Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
Mit 1558 Ubbildungen
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Fimste ©rbnung. Salbsliigler.
K c rf e.
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unsern Hausern wohnt eine Art, (Reduvius persona-
tus), die aber von Fliegen ledt und den Menschen nicht
belåstigt. Uebrigens sind die Rebuvien meist duster ge-
farbt. Jhnen verwandt aber durch linienfårmigen
Korper und lange, bunne Beine unterschieden ftnd die
Ploiarien, von welchen Fig. 3151. eine Art (Ploiaria
vagabunda) darstellt.
Vierte Familie.
Phytocoriden.
Fuhler meist lang, borstenformig. Keine Neben-
augen. Hånliger Theil der Oberflugel mit eliter oder
zwei Zellen. Korper långlich oder auch linienformig.
Bel der hierher zu ziehenden Gattung CapsuS find
die Fuhler mit einem sehr langen zweiten und ausneh-
mend kurzen funsten Gliede versehen (Fig. 3152. A
bånischer CapsuS, B Fuhler vom dreifardigen CapsuS).
Die Capsus leben auf Pstanzen und von ihren <SAften,
sallen Raupen und andere Kerfe nicht an und find also
eigentlich Pftanzenmanzen. ES sind sehr viele, aber
meist unansehnliche Arten bekannt. Der breifarbige
Capsus (C. tricolor Fig. 3152. A vergrohert, B in
naturlicher Grohe) ist schwarz, braun und roth gefårbr.
Als eine seltene Ausnuhme muh eS angesehen werden,
bah in dieser Gattung dem Weibchen ein auS zwei
Stucken besindlicher Legestachel (Fig. 3154. B) verlie-
Hen ist, der in eine Rinne des Hinterleibes (A a) sich
zuruckschlagt.
Funfte Familie.
Acanthiadcn.
Fuhler kurz, hochstenS von Halber Korperlange. Keine
Nebenaugen. Kårpet långlich, ost ganz flach. Håu-
tiger Theil der Oberflugel geadert oder nervig. Flugel
biSweilen sehlend.
So allgemein bekannt ist die Bettwanze
(Fig. 3155.), welche in dieser Familie ihren Platz
sindet, dah ihre Geschichte hier zu entwickeln wohl
Raumverschwendung heihen muhte. Woher fie stam-
me, vermug man mit Sicherheit nicht anzugeben;
dah fie nicht au3 Amerika, »vie, irrig genug, Hin
und wieder geglaubt wird, zu uns gelungt, beweist schon
die Thutsuche, dah fie bereits int 11. Zuhrhundert alS
eine in Struhburg einheimische Plage bekannt roar. Ge-
genwårtig sindet sie fich in den verschiedensten Gegenden
der Erde, indessen gelangte fie noch nicht nach Sudame-
rika, nach Neuholland und Polynesten. Jm Norden
bildet fie wohl nirgend eine so unertrågliche Landplage
als in Ruhland; in Nordamerika drang sie bereits bis
uber den Missouri hinuber. Da fie geraume Zeit ohne
augenscheinliche Nahrung in altem Holze ausharren
kann, so erklårt fich auch ihre leicht mogliche Verschlep-
pung bis in roeite Fernen. Wo åuhere Umstånde ihre
Vermehrung begunstigen, nicht nur nichts geschieht zu
ihrer Vertilgung, sondern Schmutz die Wohnungen er-
fullt, da erroeist fie fich sehr fruchtbar und kann im faunt
gluublichen Maahe fich ausbreiten. Von den unzåhli-
chen zu ihrer Vertilgung vorgeschlagenen, biSweilen
lebhaft empfohlenen Mitteln leistet kein einzigeS, ein-
zeln angewendet, vollkommen fichere Dienste. Nur
durch Verbindung mehrerer, je wie Umstånde eS erhei-
schen mogen, hauptsuchlich aber durch unermudlicheVer-
folgung und auSdauernde Ausmerksamkeit dars man Hos-
sen, sene Plage zu befeitigen. Durch grogte Reinlich-
keit, durch fortgesetztes Aufsuchen der Schlupfwinkel
und Vertilgung der dort befindlichen Brut gelingt eS
endlich, eine Wohnung von Wanzen zu befreien, vor-
ausgefetzt sreilich, dah alle Winkel zugånglich gemacht
seien, daS Gebåude nicht ganz und gar aus altem Holz-
werke bestehe. Wanzen setzen ubrigenS solchen Ver-
folgungen eine gewisse List entgegen, verstehen fich sehr
gut zu verbergen, scheuen uberhaupt daS Licht, åuhern
nur gegen sehr hohe Kåltegrade Empfindlichkeit, erfrie-
ren aber niemals und vermehren fich auherordentlich.
Weder Månnchen noch Weibchen erhalten jemals Flu-
gel. Bei måhiger Vergroherung erkennt man, dah der
rostbraune Korper etwas behaart, das Ruckenschild mit
kleinen Kornern besetzt ist.
Sechste Familie.
Hydrometriden.
Korper langgestreckt, fast linienformig, Beine uber-
haupt sehr lang, paarweis, von ungleicher Långe.
Jedermann kennt gewisse spinnenåhnliche, langbei-
nige Wasserwanzen, die mit gråplet Schnelligkeit und
scheinbar ohne eine Bewegung der Fuhe auf dem ruhi-
gen Spiegel stehender Gewåsser Hingleiten. Es findet
indessen hierbei ein wirkliches Schwimmen statt, nur
bringen die ausgebreiteten Fuhe nicht unter das Wasser,
sondern streifen an der Oberflåche blitzschnell Hin, wåh-
rend der durch mikroskopische Behaarung gegen Durch-
nåssung geschutzle, drehrunde Leib faunt aufliegt. Wenn
die Hydrometren im Spåttahre fich in die Tiefe zuruck-
ziehen, schwimmen sie in gewohnlicher Art; sie verbrin-
gen, in den Schlamm versenft, den Winter und kehren
in den ersten Fruhlingstagen nach oben zurucf. Mit
Gier verfolgen sie weiche am Wasser lebende Juseeten,
packen verungluckle Fliegen und Mucken mit den furzen
und dicken Vorderfuhen, bohren den Ruffel in fie ein
und saugen fie auS. Die gemeine Hydrometra
(H. stagnorum) Fig. 3156. b ist schwarz, hat schmale
schwarze Vorder- und braune Hinterflugel. Von den
eigentlichen Hydrometren unterscheiden fich die Velien
(Velia) durch die Fuhler, welche bei ihnen fabenformig
(Fig. 3157.), bei jenen borstenformig sind, sowie durch
furzere Beine. Die lausende Veliu (V. currens)
Fig. 3156. a lebt bei uns auf stehenden Gewåffern.
Siebente Familie.
Nepiden.
Fuhler sehr fur$, tinter dem Kopfe versteckt. Ruffel
furz, gebogen oder fast vorgestreckt. Zwei lunge Bor-
sten an der Spitze des Hinterleibes. Vorderbeine zum
Rauben eingerichtet, Hinterbeine sparsum behaart.
Es ist herkommlich, die Nepiden Wasserscorpione zu
heihen, obgleich fie durch ihre Gestalt den Vergleich mit
jenen Spinnenthieren feineswegeS rechlfertigen. Findet
uberhaupt eine Aehnlichfeit statt, so fann fie allein in
der Giftigkeit deS Stiches liegen, der dem Menschen
fchmerzhaft, fleinen Jnfeeten todtlich ist, aber mit dem
Ruffel ausgetheili wird. Die Nepiden friechen lang-
sam auf dem Boden der Gewåsser umher, fommen nur
des Nachts an die Oberflåche und fliegen dann auf furze
Entfernungen. Andere Wafferinseeten fangen fie mit den
Vorderfuhen (Fig. 3158. B), die bei bedeutender Långe
einen fråftigen Bau besttzen und aus funf Gliedern be-
stehen, deten åuhersten beiden fich in eine Rinne des
dritten wie eine Messerflinge in die Schaale zutuckschla-
gen lassen. An dem furzen Russel (Fig. 3159. a ge-
schlossen, b ausgebreitet, e Hervorgezogen) erfennt man
die gewohnlichen Bestandtheile. Bei der Gattung Nepa
ist er abwårtS gerichtet, bei Ranatra vorgestreckt. Kennt-
lich ist die in Deutschland håufige graue Nepa (N. ci-
nerea) Fig. 3160. an ihrer lehmbraunen Farbe und oben-
her rothem Hinterleibe. Sie hat an der rothen Masser-
milbe (Fig. 2850.) eine gefåhrliche Feiitdin, benn biefe
setzt auf sie ihre gestielten Eier ab, bie zwar nicht gerabe-
zu ausfaugen fonnen wie eine Pflanze ober ein angehef-
teter Parasit, inbeffen offenbar Krankheit, Abmagerung
uno Tob veranlassen. Die Maffer-Schmalwanze
(Ranatra linearis) Fig. 3158. A ist lang, schmal, fchwårz-
lich, unter ben Flugeln hochroth, hat milchweihe Flu-
gel, miht nahe an 1% Zoll unb Hat ein paar fast eben
so lange Schwanzborsten. Sie lebt ebenfalls von Lar-
ven ber Masserinseeten, fonimt im Fruhjahre aus bem
Eie, gelangt burch mehrere Håutungen int August zur
vvllen Entwickelung unb wirb burch Massermilben viel
verfolgt.
Achie Familie.
Nvtoncetiden.
Fuhler sehr furz, unter bem Kopfe verborgen. Rus-
sel abwårts ober ruckwårtS gebogen. Hinterleib ohne
Borsten. Hinterbeine sehr lang, start behaart, zu Ru-
bern umgestaltet.
Charafteristisch fur bie Ruberwanzen ober Notonec-
tiben ist bie Krummung bes furzen Russels (Fig. 3161.
A a zufammengesetztes Auge, b Grube, in welcher bie
Fuhler verborgen liegen, c Oberlippe, s erster, d zweiter
Ring bes Russels; B Russel von oben, f Schilb uber ber
Munboffnung, c Oberlippe) unb bas Långeverhåltnih
ber Hinterbeine. In ber Ruhe werben bie letzteren Ho-
rizontal unb rechtwinflich zum Korper gestellt, im
Schwimmen rasch beroegt, roobei ber Kerf jeboch aufbem
Rucken liegt. Die Nahrung erlangen biese Wanzen
burch rasche Verfvlgung von Wasserlarven unb von
Jnseeten, bie fie mit einem Stiche tobten, ber ubrigenS
auch auf bie menschliche Haitt einen Reiz gleich bem
Wespenstiche Hervorbringt. In allen stehenden Ge-
wåssern wohnt die gemeine Ruberwanze (Noto-
necta glauca) Fig. 3162.; fie ist grunlichgrau gefårbt,
Hat fchwarzeS Schilbchen, ist auf den Oberflugeln mar-
morirt und gefleckt und uber U Zoll lang.
Zweite Unterordnung.
Glcichslugelige Halbflnglcr.
Ruffel auS der Unterfeite beS KopfeS entfpringenb,
nach Hinten håufig ben Korper uberragenb. Oberflu-
gel burchaus von gleicher Befchaffenheit.
Neunte Familie.
Singeicaden.
Fuhler fechSglieberig, nach vorn verbunnt, mit bor-
stenformigem Enbgliebe, breiglieberig. Drei Neben-
augen. Oberflugel meist burchflchtig, vielnervige Tarsen.
Cicaben bewohnen bie Båume wårmerer Lånber, feh-
len im mittleren unb nårblichen Europa, ubertreffen an
Grohe fast alle anbere Halbflugler, haben einen plitin-
pen Leib, sehr breiten unb roenig langen Kops, vier ben
Korper viel uberragenbe, håutige, ziemlich steife, burch-
scheinenbe, balb ganz farbelofe, balb braune ober schwårz-
liche Flugel, sehr furze Fuhler unb roeit Hervorgegiiol-
lene Augen. Der Russel gleicht bem Halben Leibe an
Långe unb besteht, wie gewohnlich, anS einer rinnen-
fotmigen Unterlippe, brei Hetvorschiebbaten Borsten unb
einer Oberlippe unb bringt ticf ein in etgriffene, zur
Nahrung bienenbe Jnseeten. Seit alten Zeiten haben
Cicaben burch ihren sogenannten Gesang, einen ost un-
gentein schatfen, mit Unermublichfeit stundenlang Her-
vor gebrachten Ton, bie Aufmerfsamkeit ber Forfcher
auf fich gezogen. Das sogenannte Stimmorgan befitzen
nut bie Månnchen; es liegt an ber Bauchfelte, unter
einem Paare breiter Platten, welche bie vvtbeten Hln-
terleibSringe uberbecken (Fig. 3163. Månnchen ber
Eschencicabe), aber nach hinten frei stnb, fich zuruckle-
gen lassen, ubrlgens aber burch zwei an ber Wurzel ber
Hinterbeine befinbliche Håckchen in ihrer Stellung ethal-
ten werben. Die von ben Platten uberbeckten paatigen
Organe bestehen jeberzelt in einer fleineten, im lim-
fange breiectigen HLhle, in beten Tiefe eine vielgefallete
Membran (Fig. 3164. cc.) als eigentliche Trontmel-
Haut ben Ton Hervorbringt, sobalb fie burch ein btel-
eckiges, zweifchenflicheS, sehniges Musfelbunbel (b)
start angefpannt wirb, unb bel bem Nachlassen jener
Kraft zuruckschnellt. Verstårft wirb ber Ton burch ein
paar geråumige, welter nach hinten gelegene Schallhoh-
len (aa), welche eln in vetschiebenen Farben schillernbeS
Querfell verschlieht. Wirb mittels ber Athmung ber
Hinterleib ausgebehnt ober verengt, so spannt ober er-
schlafft fich zugleich jener MuSfel unb Wirft in beschrie-
benet Messe auf ble eigentliche Trommelhaut. Dem