Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Vierter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1851
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 296
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere
Mit 1558 Ubbildungen
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Achte Classe.
K e r f e.
Einleitung.
Mit dem Namen von Kerfen oder Jnsecten delegt
man im streng wissenschaftlichen Sinne nur jene skelett-
losen Gliederthiere, deren Leib schon autzerlich in drei
deutliche Hauptabschnitte, den Kopf, das Bruststuck und
den Hinterleib zerfallt, welche mit mindestens drei geglie-
derten Futzpaaren unv mehrentheilS mit zwei Paar
Flugeln versehen flnb, und die, um ihre eigentliche, den
Zustand der Reife bezeichnende Gestalt zu erlangen,
mehrfache Umgestaltungen oder Metamorphosen erfahren
muffen. Die Trennung des Leibes in wohl geschiedene
Stucke unterscheidet fie von den Spinnen und Krustern,
von den letzteren weichen fie noch ab durch ihre Ath-
mungswerkzeuge, welche im auSgebildeten Jnsect nie
aus Kiemen bestehen tonnen, und von den Borstenwffr-
mern trennt fie die Zusammensetzung der Futze auS meh-
reren, gelenkweis unler einander verbundenen Gliedern.
Tie bilden ohne Zmeifel die umfånglichste Claffe des
ThierreicheS, deren Zahlengrotze man gegenwartig nicht
mehr abzuschatzen wagt, indem die Erfahrung bewiesen,
datz die vor 30 — 40 Jahren von Entomologen alS an-
nahernde angegebene Zahl seit langer Zeit hinter der
Wahrheit viel zuruckbleibt. In ihrer autzeren Gestaltung
giebt es mehr scheinbare als wirkliche Verschiedenheit,
denn wenn auch der Laie auf den ersten Blick schwerlich
die Verwandtschast der Libelle mit dem Kafer, der Fliege
mit der Baumwanze wird anerkennen mågen, so entgeht
diese doch dem genaueren Forscher nicht, der bald die
allgemeine Grundform auffatzt, mag fie auch unter
den mannichfachsten, aber den allgemeinen Begriff nie-
mals aufhebenden Abanderungen sich verstecken. Ge-
rade durch diesen wunderbar grohen, aber ganz gesetz-
lichen Formenreichthum, der auf leicht erkennbare
oder vorauSzusetzende Bedurfnisse und Befåhigungen
allezeit bezogen werden muh, liegt eine der Wesent-
lichsten Ursachen jeneS Reizes, welchen das ernstcre
Studium der Entomologie auf Alle auSubt, die nach
Bewaltigung der ersten Schwierigkeiten zu allgemeinen
Anfchauungen gelangten.
Kerfe entbehren, wie alle andere Gliederthiere, cut
inneres Hartes Gerust, denn wenn auch viele, ebenfo
Wie die groheren Kruster, im Jnneren deS Bruststuckes
Harte, gewissen Muskeln zum Stutzpunkte dienende
Theile haben, so find diese nichts Anderes alS FortsLtze
der autzeren Umkleidung und niemals dem wahren inne-
ren Skelette gleich zu achten. Ihre mit dem Namen
Hautskelett bezeichnete Hulle zerfallt in regelmahige, je
nach den Classen etwaS abandernde Segmente oder Ab-
schnitte, die bei Fliegen und Mucken sehr weich, bei vielen
KLfern von Hornartiger Harte, bei Geradfluglern (wie
Heuschrecken) lederartig sind und im Ganzen nur als
Hautgebilde, zumal alS verhartete und verdickte Haut
erscheinen. Dah dem so sei, beweist theils die anato-
misch-mikroskopische Untersuchung, theils auch die That-
sache, dah alle aus der Puppe ausschlupfende Jnsecten
AnfangS sehr Weiche Bedeckungen haben, welche einige
Tage oder doch mehrere Stunden bedurfen, um unter
IV. Baud.
dem Einstuffe der Sonne und der Luft vollstandig zu er-
harten. Anders verhalt sich die chemische Zusammen-
setzung dieser Decken bei den Kerfen als bei den Kru-
stern, denn wahrend bei diesen Kalk in ansehnlichem
Berhtzltniffe beigemengt ist, enthalten die Panzer der
Jnsecten einen eigenthumlichen Stoff in groher Menge,
welchen man Chitin genannt hat. Man vermag ubri-
genS die gewohnlichen Hautschichten an Kerfen zu un-
terscheiden, namlich eine meist glanzende und structur-
lose Oberhaut, ein Schleimnetz, welches der Sitz der
oft prachtvolleit Farben, und eine Lederhaut, die aus
mehreren Schichten sich kreuzender Fasern zusammen-
gesetzt ist. Unter sich find die einzelnen Schienen oder
Platten, in welche diese Decken zerfallen, feltener ganz un-
beweglich verwachsen, sondern meistenS durch Hautfalten
von gråherer oder geringerer Nachgiebigkeit verbunden,
obenher oder auherlich nicht immer vollig glatt oder gar
polirt, sondern poroS, rauh, feingefaltet, aufgetrieben,
schuppig, Haarig oder stachelig. Wahre in besondern
Sacken oder Zwiebeln wurzelnde Haare kommen aller-
dings bei Jnsecten oft vor und find von Gebilden,
welche der Oberhaut allein angehoren, wohl zu unter-
scheiden. Schuppen, wie der Schmetterlingsflugel fie
darbietet, unterscheiden fich von eigentlichen Haaren, mit
welchen fie verglichen worden, in mehreren Beziehungen.
— Am autzeren Skelett des ausgebildeten Jnsects er-
kennt man leicht als die drei Haupttheile den Kopf(Fig.
2851. a), eine hornigeBlase mit vorderer durch die Fretz-
werkzeuge geschloffener, und Hinterer mit der Hohle des
BrustkastenS in Verbindung stehender Oeffnung; den
Brustkasten (b), der auS drei Abschnitten besteht, den
Hinterleib (c), der aus hornigen, durch weiche Haut-
falten verbundenen Schienen zusammengesetzt ist. Der
Theorie nach besteht der Kopf aus mehreren genau ver-
wachsenen Ringen, die aber meist nicht zu erkennen
sind. Hingegen fallen bei den meisten Jnsecten die Ab-
schnitte, aus welchen das Bruststuck besteht, deutlich in
die Augen. Sie wiederholen fich bei allen und beste-
hen wesentlich immer aus denselben Theilen, welche da-
rutn mit besonderen Namen bezeichnet werden mutzten,
weil ihre Gestalt oder doch ihre Bekleidung und Ftzr-
bung fur die Feststellung specifischer Kennzeichen vielen
Werth haben. Jene Abschnitte oder Ringe Heitzen der
Vorderbrustring (Fig. 2852. 2853. 1. und Fig. 2854.),
der Mittelbrustring (Fig. 2852. 2853. 2. und Fig. 2855.
2856.) und der Hinterbrustring (Fig. 2852. 2853. 3.
und Fig. 2857.). Ganz ungetheilt und daher von ein-
fachster Gestalt sind diese Ringe nur bei ungeflugelten
Kerfen, bei allen anderen erscheinen fie zusammengesetzt
auS mehreren Platten oder Stucken, die Borderbrust
(Fig. 2852. 2853. 1. a 1. b 1. c) aus drei oder vier, die
Mittelbrust (2. a —2. d) auS funf bis steben und die
Hinterbrust (3. a — 3. d) auS funf. Der untere Theil
dieser Ringe bedeckt den Brustkasten von unten, ist daher
mit dem Brustbeine der Wirbelthiere verglichen worden
und zerfallt, dem obern Theile der Ringe entsprechend,
in Borderbrustbein (Fig. 2854.), Mittelbrustbein (Fig.
2856.) und Hinterbrustbein (Fig. 2857.). An den Stel-
len, wo diese Ringe sich verbinden, bleiben unten an den
Seiten sechs Lucken, in welche die Huftgelenke der Futze
(Fig. 2853. 1. c 2. e 3. f) einpassen, wahrend hoher
oben in tzhnliche Oeffnungen (Fig. 2853. 2. f 3. e) die
sehr felten fehlenden Flugel fich einfugen.
Die BewegungSwerkzeuge der Kerfe find Futze oder
Flugel. Jene unterscheiden fich von diesen durch Zahl,
Gestalt und Bestimmung. Die meisten Jnsecten besitzen
nur drei Paar; gesellt man zu den Kerfen, wie man fast
nicht vermeiden kann, die Tausendfutze, so giebt eS frei-
lich Formen, welche uber 200 Beine haben. Ein jeder
Futz besteht in der Hauptsache aus denselben Theilen,
wie jener bei den Krustern (S. 7. Sp. 2.) erklarten und
zwar 1) aus einem zwei- oder dreigliederigen Huft-
gliede, welches in eine besonderS gestaltete, in den Rin-
gen des Bruststuckes befindliche Huftpfanne eingelenkt,
ivalzig oder kugelrund ist, je nachdem es verschiedene
Bewegungen ausuben soll (Fig. 2858. A B C a), und
dessen zweiteS, seitlich liegendes Glied gemeinlich der
Schenkelring (b) heitzt; 2) aus dem Schenkel (c), wel-
cher immer vorragt, aber grotzem Gestaltwechsel unter-
worfen ist, z.B. bei den Mantis lappenartige Verbrei-
terungen zeigt, Haufig dornig, mit Zahnen versehen oder
verdickl ist; 3) dem Schienbeine (d), welches, durch
Winkelgelenk mit dem Schenkel verbunden, gemeinlich
dunner, wenn auch ebenso lang und oft nicht minder
dornig ist und am vorderen Ende haufig ein paar lange
Stacheln (f), die sogenannten Spornen, tragt; 4) dem
Futze (e), der am Haufigsten aus funf in einer Reihe
hinter einander liegenden, gemeinlich an Grohe abneh-
menden Gliedern, feltener aus zwei oder gar nur einem
Gliede (C e) besteht und am Endgliede meist zwei
Krallen (g) tragt. Die Unterseite des FutzeS, die soge-
nannte Sohle, wird durch mannigfach gestaltete Polster,
Haarbuschel und andere Vorkehrungen zum Anhaften
geschickt gemacht. Die Gestalt wechselt, je nach der auS-
nehmend mannigfachen Bestimmung der Futze; vielleicht
find die Kunstausdrucke zur Bezeichnung dieser Berschie-
denheiten zu sehr vervielfaltigt worden, indeffen verdienen
die letzteren ihrer phystologischen Bedeutung wegen ge-
naue Beachtung. Diese zu erkennen halt oft nicht schwer.
Springfutze zeichnen sich auS entweder durch ungemeine
Entwickelung deS Oberschenkels (Fig. 2858. D), oder
durch die grotzere Lange eineS Paares, und zwar ge-
meinlich des Hinteren, wie bei Heuschrecken. Schwimm-
sutze gleichen immer den Rudern durch seitliche Zusam-
mendruckung und daher entstehende Verbreiterung der
Futzgelenke, deren Oberflache wohl auch durch angebrachte
Borstenreihen vergrotzert wird, wie bei den Wasserkafern
(B), wahrend am gewohnlichen Lauffutze (A) der Tarsus
auS platten oder Horizontal auftretenden Gliedern (e)
besteht. Am grabenden und zur Kraftubung in eigen-
thumlicher Art bestimmten Beine find die Futzglieder
(C e) auf die geringste Zahl zuruckgefuhrt, Hingegen
wird das Schienbein (d) zur breiten, gezahnten Schaufel
umgestaltet, und durch Verminderung der Zahl von Ge-
lenken erhalt das ganze Gebilde eine bedeutende Wider-
standsfahigkeit. Raubfutze kommen nicht haufig vor, und
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