Das Unbekannte Spanien
Baukunst, Landschaft, Volksleben
Forfatter: Kurt Hielscher
År: 1922
Forlag: Verlagt Von Ernst Wasmuth A. G.
Sted: Berlin
Sider: 328
UDK: st.f. 72(46) Hie
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ein gleichfarbiges 1 uch, in dem nur zwei kleine Löcher für die Augen vorhanden sind.
Um die Hüften des Büßergewandes schlingt sich ein knotiges Seil; die Hände umschließen
mannshohe ungefüge Holzkreuze oder Metallstäbe.
Diese Gestalten ziehen einer Bahre voran, auf der eine lebensgroße Statue der Jung-
frau Maria in prachtvollem, goldstrotzendem Gewände thront.
Der Zug hält. Die Bahre wird niedergesetzt; ein junges Weib tritt aus der Menge,
richtet den Blick zur Himmelskönigin und singt zu ihr empor.
Die 20 bis 30 Männer, die die schwere Bahre auf dem Nacken tragen und die unter
ihr durch ein ringsum herabhängendes Tuch verborgen sind, haben genug gerastet. Der
Klopfer vorn an der Bahre gibt das Zeichen; ein Ruck! und wieder bewegt sich der Zug ein
paar Meter weiter. Und nun folgt Bruderschaft auf Bruderschaft. Jede dieser Vereinigungen
trägt ihre besonderen Abzeichen am Gewand, das auch mannigfaltige Farbenzusammen-
setzungen aufweist: blau die Spitzkappe, weiß das Gewand, violett, weiß und braun usw.
Oft zieht neben dem Vater in der gleichen Tracht der zehnjährige Sohn und der fünf-
jährige Miniaturbüßer im Zuge einher.
Ein brennender Ehrgeiz beseelt die Bruderschaften, sich durch prächtige Pasos(Bahren)
gegenseitig in den Schatten zu stellen. Man sieht auf diesen Bahren die ganze Leidens-
geschichte des Herrn von seinem Gebetskampf in Gethsemane bis zur Grablegung an sich
vorüberwandern.
Im Zuge sind natürlich auch die Geistlichkeit in vollem Ornat und die städtischen und
staatlichen Behörden vertreten; dazwischen tauchen Gruppen römischer Legionäre aus der
Zeit Christi auf, ihnen gesellen sich Engel bei, Veronika trägt das Schweißtuch des Herrn,
und eingereihte Musikkapellen schmettern ununterbrochen den gleichen Fanfarenmarsch.
Die einzelnen Bruderschaften der Prozession werden auf dem Konstitutionsplatz von
dem Stadtoberhaupt feierlich begrüßt. Der Platz gleicht einem Theatersaal. Die ihn füllenden
Stuhlreihen sind bis auf den letzten Sitz verkauft, und auf den Balkonen der Häuser ringsum
drängt es sich Kopf an Kopf.
Stunde um Stunde entrinnt. Die Nacht sinkt hernieder, und nun flammen auf den
Bahren hunderte von Wachslichtern auf, und jede der Büßergestalten trägt eine riesige
brennende Kerze in der Hand. So bewegt sich dieser endlose, geheimnisvolle, schöne Licht-
zauber zur Kathedrale, durch ihre herrlichen Hallen hindurch und zum andern Portal wieder
hinaus auf die Straße.
Die Kathedrale hat für die »Semana santa« ihre Schatzkammern geöffnet und ent-
faltet ihren ganzen Prunk. Am Hochaltar brennen die riesigen erzenen Armleuchter (das
berühmte Fenebrario) und die sieben Zentner schwere heilige Wachskerze. Im Mittelschiff
ist ein gewaltiges Grabmal Christi erbaut, das das Allerheiligste in den Tagen aufbewahrt.
Hunderte von Lampen und Kerzen umstrahlen den vierstöckigen, über 30 Meter hohen,
weißgoldenen Bau mit einem Lichtglorienschein seltsamster Pracht.
In der Nacht zum Karfreitag wird im Dom das berühmte Miserere von Eslava auf-
geführt. Leider kommtman nichtzum rechten Genuß dieser Feierklänge. Denn unbekümmert
laut schwatzend steht alles beisammen. Auf den Stufen der Kapellen und um das Kolumbus-
grab lagern sich die Müden. Hier stillt eine Mutter ihr schreiendes Kind, dort liegt ein
lebendig Lumpenbündel in tiefem Schlaf und zwischendurch ein Vorwärtsdrängen und
-stoßen. --------
Doch man darf den Maßstab nordisch ernster Kirchenfeste nicht anlegen; man kommt
sonst gar leicht zu harten und ungerechten Urteilen. Ist diese Form nicht etwa geschichtlich
Gewordenes? Hat sich nicht auch unser germanisches Christentum mit manchem Alt-
heidnischen vermählt — des Heilandes Geburtsfest und die Wintersonnenwendfeier — ?
Es ist viel Maurisches in Spanien bis auf den heutigen Tag geblieben, vielleicht sogar
unbewußt in der Auffassung vom Zweck des Gotteshauses; war doch dem Muselman die
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