Das Unbekannte Spanien
Baukunst, Landschaft, Volksleben
Forfatter: Kurt Hielscher
År: 1922
Forlag: Verlagt Von Ernst Wasmuth A. G.
Sted: Berlin
Sider: 328
UDK: st.f. 72(46) Hie
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Meine Wallfahrt nach Kloster Yuste (153). Kurz nach Mitternacht brach
ich auf; denn es wandert sich köstlich in den Nächten des Südens, wenn von der großen
Kuppel des Himmels hernieder das Diamantengefunkel der Sterne zarte Helle verbreitet. Der
erquickend kühlen Nacht folgte ein Sommertag, der zum Feind des Wanderers wird.
Stunde um Stunde zerschmolz unter der Hochofenglut des Tages. Alle nur erdenk-
liche Mühsal: Höllenhitze! Durst! — kein Wasser! Meilenweit nicht Baum und Strauch —
kein Schatten! Stundenlang kein Haus — keine Menschenseele — Einsamkeitsschwermut!
Ein Fluß schneidet mir den Weg ab; nirgends eine Brücke! Also durchs Wasser hindurch
und weiter!
Da — ein Hirt! o dies beglückende Gefühl, zu spüren, daß man nicht allein auf der
Welt ist!
»Bin ich recht auf dem Wege nach Yuste?« — »Ja, aber sag’, woher kommst du, was
bist du für ein Landsmann?« Der treuherzige Bursche braucht gleich das brüderliche Du,
als seien wir alte Freunde. Und als er hört, daß ich Deutscher bin, da ist seine Freude
unbändig groß. »Ich komme mit dir bis zum nächsten Dorf; du mußt mir etwas von deinem
Volk erzählen.« — Der Krieg hatte schon einige Kunde in dieses Abseits der Welt getragen.
Es war köstlich, was diesNaturkind alles fragte und wissen wollte. Lesen, Schreiben, Rechnen
waren ihm unbekannte Begriffe; er hatte noch nie eine Eisenbahn gesehen, war noch nie über
den Umkreis seines Heimatdorfes hinausgekommen.
Droben am Berghang taucht ein anderer Hirt auf; ihm ruft er zu; »Miguel, komm
herunter!« — »Warum?« — »Ich will dir eine ganz seltene Sache zeigen!«
Mit Riesenschritten kommt sein Freund herab. »Nun, was gibt’s?« Und mein Begleiter
zeigt auf mich und fragt überlegen stolz: »Weißt du, was das ist?« — »Nein!« — »Du,
das ist ein Deutscher!« Der andere: das hören, meine Hand nehmen, sie zwischen seinen
Riesenfäusten zermalmen und dabei einen Begeisterungsfluch ausstoßen, war eins. Nie hat
ein Bewunderungswort, eine Huldigung für mein Vaterland mir tieferen Eindruck gemacht.
Ich habe in allen Teilen des Landes, in allen Schichten der Bevölkerung diese Begeisterung
für Deutschland gefunden.
Er zog mit; noch andere gesellten sich zu uns; der Sonntag lockte sie ins Dorf. So
hielt ich wie mit Triumphgefolge meinen Einzug. Hin zur Schenke, zum Glase Wein, zur
wohlverdienten Rast.
Dann wieder Aufbruch. Ich gehe an den Schenktisch und will unsere Zeche begleichen.
Der Wirt winkt ab: »Ist schon erledigt.« — »Nein, Sie täuschen sich; ich habe noch nicht
bezahlt.« — »Sie sind mir nichts mehr schuldig; Pepa hat alles geregelt.« -
Ich trete auf meinen jungen Freund zu: »Das geht doch nicht, daß du für mich bezahlst.«
Da antwortet er in selbstverständlich schlichter Herzenshöflichkeit: »Du bist der Gast unseres
Landes, du bist auch mein Gast!« ---------Patina der Kultur! --------Ich reiche ihm
dankbewegt die Hand: »Nein, Freund, du und ihr alle, ihr habt den ersten Trunk auf das
Wohl meines Vaterlandes getan; dadurch wurdet ihr meine Gäste; mir steht das Recht zu!«
Nach vielem hin und her fügt man sich endlich; aber ich muß versprechen, beim Wieder-
kommen ihnen die Elire zu erweisen, Gastfreundschaft zu empfangen.
Schwere Hände wünschten Glück auf den Weg. Herzerquickt wanderte ich weiter.
Und endlich stand ich vor der Klosterpforte von Yuste. Sie tat sich eben auf, und auf
einem Eslein ritt der weißbärtige Abt heraus, beschattet von einem grünen Sonnenschirm. —
Ich grüße den ehrwürdigen Vater: »Kann ich im Kloster zur Nacht bleiben?« »Nein,
nicht möglich!« ----Enttäuscht stoße ich hervor: »Aber wohin soll ich da denn heute noch?
Ich bin schon 50 Kilometer unterwegs, komme von Navalmoral.« »Zu Fuß? — undenk-
bar!« --------------»0 doch. — Ich bin Deutscher, ich will die Stätte schauen, die der Deutschen
Kaiser Karl V. für alle Kronen der Welt eintauschte und an der er die Augen schloß.« —
»Sie sind Deutscher? Selbstverständlich dürfen Sie nicht weiter!«
XXI