Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 78
Bayerifdie SubilSurns-bandes-Husitellung 1906
Ur. 4
welchen Linblick in den vorherrschenden Mangel an Kunst-
sinn geroahrt uns der damals ersolgte Rbbruch des be-
ruhmten Kaisersaales in der Residenz, des Schonsten, was
Munchen an Innenarchitektur besatz! Der Einsicht und
Begei|terung Konig Ludwigs I. verdanken wir es nun, datz
das Bayerland und seine Hauptstadt zu Tragern einer
besonderen, den finlagen und Heigungen seiner Stamme
am meisten zusagenden Kulturmission erhoben und der
deutschen Kunst in Munchen ein bleibender Mittelpunkt
begrundet wurde. Bayern und Berufene haben dabei zu-
sammengeroirkt: neben den Tinheimischen Schwanthaler,
Miller, flinmiller, Dhlmuller, Stiglmayer, Ziebland, Schrau-
dolph, Burkel, Spitzweg Manner aus allen deutschen
Ganen: Cornelius und Kaulbach, Klenze und Gartner,
Schwind und Schnorr v. Tarolsseld, Rottmann und
die hetz, fluch von der Kunst gilt ja das schone Wort,
mit dem Thiersch die allgemeine deutsche Kultur zeichnete:
ein Baum, der seine lvurzeln nach allen Seiten Hin
ausstreckt, aus allen Provinzen Leben zieht und dafur
sreigebig an jeden seine Fruchte verteilt. fiber unter
den Baumen deutscher Kunst steht der machtigste Stamm
aus bayerischem Boden und eine unerlatzliche Doraussetzung
seines hier besonders srohlichen Gedeihens ist doch die durch
die bayerische Stammesnatur bedingte erfrischende Rtmo-
sphare eines gesunden und farbigen Dolkslebens, eines un-
bewutzten Schonheitssinnes im Dolke, wie er sich z. B. in
den einzig schonen Bauernhausern des bayerischen Gebirges
und der Dorberge ausspricht, einer zwanglosen und nicht
durch allzu starre Standesunterschiede eingeschnurten Ge-
selligkeit. fluf unsere Feste darf man das Wort des
Dichters anwenden, datz die Sauber der Freude wieder
binden, was die Mode streng geteilt. Jn dem gemutlichen
Munchen, sagt Knapp, haben die Beruse das Schone, datz
sie ihren Tragern nicht das Mark aussaugen. „Tin festlich
Heiteres Dolk" Hat Treitschke die Bayern genannt und ein
solches wird in der Kunstpflege vor den arbeitsameren und
ernsteren, aber prosaischeren Stammen des Nordens immer
viel voraus haben. Dazu Kommt die engere Fuhlung
Munchens mit Italien, dem ewigen Lande der Kunst
1830 schrieb Mantgelas: Munchen ist ein wahrer Leichnam,
bedeckt mit einem Tuche von Goldbrokat, der, ohne selbst
setter zu roerben, die Krafte der Provinzen aussaugt. Jetzt
lacheln roir daruber, nicht nur roegen der Kuhnen Schiesheit
des Bildes. Wir lacheln ebenso uber die Prophezeiung
Leroalds von 1835, datz es zur Rusfuhrung der Ludroigs-
und Briennerstratze in der Lange, wie sie geplant seien,
einer Bevolkerung bedurfe, die fur Munchen niemals denk-
bar sei. Und roenn sich anfangs roohlverdienter Spott
uber die Munchener ergotz, datz sie in ihren Bilder- und
Skulptur-Theken durch standige Rbroesenheit glanzten,
roerden Heutzutage Munchen und Nurnberg in Liebe und
Derstandnis fur die Kunst von Keiner deutschen Stadt-
bevolkerung ubertroffen, von autzerst roenigen erreicht.
Magen nun andere deutsche Stadte, darunter Berlin mit
reicheren materiellen Mitteln, den Wettstreit in der Kunst-
pflege mit der bayerischen Hauptstadt aufgenommen haben!
Ts liegt doch Keine Uberhebung und Keine Nnklarheit in
unserem Beroutztsein, datz bei uns zroischen dem Durchschnitts-
fuhlen und Denken des Kunstlers und der grotzen Masse
Keine so breite Kluft gahnt roie in Berlin, und datz unser
Boden fur Kunstpflege geeigneter ist als der nordische.
Ist dann auch unter Maximilian II. ein ausfallender
Ruckgang des architektonischen Geschmacks und unter
Ludroig IL, der doch so viel Geld fur Prunkbauten ausgab
und das Kunstgeroerbe durch seine reichen Rustrage sorderte,
ein volliger Stillstand der monumentalen Bautatigkeit in
der Hauptstadt eingetreten, so sehen roir doch unter unserem
Kunstbegeisterten Prinz-Regenten Luitpold, dem treuen Huter
des vaterlichen Dermachtnisses, allerorten roieder srisches
Leben und verheitzungsvolle neue Rnsatze in Kunst und
Kunstgeroerbe. „Und schroindet der alteste Wein aus dem
Fatz, so altern dagegen die jungen!" Trst nach 1870 ist
mit dem steigenden Wohlstand der Sinn sur Kunstlerische
Gestaltung der Wohnraume erroacht. Und roie Munchen
ein Zentrum der sezessionistischen Beroegung in der Malerei
roard, hoben roir uns in Rrchitektur und Kunstgeroerbe
uber die Nachahmung der Renaissance zu einem neuen,
einem leichten und Heiteren Stil aufgeschroungen, der in
Munchen einen seiner Rusgangspunkte und Hauptsitze Hat.
Fur die Musik aber hat Ludroig II., roie sein Grotzvater
fur die bildende Kunst, das Beste getan, indem er dem
grotzten deutschen Kunstler der zroeiten Halfte des 19. Iahr-
hunderts seine hilsreiche hand bot. Bayern ist das Mekka
der Musikfreunde geroorden, die aus allen Landern der
Kulturroelt in Bayreuth und Munchen zusammenstromen.
Ruf allen Gebieten der Kunst sehen roir hente die anderen
deutschen Staaten Bayern nacheisern. Die Kunst, vor
hunderl Iahren ein Leckerbissen fur roenige Ruserroahlle,
isl hente das lagliche Brot breiter Dolksschichten, roir Haben
unsere Kultur bereicherl und eine Position eroberl, an die
vor hunderl Iahren noch kein Mensch dachle.
Ghne eine geroisse Tinseitigkeit roerden neue Richlungen
in der Regel nicht durchgesetzl. Datz in Bayern „der Kunst-
roul", roie Bohmer Klagte, eine Seitlang alles geopfert, die
Wissenschafl daruber etroas vernachlassigt rourde, roar be-
greislich. Derbunden damit roaren freilich auch roeniger
selbstverstandliche Storungen, die sich an die Rbelsche Reak-
tion Knupften. Doch bedeulet auch unter Ludroig I. die
Derlegung der Universitat von Landshul nach Munchen
einen roichligen Forlschrill des geistigen Lebens. Das grotzte
Derdienst Maximilians II. liegt darin, datz er Bayern auch
geistig aus die hohe Sluse hob, die schon vorher ein Thiersch,
Schelling u. a. vorbereilel hallen. Tin Fursl voll des iiessien
Pflichi- und DeranlroortlichkeilsgefuhIs, der begeisterte
Schiller Schellings, erfullt nur von den Leidenschaften: zu
lernen und sein Dolk zu heben. Unabhangig von Ministern
und Kammern, hat er, roie Riehl sagt, eine Kulturpolitik
verfolgt lediglich krast seiner personlichen Rutoritat und
seiner privaten Geldmittel und als Schirmherr und Forderer
der Wissenschasten den hochsten Rnspruch aus dauernden
Nachruhm und Historische Bedeutung errungen. Wenn
Bayern, das am Ende des 18. Jahrhunderts trotz der
Rnstrengungen der Rufklarungsperiode geistig im Ruckstande
geblieben roar, jetzt mit den anderen deutschen Stammen