Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 1006
Boyerirche 3ubildums = Bondes-Huskellung 1906
Or. 40
burdj ift bas Rohmaterial, ber Korkabfall ber Stopfenfabriken,
zu emem rentablen fjanbelsartikel, ja Cxportartikel aus ben
korkprobuzierenben Cånbern geroorben, benn roenn auch bie
Cinoleum=lnbuftrie als Srohkonfumenfin nicht zu uberfeyen
ift, bie etroa ’/s meyr branchen roirb als bie Korkfieininbuftrie,
fo konnte lettere allein famtliche Korkfpåne ber beutschen
Stopfenfabrikanten aufneymen unb barf fich bayer rooyi
ruymen, bah fie biefen Fabrikationszroeig inbirekt, fjanb in
Fjanb mit lyrer elgenen Cntrolcklung, rentabler geftaltet tjat.
Sie kann fich im Segenfay zur £inoleum=lnbuftrie ruymen,
bah fie eine beutfche Crfinbung ift, roelche auf ber Bayerifdjen
Jubilaums=Husftellung lyr SSfayriges Jubllåum felern barf.
Die Lanbunrtschaft aus ber Bayerifeben
Jubilaums = Busftellung.
Don Eanbrolrt S dj 6 n, Hurnberg. <Sortfegung.)
Der fladjsbau in Bayern.
ie schone blaue Flachsblute wird eine immer
seltenere Lrscheinung auf den Feldern und das
leichte Baumwollgewebe verdrangt nach und
nach das derbe Linnen in unsern Dauernhausern.
Der Flachsbau geht in Bayern immer mehr
zurficK. Im Iahre 1893 waren noch 11 870 ha,
im Iahre 1900 8294 ha und jetzt durften
Kaum 5000 ha mit Flachs bebaut sein. Die
Bemithungen, das Interesse der Landwirte sur
den vermehrten lindau wieder zu Heben,
blieben bis jetzt ohne Lrfolg. Mit dem
Flachsbau aber geht wieder ein schones 5trick
landlichen Dolkstums verloren, -denn Flachs-
bau und Kornerbau waren schon von jeher
das Land, das die landlichen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer das ganze Iahr Hindurch
zusammenhielt. Das war die gute 3eit der
Naturalwirtschaft. Flachs, Kartoffel, Geld,
das ift der Gang der modernen Entlohnung
in der Wirtschaft im Kleinen wie im grohen.
Der deutsche Flachsbau ift sehr alt, er reicht bis in
die Zeit der Sagen und Mythen Hinauf. Der Flachs fchafft
dem Weibsvolke das ganze Iahr hindurch bei gutem und
bei schlechtem IDetter Arbeit und nimmt auch dessen ganzes
Linnen und Denken vollauf in Anspruch.
§reubig lachelnd tritt im sudostlichen Gberbayern die
Grotzmutter in die Stube und setzt sich behaglich zu feder
Iahreszeit meder an ihr Spinnrad und spinnt. Es ist dies
eine zwar leichte, aber doch sehr beachtenswerte Arbeit.
Im sudostlichen Gberbayern war der Zlachsbau im ganzen
Inn- und Mangfalltal bis ans Gebirge Heran, dann in
der Thiemseegegend usw. weit verbreitet. Insbesondere
zeichnete sich der „Ivaasen", zum Deispiel die Gemeinden
Pang, Happing, Aising, Pfraundorf usw. im Lezirksamt
Rosenheim durch bedeutenden Flachsbau aus, und die
„Waaser Zlachse" erlangten wegen ihrer langen zarten
Faser eine Beruhmtheit. Sie wurden fruher weit uber
Bagern hinaus nach Belgien, Frankreich verkauft und sind
deshalb heute im ganzen Voralpenland volksbekannt.
Wind und IDetter, Tag und Stunde mussen in solchen
Gegenden wohl beachtet werden, denn nichts ist leichter,
sagt man im Dolksmund, als den Flachs zu behexen:
„Lichtmeh Hell und klar,
Gibt ein gutes Slachsjayr"
sagt eine alte Kalenderregel. Am besten sok der Flachs
gedeihen, wenn man ihn 100 Tage nach Reujahr, also
am 10. April gegen Utittag sat, aber ja nicht an einem
Ittittwoch, behauptet der Aberglaube. Die Flachspslanze
ist der Gottin „Frigga" heilig; ihr Katzengespann war an
Strangen von bluhendem Flachse geschirrt. Ein tiefer Blick
in die Seiten des germanischen Urwaldes, da noch der
Utensch im engen Bunde mit dem IDalde und dem Felde
ledte und man das Leben als ein Kampf zwischen Himmel
und Erde verstand. In der Gberpfalz warf man darum
auch fruher beim Saen einige Korner fur das Holzfraulein
in den nahen IDald, damit fie den Flachs in feinem lDachs-
tum vor den bofen Maldgeiftern schutzen mochte. Beim
Flachsgaten (-jaten) wird den Helfenden Kindern in der
Gberpfalz und Gberbayern gerne folgendes Rdtfel gegeben'
„Klein wie Kummel, blau wie himmel,
grun wie (Bras; was ift das ?"
Um recht langen Flachs zu bekommen, sprangen die
jungen £eute in Gberbayern durch das Iohannisfeuer und
sangen folgendes Derschen dazu:
„3 fpring ubers Sunnwendfuie,
alle Nachbe'n fan me tynie;
fpringts mit mir allzamm,
fo wird der kjaar recht lang."
Die Zeit der Flachsernte ift heute noch uberall eine
sehr frohliche und wird meistens durch Gesang verschont.
Das Auszieheu beginnt schon zeitlich fruh am Tage und
bildet speziell das Geschaft der IRadchen und Frauen,- nur
das Binden und Aufladen besorgen die Klanner. Beim
Beginn des Flachsjaten werden die heimkehrenden Ar-
beiterinnen gewohnlich von einem Katten IDasserstrahl er-
wartet, denn Flachs und IDasser gehoren zusammen, weil
die Tau- oder IDasserroste die Holzteile vom eigentlichen
Faserteil loslosen muh. Ist die Roste beendet, so beginnt
das Aufraffen bei trockenem IDetter und das nachhausefahren.