Das Unbekannte Spanien
Baukunst, Landschaft, Volksleben
Forfatter: Kurt Hielscher
År: 1922
Forlag: Verlagt Von Ernst Wasmuth A. G.
Sted: Berlin
Sider: 328
UDK: st.f. 72(46) Hie
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Granada! Sang und Klang liegen in dem Namen, Jubelakkord der Schönheit!
Frühlingstage in deinen Toren — ein Wandeln auf Höhen des Lebens!
Der Lenz hat Blütenschnee über die Stadt geschüttet und um die Alhambra ein zart-
grünes Gewand gewoben. Wie viele Jahrhunderte schon hat er der roten Burg diesen Huldi-
gungsgruß zu Füßen gelegt! Einst schmückten glutäugige Frauen der Mauren mit rosigen
Mandelblüten ihr nachtschwarzes Haar. — Versunkene Zeit und Herrlichkeit! Blicken darum
die Mauern der Burg so ernst in diese Lebenspracht des wonnetrunkenen Frühlingslandes?
I rotzig, mit grandioser Wucht ragen die Türme der Alhambra aus der Tiefe empor,
in ihrem Rot wie flammende Riesenopferaltäre zum Himmel lodernd.*)
Und diese ungefügen Zyklopenmauern sollen Märchenpracht bergen?
In ungeduldiger Erwartung steigt man den Burgberg empor. An einem alten Steintor,
das mit Granatfrüchten geziert ist, bleibt der Lärm der Gasse zurück. Ein Ulmenhain nimmt
den Wanderer auf, Efeu umspinnt die uralten Baumriesen, blaublumige Erdmyrte deckt
den Grund... golden fließt das Licht durchs Laub... der Wind raunt in den Zweigen...
Nachtigallen schlagen im Geäst... Schwalben jagen jauchzend über die Wipfel dahin...
Wasser eilen geschwätzig den Berghang hernieder...
Wie ein Wunder wirkt dies alles im waldarmen Spanien... Es ist, als ob eine andere
Welt ihre Eingangspforte aufgetan hat...
Das gewaltige Tor der Gerechtigkeit ist durchschritten... Eine unscheinbare Tür öffnet
sich; man betritt den Myrtenhof — man fühlt sich umhaucht vom Geist des Orients. Zier-
liche Jaspis- und Alabastersäulen tragen die duftigen Bogen, die wie Spitzenschleier sich von
Arkade zu Arkade schwingen.
Wie ein verträumtes Auge blickt die smaragdgrüne Flut des Wasserbeckens empor
zum Himmel und zu dieser heiteren Herrlichkeit.
Dann der vielbesungene Löwenhof mit der Filigrankunst seiner Wandelhallen in be-
rückender Zartheit und Anmut — ein Feenmärchen, ein Gedicht von Stein in den köstlich-
sten Rhythmen; Rhythmen, die Musik lösen, und Musik ist wohl auch die einzige Sprache,
die solche Schönheit recht zu schildern vermag. --------
In den Prachtgemächern welcher Reichtum der Ornamente! Wie Perserteppiche und
Kaschmirschals wallt es an den Wänden hernieder in einer Farbenglut, als sei ein Regen-
bogen vom Himmel herniedergefallen und habe sich über die Wände ergossen. Arabische
Inschriften ziehen sich durch das Farben- und Rankenlabyrinth und preisen in überschweng-
lichen Worten die zauberhafte Schönheit des Raumes; so jubelt stolz ein Spruch: »Mich
hat Gott mit einer solchen Fülle von Schönheit überschüttet, daß selbst die Gestirne am
Himmel in ihrem Lauf gefesselt stillstehen und auf mich herniederschauen.«
Aus dem »Sitz der Bewunderung«, wie die Araber den Mirador de Daraxa nannten,
dieses Juwel der Alhambra, blickten die schönen Sultaninnen hernieder in den zierlichen,
lieblichen Garten, aus dem der Duft von Rosen, Jasmin und Oleander balsamisch zu ihnen
emporstieg und sie umschmeichelte. Wogendes Rankengewirr schwingt sich von Lorbeer-
baum zu Zypresse und Orange. In der Mitte eine wunderfeine Brunnenschale, über deren
Rand die Silbertropfen des Wassers herniederfallen; — das singt und klingt, als wollte es
erzählen von längstvergangenen Schönheitstagen.
Träumend, als habe man im Märchenbuch von tooi Nacht gelesen, verläßt man diesen
schimmernden Zauberpalast, und die Lippen flüstern wohl jenen Wunsch des arabischen
Gedichtes, das über einer kleinen Nische steht:
»Des Himmels Segen ruhe stets auf dieses Schlosses Hallen,
Solang’ nach Mekkas heil’gem Haus die Pilgerzüge wallen«
nein : solange überhaupt noch Wolken am Himmel und Schönheitsucher auf Erden pilgern ! —
Siehe Bilder I —22, 25; die späterhin im Text angegebenen, eingeklammerten Zahlen weisen auf die betreffen-
den Bilder hin.
VIII