Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
Mit 1558 Ubbildungen
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dechste Vrbnmtg. Stachelfriher.
Krustenthiere.
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fchen Perioden allgemeine Umgestaltungen der Erde nach
ff$ zogen. Alle sind untergegangen vor Vildung jener
Schichten, die auf der Kohlenformatiott ruhen. Jhre
Derbreitung muh ungemein weit gereicht haben, benn
Trommer von ihnen finden sich in verschiedenen Gegen-
den Europa'S, in Nord - und Sudamerika und an der
Sudspitze Afrika's. Bereits ist cine grotze Zahl von
lhnen beschrieben und in vielleicht zu sehr vervielfachte
^attungen vertheilt worden, allein dennoch bleibt es
unenrschieden, welchen Platz fle int Shsteme der Glieder-
lhiere einzunehmen haben. Die alteren Palaontologen
Barsen fie zusammen unter dem Namen Entomolithen
und nteinten, weil Bewegungstverkzeuge nicht zu ent-
decken Waren, sie zu den sogenannten Kåsermnscheln
(Chiton) stellen zu muffen, mit welchen fie allerdings
kinige åutzere Aehnlichkeit haben. Anvere stellten fie zu
ben Tansenbfutzen, unter welchen eS Gattungen giebt,
Welche das Ansehen der Asseln haben und sich kugelig
jusammenzurollen vermogen. Gegenwartig werden fie
Von der Mehrzahl der Zoologen fur Kruster und zwar
den Blattfutzern und Asseln gleich verwandt erklårt,
indem man auf gewiffe, an den gemeinen Floffenfutz
(Sig. 2736.) erinnernde Bildungen Ruckficht nimmt, den
Mangel an Futzen auS der Hantigen Beschaffenheit,
Kleinheit und Zerstorbarkeit derselben Herleitet, die Glie-
berung des Korpers und die Fåhigkeit desselben, flch zu-
sammenzurollen, welche an die Asseln mahnen, in An-
schlag bringt. Auch mit den Stachelsuhern (Fig. 2734.
2735.) Haben Trilobiten manche Aehnlichkeit. Jhre
Grotze ubersteigt faunt jemals funf Zoll, viele Arten
Messen faunt 1 Zoll; ihre Breite betragt, da sie mehren-
theils eiformige Korperumriffe haben, gemeinlich den
dritten Theil der Lange. Mac Leay hat die Bermu-
thung aufgesteltt, dah die sehr ungleiche Grstze von sonst
ziemlich ahnlichen Jndividuen von dem GeschlechtSunter-
schiede herruhre, wie bei den Garneelenasseln, wo autzer-
dem noch viele Unahnlichfeit zwischen Månnchen und
Weibchen Herrscht. Viele der jetzt angenommenen Ar-
ten von Trilobiten wurden zusammensallen muffen,
fonnte man die Richtigkeit jener Vcrmuthung nachwei-
sen. Die auf uns gekommenen Reste haben je nach
der sie einschliehenden Gebirgsart eine dunketbraune oder
schwarze Farbe; ihre Untersuchung hat in den letzten
Jahrzehnten viele sehr tuchtige Forscher angezogen,
welche die Resultate in grotzcn Werken niederlegten.
I. Nilens. (Nileus.)
Gattungscharakter: Kbrper sehr dick, fåhig,
sich zusammenzurollen. Hinterleib grotz, schildformig, in
Ringe nicht getheilt. Bruststuck ohne Langsfurchen.
Der gegurtelte Nileus (N. Armadillo, Fig.
2723 a. ausgestreckt, b. zusammengerollt) ward im Ueber-
gangskalk von Ostgothland entdeckt.
II. AsaphnS. (Asaphus.)
Gattungscharakter: Korper dick, fåhig, sich
zusammenzurollen. Hinterleib grotz, mit Hautrand ein-
gefaht, sonst dem dreilappigen Bruststucke åhnlich in
viele Ringe deutlich getrennt. Augen deutlich, fast
immer zusammengesetzt.
An dem geschwånzten AsaphnS (A. catida-
ll>s) Fig. 2724. endet der wahrscheinlich Hautige
Rand deS HinterleibeS in eine Spitze, der Kopf verlån-
gert fich nach hinten jederfeits als ansehnliches Horn,
bie grotzen Augen (Fig. 2725.) ragen wie abgestumpfte
Kegel hoch hervor. Ein jedes besteht, nach Buckland's
Angabe, auS wenigstenS 400 sphårischen Linsen (a. stark
vergrotzert), welche eben so vielen Abtheilungen der
Hornhaut entsprechen, eine Bildung, die einem in der
Tiefe der Gewåsser lebenden Geschopfe sehr nutzlich sein
muhte, indem dieses wohl daS Bedurfnitz eines Horizon-
talen Blicks nach allen Richtungen, nicht aber das deS
Sehens nach unten haben konnte. An der inneren, dem
underen Auge zugewendeten Seite ist jener Kegel immer
nnvollkommen, tief auSgerandet und ohne Linsen, die
Hingegen an dem ubrigen Dreiviertelkreise deS Umfanges
um so dichter stehen und dort allein nutzlich sein konn-
ten. An den jetzt lebenden Serolis (Fig. 2716.) find
ubrigenS Stellung, Bildung und Bestimmung der Augen
fast diefelben. Dieser AsaphnS wird nicht felten im
llebergaiigSkalke von Dudleh in England gefunden. Un-
gewohnliche Grotze scheint der plattkopfige Asa-
phnS (A. platycephalus) erreicht zn haben, von wel-
chem das verstummelte Kopfstuck unter Fig. 2726. abge-
bildet ist.
III. Calymene. (Calymene.)
Gattungscharakter: Korper deS Asaphus.
Hinterleib ohne Hautsaum, von dem deutlich breitheili-
gen Bruststucke toenig verschieden.
Die Calymene bilden die artenreichste Gattung der
Trilobiten und werden zumal nach der Form des Kopf-
stuckeS unterschieden; an Blumenbach's Calymene
(C.Blitmenbachii) Fig. 2727., toelche im Uebergangskalke
Englands, SchwedenS, Bohmens, Nordamerika'S vor-
kommt, hat jenes einen erhabenen Rand und zerfållt in
drei Lappen, beren mittelster vorn unb Hintett gleich dreit
und an den Seitett lappig eingeschnitten ist; an Broto-
nings Calymene (C. Browningii) Fig. 2728. (zu-
sammengerollt) hat daS Kopfstuck eine åhnliche Bildung,
doch ist der Mittellappen obenher abgerundet, an den
Seiten leicht guergefurcht; die toarzige Calymene
(C. variolaris) Fig. 2729., aus den obern silurischen
Schichten von Dudley in England, zeichnet fich aus durch
ungetheilten Mittellappen und seitliche Verlångerung
des Kopfstuckes, sotvie durch marzenåhnliche Hocker auf
demselben.
IV. Trinttcletts. (Trinucleus.)
Gattungscharakter: Korper sehr platt, un-
fåhig, fich zusammenzurollen. Hinterleib grotz, schild-
sormig, auS mehreren Segmenten, Bruststuck auS weni-
gin Ringen bestehenb. Augen nicht unterscheidbar.
Lloyd's Trinucleus (T. Lloydii) Fig. 2730.
wird neben mehreren sehr åhnlichen Gattungsvertoandten
im NebergangSkalfsteine von Wales gefunden.
V. Parado^ides. (Paradoxides.)
Gattungscharakter: Korper sehr platt, un-
fahig, fich zusantmettzurollen. Hinterleib sehr flein,
nicht schildformig, aus toenigen Ringen bestehend, an
den Seiten mit stachelformigen Verlångerungen, Hinten
mit kleinem Schtoanzanhange.
Tessin's ParadorideS (P. Tessini) Fig. 2731.
toar schon Linno bekannt und ist von ihm unter dem
allgemeinen Namen Entomolithus beschrieben worden.
Der Fundort ist Ostgothland.
VI. Agnostus. (Agnostus.)
Gattungscharakter: Korper nierenformig oder
kreisrund, durch zwei Mittelfurchen in drei Theile ge-
schieden. Ringe und Hauptsåchliche Korpertheile nicht
unterscheidbar.
Man Hålt diese sonderbaren Korper (A. pisciformis,
Fig. 2732.), toelche in geroiffen Kalksteinformationen
Schwedens håuflg und, wie die Abbildung zeigt, nicht
ganz gleich find, nicht fur ganze Thiere, sondern sur
Theile von Trilobiten, får Kopfståcke einer Art, die
vielleicht einen sehr toeichen Leib hatte und also nar
stuckweis fich erhalten konnte.
Sechste Vrdnung.
Stachelfuher.
Wollte man die Dicke und sonstige Beschaffenheit der
Korperhullen allein in Anschlag bringen, so konnte man
den Krustern dieser Ordnung den Platz neben den toah-
ren Schaalenkrebsen nicht vertoeigern. Durch den Ban
ihrer Fretztoerkzeuge und die Verhåltniffe der Schaalen-
stucke zu einander entfernen fie fich aber von jenen so
sehr, dah die Systematiker bei den Versuchen, fie einzu-
reihen, in viele Verlegenheit gerathen find, einige in
ihnen toohl gar Vertoandte der Spinnenthiere erkann-
ten. Es bleibt immerhin ztoeckmåtziger, sie zwischen die
Trilobiten und Blattfutzer zu stellen, als ihnen am Ende
der ganzen Classe eine gesonderte, nach feiner Richtung
verbundene Stellung anzuweisen. Der Korper der
Stachelfutzer besteht auS drei Theilen, einem Brust-
schilde (Fig. 2734. A), welcheS grbtzer als die ubrigen,
abgerundet, oben gewolbt, unten concav, Hinten aus-
gerandet ist, um das Hinterleibsstuck (B) aufzunehmen,
und einer langen Spitze (C), bie fich an ben Hinterleib
anschlietzt unb ben Enbflossen langgeschwanzter Krebse
ober ben HinterleibSanhången ber Asseln analog sein
burfte. Alle auf Ortsbetvegung unb NahrungSauf-
nahine bezuglichen Werkzeuge liegen von ben beiben
ersteren Schilbern verbeckt an ber vertieften Unterseite
bes Thieres; an ber oberen nach vorn ein Paar kleine,
genåherte, einfache Augen (Fig. 2734. a), zu ben Seiten
ein Paar grovere, zusammengesetzte (b). Ileber bie
Mitte bes Bruststucks laufen brei LångSkiele. Auf ber
Oberflåche beS etwaS weniger gewolbten Hinterleibs-
stuckes liegt eine Doppelreihe von Berliefungen (c c),
welche inbessen nicht burchbohrt sinb; an ben Seiten-
rånbern beffelben Schilbes lenken fich zwischen bie festen
Zahnungen bewegliche Stacheln (Fig. 2735. e) ein.
Der bolchforinige Schwanzstachel ist entweber rttnb ober
breikantig, sehr lang unb hart; an feiner Wurzel bestn--
bet sich bie Munbung bes AfterS (b). Den eigentlichen
Bau gewahrt man erst nach Umkehrung beS Thieres.
Es zeigt fich bann ber Ranb bes Bruststucks Horizontal
abgeplattet unb zumal an ber Stirn (a) fehr breit.
Mitten zwischen ben funf Paaren eigentlicher Kieferfutze
(c c c c c) liegt ber kiefernlose Munb, auf bessen Ober-
lippe ein Paar kleiner scheerenformiger Taster (b) ein-
gelenkt sinb, welche man fur Vertreter ber sonst nicht
nachweisbaren Fåhler hålt. Die Kieferfutze ersetzen
bie mangeliiden eigentlichen Kiefern, inbem fie mittels
ihrer harten, gezåhnelten Huftglieber (Fig. 2733. BaCa)
kanen ; je nach ber Art, toelcher ste angehoren, erscheineir
fie einfingerig bei bent kantenschwånzigen (C) ober ztoei-
fingerig bei bem runbfchwånzigen (B) Limulus. Unter
bem Hinterleibe liegen bie AthmungSorgane (Fig.2735 g)
geschutzt von bem plattenformigen, breiten, Verwachsenetr
ersten Afterfuhpaare (Fig. 2735. f Fig. 2733. E); ein
jebes besteht aus einem mehrtheiligen Afterfutze unb einer
runblichen Platte (Fig. 2733. D a), welche sehr viele
gefåtzreiche, hånlige, wie Falten neben einanber liegenbe,
am åutzeren Ende freie Blåtter, bie eigentlichen Kiemen,
trågt. Die Geschlechtsoffmingen burchbohren ben oberen
Ranb bes ersten Afterfntzpaares (Fig. 2733. E aa). —
Die Limulus bewohnen bie astatischen Meere von ben
Molukken bis Japan, bie Antillen unb bie Kuste beS
sublichen Norbamerika. Sie schwimmen schlecht, kriechen
noch langsamer, kommen bei trubem Wetter vennoch
hånfig an bas Lanb unb schieben sich, beweglichen Schil-
ben vergleichbar, uber sanbige Strecken fort. Im Meere
verweilen sie nteist nttr an tiefen Orten, kåntten Hitze
burchaus nicht vertragen unb vergraben sich in ben
Sanb, wenn bei ihren Ausstugen bie Sonne ste uber-
rascht. In ber Jugenb burchlaufen fie mehrere beben-
tenbe Berwanblungsstufen. Jhre Nahrung ist nur ani-
malisch. Man kennt bereits funf, von ben ålteren Zoo-
logen znsammengeworfene Arten. Die von unS adge-
bilbeten stub beibe astatisch (Fig. 2734. L. moluccanus,
Fig. 2735. L. rotundicauda) unb unterscheiben fich burch
bie Beschaffenheit ber Kieferfutze unb bes SchwanzstachelS.
Beibe toerben, ohne Schwanz, futzlang unb sollen alS
Speise bienen, ihr langer Stachel ben toilben Bålkern
auf Neuguinea gefåhrliche Spitzen ber Wurfspietze lie-
fern. Die Limulus bilben ubrigens bie einzige Gattung
ber Stachelfutzer; batz fie ben Meeren ber Vortoelt nicht
gefehlt unb in ihnen eine sehr ansehuliche Grotze er-