Das Unbekannte Spanien
Baukunst, Landschaft, Volksleben
Forfatter: Kurt Hielscher
År: 1922
Forlag: Verlagt Von Ernst Wasmuth A. G.
Sted: Berlin
Sider: 328
UDK: st.f. 72(46) Hie
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Lebens: von 3000 Minaretts rief der Muezzin die Gläubigen zum Gebet. Cordoba wurde
ein neues Mekka, das den Pilgerstrom vom alten ableitete und gen Westen lenkte.
Und was ist aus dieser Weltstadt geworden? Ein Schemen!
Wandert man durch die Gassen der Stadt, dann vermeint man wohl, im alten Cordoba
vor 1000 Jahren zu sein. Das ist vielleicht noch das gleiche holperige Bachkieselpflaster wie
damals; das sind vielleicht noch die gleichen Häuser, hinter deren Gitterfenstern sich der
Harem barg. Winkelgäßchen reiht sich an Winkelgäßchen, eng, wirr, regellos. Über die
niedrigen blendend weißen Mauern blickt dann und wann eine Palme in die Straße hernieder;
durch offene Türen blickt man in freundliche Höfe.
Und inmitten dieser flimmernden Lichtwogen des weißen Häusermeeres steht wie ein
vom Wellenschaum umbrandeter dunkler Fels die Mezquita, die Moschee.
Durch ein wundervolles Tor betritt man den Orangenhof. Von den Früchten und
Blüten der Bäume strömt es wie Opferduft zum Himmel empor. Im Blau des Äthers
wiegen sich die Kronen hoher Palmen. Brunnen rieseln... Einst erquickten sie den staub-
bedeckten, wegmüden burnusumwallten Pilger, der aus fernen Landen kam, hier seinem Gott
zu dienen; in den Fluten dieser Brunnen wuschen die Gläubigen ihren Leib, um dann im
Hause Allahs die Seele rein zu baden. — Jetzt sind die Brunnen stets umlagert von den wasser-
schöpfenden Töchtern der Stadt, die in schöngeschwungenen Tonkrügen die kühle Labe von
dannen tragen. —
Ungeahnt — überwältigend ist der Eindruck beim Betreten des Säulenwaldes der
Moschee. Ist man denn in einen versteinerten Palmenwald geraten? — Will dieser steinerne
Götterhain den Begriff der Unendlichkeit versinnbildlichen? — Zwischen den Säulen hängt
geheimnisvollesDämmerlicht. — Man blickt hinein insUnbegrenzte,schreitet ins Schweigen —
in die Ewigkeit. — Glaubenssymbolik! —
Daß die christlichen Sieger ihren lodernden Glaubenshaß nicht in Zerstörungswut an
diesem wunderseltsamen Gotteshaus des Islams austobten, sei ihnen hoch angerechnet, daß
ihre Nachkommen dieses Kulturdenkmal des Mohammedanismus so wenig pietätvoll be-
handelten, ist tief zu beklagen.
Die Moschee wurde christliches Gotteshaus. Wo einst der Ruf »Allah illah Allah«
tausendstimmig ertönte, frohlockte nun das »Hosiannah!«
Anfangs begnügte man sich damit, in den Tornischen Altäre zu errichten. Dann aber
mußten etwa 70 Säulen fallen, und über dem Säulenwald erhob sich der Choreinbau mit
dem Hochaltar: ein Gotteshaus im Gotteshaus. Karl V. hatte widerstrebend seine Ein-
willigung zu diesem Bau gegeben. Als er aber nach Cordoba kam und sah, was geschehen
sollte, rief er entsetzt aus: »Ihr wollt bauen, was man überall in der Welt sehen kann; ihr
habt zerstört, was einzig in der Welt war!« — *)
Nicht weit vom Allerheiligsten der Christenkirche befindet sich im Halbdunkel unver-
sehrt und in ursprünglicher Pracht das Allerheiligste der Moschee, der Mihrab, die Gebets-
nische, in der der Koran aufbewahrt wurde: ein Prunkstück der maurischen Kunst. Während
die übrigen Säulen der Moschee durch rot und weiß gestreifte, doppelte Hufeisenbogen
überspannt und verbunden sind, steigen hier feinziselierte Zackenbogen zu einer schön-
geschwungenenKuppelempor. DerWandsockdderNische ist ein Spitzengewebeaus weißem
Marmor; darüber klingt ein herrlicher Farbenakkord: blutrot, rostbraun,tiefviolettblau,durch-
zittert von unirdischem Goldglanz. — Ist auf diesen Mosaikwänden und Inschriftbändern das
Licht der tausend und abertausend nie verlöschenden Silberampeln, die einst milde Helle in
den dunklen Raum sandten, zauberhaft hängen geblieben? — Sechs Jahrhunderte schlum-
*) Bald nach der Schlacht bei Jerez (711) wurde Cordoba erobert. Abd-ur-rahman L, der Begründer der Omaijaden-
dynastie, begann 785 den Bau der Moschee; die Säulen (die Zahlenangaben schwanken zwischen 1400 und 1500) wurden
aus Bauten aller Herren Länder zusammengetragen : Byzanz, Rom, Karthago, Nîmes, Narbonne usw. ; daher ihre Mannigfaltigkeit
in Form und Material (Marmor, Porphyr, Jaspis, Alabaster). 1235 wurde Cordoba von den Christen erobert; 1523 begann
man mit dem Choreinbau.