fast nur nach diesen zu fahnden. Infolge dieses Wahnes- ist manches kostbare Uhrwerk, das nicht die Eiform hatte, unbekannt geblieben und zu Grunde gegangen, manches Uhrwerk, das uns vielleicht einen ganz anderen Aufschluss über die Entwickelung der Taschenuhren hätte geben können, *) Orrlein, Oerlein, Hore, Ore von hora (die Stunde) = Uehrlein, Uhr.