Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
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K c r s c.
Achte Vrdnung. /lugeUefe.
Kraft und Energie. Einige der grotten messen bis zu
rinem Fuh, die kleinsten einen halben Zoll oder selbft
weniger. Meist find fie glatt, oft wie polirt und metal-
lisch glLnzend, felten Haarig oder schuppig, getoohnlich
rinfarbig und nicht aufsallend gezeichnet, in wenigen
Vårten schon bunt. Die Mehrzahl der Leibesringe, wo
nicht alle, tragen ztoei, bisweilen sogar vier Fuhpaare,
die bei den meisten der Gattungen auS sechs Gliedern
bestehen, bei den sogenannten Schildafseln (Scutigera)
eine ungewbhnliche Anzahl von Tarsengliedern getoah-
ren lassen. In der Bildung der Mundtheile liegt eine
Steigerung angedeutet, denn toahrend die eine Familie
nur Oberkiefer von geringer Grbhe und Harte besttzt,
ist die andere auch mit Unterkiefern auSgersistet und
uberhaupt zum Raubthierleben itu hohen Maahe be-
fahigt. Eine gewisse Annaherung an den bei Krustern
gewbhnlichen Bau der Mundtheile laht bei vielen My-
riopoden sich nicht verkennen. Meist scheinen die Augen
einfache zu sein, treten indessen biSweilen zu Gruppen
oder Haufchen so zusammen, dafi fie wie zusammenge-
setzte aussehen. Die Fsihler bieten manche Verschieden-
heit. Immer geschieht die Athmung durch LuftrLhren,
deren ZugLnge biSweilen nur mit Schwierigkeit aufge-
funden werden. Die GeschlechtStheile liegen bald, wie
bei den achten Kerfen, am Hinterende, bald an einem der
vorderen Ringe. Bei dem AuSschlnpfen auS dem Eie
haben die Jungen nicht leicht eine gleiche Zahl von Rin-
gen wie die Erwachsenen und entbehren die Fsihe; eine
vollkvmmene Verwandlung durchlaufen fie nicht, son-
dern erlangen ihre wahre Gestalt mittels wiederholter
Hautungen. 3m Ganzen scheuen Myriopoden daS Licht,
halten fich daher an dunkeln Orten auf, wie unter Stei-
nen, Baumrinden, Moos, abgefallenen Blattern, in
faulen Baunren und sogar in den Winkeln unferer Hen-
ser und in Fruchten. Feuchtigkeit finnen fie nicht ent-
behren und sterben, der Sonne auSgesetzt, in nicht lan-
ger Zeit. Einige leben forttoahrend unter der Erde und
kommen daher nur bei dem Graben und Pfiugen zum
Vorscheine. Jm Wasser findet sich nicht eine Art. Sie
fehlen feinem Welttheile, finden fich aber weit Haufiger
und in viel ansehnlicherer Grohe in warmen Landern.
Die grohen und krastigen nehmen fich als bisstge, leicht
zu erzurnende Raubthiere; die Scolopendern flohen ge-
rechte Furcht ein durch ihren immer schmerzlichen, biS-
weilen sogar gefahrlichen Bih. Manche geben einen
braunen, ubelriechenden, wohl sogar atzenden Sast von
fich, andere verbreiten einen besonderen, bisweilen sehr
unangenehmen Geruch. Megen ihres lichtscheuen LebenS
und ihrer Aehnlichkeit mit Ranpen und Murmern stehen
fie nirgends in Gunst, obgleich fie, toenige auSgenom-
men, dem Menschen niemals schaden. — Zu der sechsten
Familie gehbrt die Gattung Kugelaffel (Glomeris),
toelche mit den eigentlichen Asseln (S. 35.) nichts al S
das Ansehen gemein hat, oben mit zwolf Harten, ge-
toolbten, glsinzenden, nach unten in seitliche Schuppen
ubergehenden Schienenplatten bekleidet ist und ztoei und
dreihig Fuhpaare hat. Die Arten leben unter Steinen
und rollen bei lleberraschung sich zur Kugel zusammen.
Die gerandete Kugelassel (G. marginata) Fig.
3337. 1. glsinzt stark und hat schwarze, Hinten gelb
eingefahte Ringe. — Bei den Bandaffeln (Julus) ist der
Korper walzenfbrmig, ungerandet, wurmartig, die
Fuhler haben nur sechs deutliche Glieder, die Augen be-
stehen au8 reihenweiS neben einander gestellten Vunkt-
augen. Unter dem leichten Gartenlande lebt ziemlich
Haufig die gemeine Bandassel (J. terrestris) Fig.
3337. 2. und 3336. an, toelcher man von 32 bis 67 Lei-
besringe zahlt; sie ist schwarzgrau und auf dem Rucken
der ganzen Lange nach mit ztoei gelben Streifen gezeich-
net und verbreitet, toie ihre Berwandte, bei Bersih-
rung einen eigenthsirnlichen, unangenehmen und starken
Geruch. — Bon den Bandasseln nnterscheiden sich auf
den erften Blick die Randaffeln (Polydesmus) dnrch die
flache Gestalt des jederseits in einen Rand Hervorragen-
den Korpers. Sie haben stebengliederige Fuhler, ent-
behren die Augen und leben an Baumen oder unter
abgefallenem Laube. Die platte Randassel (P.
complanatus) Fig. 3337. 3. ist breit gerandet, brsiunlich
grau, am Endgliede mit feiner Spitze versehen nnd miht
% Zoll in der Lange. — Abweichend gestaltet ist die
Bnschelaffel (Polyxenus lagurus Fig. 3337. 4 a stark
vergrohert, 4 b. in natsirlicher Grohe), die gleich den
ubrigen Gliedern dieser Familie von zersetzten Pftanzen-
stoffen lebt und daher in Garten, zumal aber in Treib-
hausern gar nicht felten gefunden toird. Sie ist die ein»
zige Art ihrer Gattung, sehr klein, braun, nicht mit
Hornigen Ringen, fondern nur mit Hantfalten bekleidet,
tragt an den Seiten deS eiformigen Karpers Bufchel
kleiner Schuppen, Hinten einen weihen Haarpinfel, lebt
mit anderen gefellig in Spalten und kann nuf den ersten
Blick leicht fsir die Haarige Larve eines oben ertoahn-
ten, den naturhistorifchen Sammlungen feindlichen
KaferS (Anthrenus museorum) genommen toerden.
Siebeilte Familie.
Scolopendriden.
Korper der Juliden. Zivei deutliche, am Grunde
verbundene Kinnladen; starke Oberkiefer (Fig. 3334. c);
fadenformige Kiefertaster (b), kurze Oberlippe (a), brei-
tere Unterlippe (d), Lippentaster mit starker Kralle be-
toaffnet. Augen kaum erkennbar, nus einigen in einer
Reihe gestellten einfachen Augen (Fig. 2335.) zusam-
mengesetzt.
Jm gemeinen Leben bezeichnet man mit dem Namen
von Tansendfsihen meist nur die Scolopendriden; die
platte Form des Korpers veranlaht das deutlichere Her-
vortreten der Fsihe, die sibrigens in nicht groherer Zahl
vorhanden sind als bei den Juliden und fogar bei
den eigentlich sogenannten Scolopendern nur zu einem
Paare an jedem Ringe angefsigt sind. Die letzteren rei-
chen nicht vollkommen Herum, sondern verlieren sich in
eine seitliche Hautfalte; durch folche Einrichtung toird
grohe Biegfamkeit und die Fsihigkeit zu fenen Heftigen
und blitzfchnellen Betoegnngen erlangt, toelche alle Sco-
lopendern ausfsihren muffen, um die zur Nahrung die-
nenden Jnfecten und Wsirmer zu erhafchen. Sie liegen
am Tage in Spalten und unter Rinden verborgen und
gehen im Dunkeln auf die Jagd. Ergriffene Thiere ver-
lieren fchnell die Betoeglichkeit durch einen Bih mit den
gewaltigen Kiefern, auS deren fein durchbohrter Spitze
Gift ausstromt. — Bei den Schildafseln ( Scuti-
gera) ist der Leib obenher mit achtzehn, unten mit funf-
zehn Halbringen befetzt. Jedes der funfzehn Fuhpaare
endet in einen sehr langen, vielgliederigen Tarfus. Die
gelbe Schildaffel (S. coleopterata) Fig. 3337. 7.
Hat lange, dsinne Fsihler, nur vierzehn Fuhpaare, grohe
Augen, miht einen Zoll und lebt gern im Gebsilk alter
Haufer. — Leicht erkennt man die gemeine Steinaffel
(Lithobius forficatus) Fig. 3337. 6. an dem zur Zange
fich krsimmenden Hintersten Fuhpaare, dem breiten
Kopfe und den blattartig ertoeiterten Oberkiefern. Unter
den einheimischen Myriopoden eine der gemeinsten, lebt
fie unter Steinen und in Erdlochern. Ihre Farbe ist
gelbrothlich. — Von den eigentlichen Scolopendern Hat
man die Erdasseln (Geophilus) abgetrennt. Die meisten
von den letzteren verbreiten im Dunkeln ein phosphori-
sches Licht, toelches jedoch jenem eines JohannistourmeS
an Starke nicht gleichkommi. Lange Fsihler unterschei-
den die gehornte Erdasfel (G. longicornis) Fig.
3331. 5. von der elektrifchen Erdasfel (G. electricus)
und sihnlichen in unferen Garten und Waldern ledenden
Arten. Sie miht bis 2 Zoll, ist gelblich und betoegt fich
fchlangelnd und ohne viele Schnelligkeit. Zu den Sco-
lopendern (Scolopendra) im engen Sinne gehort die
ost fpannenlange giftige Art des tropifchen Amerika (S.
morsitans), die gelegentlich auch in Schiffen nach Europa
verfchleppt toird, indessen felbst in Ssideuropa fich
nicht einbsirgerte und in ihrem Baterlande nicht so
sehr gessirchtet toird, toie man, auf die allerdingS siber-
triebenen Berichte von Reisenden fuhend, vorausfetzen
niochte.