Das Unbekannte Spanien
Baukunst, Landschaft, Volksleben
Forfatter: Kurt Hielscher
År: 1922
Forlag: Verlagt Von Ernst Wasmuth A. G.
Sted: Berlin
Sider: 328
UDK: st.f. 72(46) Hie
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Der Palmenwald von Elche (ioi —1O3), der einzige Palmenwald Europas; er
zählt über 1 15 000 Stämme, er ist auch ein Erbteil der Mauren; sie legten ihn an. Sie leiteten
5 Kilometer weit das Wasser hierher, um hier in der Wüste — denn nichts anderes war und
ist die Gegend um Elche auch heute noch — eine Oase zu schaffen. Die Palme muß ja mit
dem Fuß im Wasser stehen, während sich ihr Haupt im Feuer des Himmels badet. Jahre-
lang fällt hier kein Tropfen Regen!
Eigenartig der Blick vom Kirchenturm der Stadt über die weißen Dächer des Ortes,
über denen sich die Palmenkronen wie ein Baldachin neigen. Jenseits des Palmenwaldes
umspannt die graugelbe Wüstensteppe diese Insel des Friedens, und aus der Ferne grüßt
der blaue Ozean in seiner stolzen Majestät. Tod und Leben hart im Raum beieinander.
Ostern in Sevilla. Über die öde Hochfläche Kastiliens, die im Sommer trostlos
wie eine leere Bettlerhand vor uns liegt, eilt der Zug dem Süden zu. Die kahle, baumlose
Mancha prangt in ihrem bescheidenen Frühlingsschmuck: zart samtgrün schimmert es in
die Weite. Eine kurze Lebensfreude! In wenigen Wochen liegt wieder das graugelbe
Leichentuch über dem sonnenversengten Boden.
Noch weht es frisch von den schneegekrönten Gebirgskämmen der Sierra de Guadar-
rama herab. Kaum aber hat der Zug sich durch die wilden Schluchten der Sierra Morena
hindurchgewunden, da öffnet uns der Frühling sein Tor. Wie schwüle, feuchte Treibhaus-
luft weht es zum Fenster herein.
Bald umgeben uns Wiesen wie ein einziger Blumengarten, in dem blutroter Mohn und
sonnengoldige Primeln um die Farbenvorherrschaft streiten. Hier und da träumt ein Ort
im Blütenhain verborgen den Dornröschentraum. Weiterhin geben Agaven und Kakteen
der Bahnstrecke das Geleit; endlich sendet uns Sevilla seine Boten entgegen: blühende Rosen-
gärten und Orangenhaine, durch deren Laub die überreifen herrlichen Goldfrüchte hervor-
lugen. Ein uralter, knorriger Mandelbaum, der nicht sterben kann in dieser lebensehnsüchtigen
Umwelt, streckt uns einen rosa Blütenzweig entgegen. Schlanke, hochragende Palmen
nicken uns zu, und immer neue liebliche Kinder der Flora drängen sielt an unsern Weg
heran, um uns Sevillas und des Frühlings freundlichen Willkommengruß zu entbieten.
Achtlos donnert der Zug an dieser Pracht vorüber dem weißen Häusergewirr Sevillas
zu, das von dem herrlichen Wahrzeichen der Stadt, der Giralda, überragt wird. (31.) Und
endlich fährt er fauchend und polternd in die Bahnhofshalle ein.
Aber wie so anders ist es heut als sonst vor dem Bahnhof. Es fehlen die schreienden
Hoteldiener; kein Wagen wartet auf Fahrgäste; keine Elektrische läßt ihr schrilles Läuten
hören; kein Auto warnt heulend. Wie ausgestorben liegt der weite Platz in dieser frühen
Nachmittagstunde. Die »Semana santa«, dieKarwoche, hat dieses seltsame, fast bedrückende
Schweigen über die große Stadt gebreitet. Auch der eherne Mund der Glocken ist wie in
heiliger Trauer verstummt. DasHolzschlagwerk der Matracaruftmit seiner heiseren,trocknen,
unmelodischen Stimme zur Andacht.
Je weiter man aber ins Innere der Stadt kommt, desto mehr schwindet diese heilige
Feiertagstille. Ganz Sevilla drängt schwatzend und lachend der Kathedrale zu, um die Pro-
zession ZU" sehen. Endlich stockt der Fuß; eine undurchdringliche Menschenmauer gebietet
Halt. An ihr bewegt sicli ein seltsamer Zug vorüber, wie aus dem dunkelsten Mittelalter
in unsere Zeit gezaubert: vermummte Gestalten schreiten langsam steif vorbei. Geisterhaft
wie ein Spuk tauchen sie auf, alte Bilder von Hexen- und Ketzerprozessen erwachen in
meinem Erinnern; nur auf ihnen sah ich bisher solche unheimliche Erscheinungen, nie aber
im Leben; eine schwarze Kutte verhüllt den Leib, den Kopf deckt ein riesiger, Hst ein Meter
hoher kegelförmiger Spitzhut. Von ihm hängt über das Gesicht bis tief auf die Brust herab
XII