Gothisches Musterbuch 1
Forfatter: G. Ungewitter, D. Statz
År: 1856
Forlag: T.O. Weigel
Sted: Leipzig
Sider: 34
UDK: 723
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für all' solche Unterscheidungen stumpf geworden sind, ist nicht zu
verwundern, daß dieselben aber so allgemein, selbst von sonst
tüchtigen Praktikern übersehen werden können, ist ein nur zu
sprechender Beleg dafür, wie sehr die Kunstübuug zur Zeit dar-
nieder liegt.
Eine systematisch angelegte, vom Leichten zmn Schwereren,
von der Formenlehre bis in die Spntar hinein allmählig vor-
schrcitende Sammlung von Vorlegeblättern, ein Eleinentarstudicn-
Werk, von kundiger Hand gefertigt, erscheint hiernach gewiß als
ein wahres Bedürfniß. Das Angemessenste wäre, die Muster,
wenigstens vorzugsweise, der Architektur, im weitesten Sinne des
Wortes, zu entlehnen, das Ganze um sie zu grnppiren, wie sie ja
auch die Mutter aller bildenden Künste ist. Man hätte vom '
Kreis und Segment zum Paß und Rundfenster, von der Fiale
zum T'hurmhelme, vorn einfachsten Fenster zum Portale und dem-
nächst zur ganzen Fronte überzngehen, weiter dann das Innere
einer Kirche in ähnlicher Weife dnrchzmiehmen, und endlich das
Möbelwerk, bis herab zn den Beschlägen, sowie das freiere Or-
nameut, einschließlich der Decorationen auf Fenstern und Spünden,
und zwar sollten nicht Phantasiebanten, sondern in der Wirklichkeit
bestehende solchergestalt analysirt werden. Die Profanarchitektur
mit allem Zubehör würde abgesondert zu behandeln sein, desgleichen
Dilles, was nicht mit der Architektur int Zusammenhänge steht,
wie Initialen, Stoffmuster, Arabesken u. dgl. m.*)
Es ist schlechterdings nöthig, die kirchliche von der profanen
^lrchitektur getrennt zu halten. Erstere wird ohnedies schon allzu
sehr profanirt, indem man ihre Motive und Formen allerwärts
hinträgt, weil man eßen nichts Anderes zur Hand hat und die
Gothik einmal eine Art Modeartikel i|t; das Augenfälligste, und
gerade darum Unpassendste, erhält dazu noch im Zweifel stets den
Vorzug. All' das Dnrcheinander, welches die letzten Jahrhunderte,
und in ganz vorzüglichem Maße die letzten Jahrzehnte, uns boten,
hat die Geschmacksnerven so unempfindlich gemacht, daß sie so zu
sagen ans nichts mehr reagiren. Die zarten Gränzlinien, welche
die verschiedenen Gattungen der Architektur, insbesondere die bür-
gerliche lind die kirchliche, von einander trennen, und wovon z. B.
das treffliche Werk von A. Verdier (Architecture civile du moyen
age et de la Renaissance. Paris chez Didron.) schon allein einen
klaren Begriff geben könnte, werden eben so sehr außer Acht ge-
lassen, wie, nach dein bereits Gesagten, die durch die Besonderheit
des Materials bedingte Besonderheit der Formgebung. Das Beste
wäre, wenn man einen jeden Kunstzweig, bis in die entfernteren
Verästelungen hinein, selbstständig behandelte, jedoch so, daß überall
das Gesetz des Hallptstammes sich zu erkennen gäbe. Ueberhaupt
kann auf einheitliche Leitung des Kunstunterrichts, in den einzelnen
Schulen wenigstens, nicht genug gedrungen werden: hier liegt,
meines Erachtens, der wundeste Fleck; man kommt bekanntlich
*) Die von C. Mathieu in Paris in seinem „Livre de Messe“ v er offen t-
lichten Miniaturen nach ihrer geschichtlichen Reihenfolge, deren Ausführung
nichts zu wünschen übrig laßt, sodann auch die bei A. Matz in Bonn erschei-
nende Sammlung von Initialen, Ornamenten it. s. w. aus dem Mittelalter,
von V. Höfling, so wie F. Bock's Geschichte der liturgischen Gewänder des
Mittelalters, mit Abbildungen, entsprechen bereits obigem Zwecke in ganz
geeigneter Weise.
nicht weit, wenn man die Pferde zugleich vor Und hinter den
Wagen spannt. *)
Die „gothischen Musterblätter", welche die Veranlassung zu
gegenwärtigem Streiszuge in das Gebiet des Kunsklinterrichtes ge-
geben haben, machen, so viel mir bekannt, durch diesen Titel kei-
neswegs Anspruch darauf, als Muster für dasjenige zu dienen, was
Alles vorstehend als Wünschenswerth sich bezeichnet findet. Es soll
vielmehr nur ein Versuch sein, auf den rechten Weg einzulenken
und etwa noch einige Stadien auf deinselben zurückzulegen, sodann
aber auch für Andere eine Aufmunterung zur Nachfolge. 5(n das
Notwendigste hat man sich, was gewiß in der Ordnung ist, zu-
nächst gegeben; dem Bedürfnisse des Lebens, wie cs die Heraus-
geber, als praktische Männer, erkennen, wollen sie vor Allein zu
Hülse kommen, die eigenen, oft theuer genug erkauften Erfahrun-
gen Anderen zu Nntz und Frommen gereichen lassen. Wie weit
sich das Unternehmen erstrecken wird, hängt zunächst von der Auf-
nahme ab, die es im Publicum findet, welches allerdings nicht so
ganz leicht aus dem einmal gewohnten Geleise zu bringen sein
mag; damit es sich wahrhaft fruchtbringend erweise, wird aber
noch ein Mehreres erfordert. Es genügt nemlich nicht, brauchbare
Muster vor sich zu haben; man muß auch den rechten Gebrauch
davon zu machen wissen; dieser aber ist zunächst bedingt durch die
rechte Methode.
Oben ist bereits darauf hingedeutet worden, wie bei den Ent-
würfen zu Werken der Plastik, insbesondere zu Architekturen, die
Wirkung der Zeichnung aus dem Papiere über Gebühr in Anschlag
gebracht zu werden pflege. Diese Erscheinung, welche darin zu-
nächst ihren Grund findet, daß die, in Wissenschaft und rohe Hand-
arbeit auseinander gefahrene Kunst nicht mehr ans dem vollen
Leben herauswächst miD in den Werkstätten wurzelt, tritt schon in
dem Vorbereitungsstadium zur Kunstübung nicht undeutlich hervor.
Statt auf entschiedene, kräftige Umrisse zn dringen, die sofort ver-
ständlich ins Auge springen und deinjenigen, welcher danach ar-
beiten soll, einen festen Halt darbieteu, läßt man die Zeichnung,
um des allgemeinen Effectes willen, möglichst verwischen mib Alles
fast bis zur Unsichtbarkeit fein ausziehen, so daß man glauben sollte,
man habe eine Maschinenarbeit vor sich; schließlich wird auch wohl
noch mit einigen Farben hier und dort nachgeholfen. So aber wird
wahrlich nicht die Fähigkeit erlangt, künstlerische Gedanken geläufig
darzustellen; es kommt vielmehr Aengstlichkeit und ein Geist der
*) Um an einem Beispiele zu zeigen, wie bunt es in obengedachter Be-
ziehung noch aussieht, möge hier eine Stelle aus einem lobpreisenden -Berichte
über das Wirken des Münchener „Vereins zur Ausbildung der Gewerke"
Platz greifen. Es heißt da u. A. wie folgt: „Unter den Künstlern, welche
für diesen Zweck besonders thätig waren, wendet sich Herwegen mit Vorliebe
gothischen, Bürklein romanischen Formen zu, Veit Leiden (!); Dyk's
sehr selbstständiger Schönheitssinn streift an die Antike; Rittmeister zeigt
in allen Stylgattungen eine große Gewandtheit; Töpfer hat originelle
und launige Einfälle; hoch ausgezeichnet durch Frische der Erfindungs-
gabe lind Formenreichthum ist Neureuther; Schwarzmann verfolgt im Orna-
ment vornehmlich die von Gärtner cingesch lagen en Wege; reich an
guten Einfällen und Gedanken ist Seitz" u. s. w. (A. A. Z. 1854 Nr. 312).
Wie interessant müßte es sein, wenn man durch eine Art Svttnenmikroskop
beobachten könnte, was Alles in den Anschauungen jener Handwerker durch-
einander wimmelt und gährt und wie die verschiedenen Bildungen sich
wechselseitig bekriegen und verschlingen.