Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 312
Bayerifche Hubildums-Landes-Husffellung 1006
Hr. 15
freien herberge biente. In ben 80er Iahren bes 16. Iahr-
Hunberts war bieses so verfallen, bah ber Rot am 14. Juni
1582*) beschloh, ein neues Schiehhans „im Romen Galtes
bod) mit bem geringsten Rnkosten als es sein mag" erbauen
zu lossen. Rnfang Rugust 1582 wurbe barnit begonnen
unb gerabe ein Iahr spater Kannte ber Rat bem fruheren
Sieler unb Wirt im Schiehgiaben, Michael Stei, ber einst-
weilen einen Unterschlups im lvilbbab gefunben hatte, ben
Einzug wieber gestalten, -bod]solite er Kunftig 110 fl.
Sins bezahlen.
So war benn innerhalb eines Iahres jenes stallliche
Bauæerh entstanben, bas wir noch hente als bas Schieh-
Haus am Sanb Kennen unb berounbern. Ja gewih aud)
bewunbern! Richt mit Unrecht gill bieser Ban als eine ber
gelungensten Schop-
fungen ber Rum-
berger Renaissance,
beren Rrlmerkmal
bekannllich (gleich-
wie in Lnglanb) ber
bis ins 17. Iahr-
Hunbert fortbau-
ernbe, in vielen reiz-
oollen Kompro-
missen uberwunbene
Kampf zwischen ben
uberkommenen go-
tischen unb ben neuen
„antikischen" Bau-
nnb Sierformen ber
Renaissance ist. Ruch
bei unserem Bau sinb
letztere nicht resilos
zum Siege gelangi.
Im einzelnen beob-
achie man bie irefs-
liche Belebung bes
Ganzen burch bie
Niirnberg.
Das Schiehhaus am Sand.
Photographische Aufnahme unb Kllschee von Zerreih & Sie., Nurnberg.
breifache, aud) feitens bes Banmeisters burch Eierstab
unb Gesimse betonte Horizontale Glieberung bes Baues,
wobei wieberum bie beiben in ein einfoches System von
Zenstem aufgelbsten oberen Slockwerke zn ben geschlossenen
Zldchen bes ans glatten Quabern gebilbeten Rnterstockes,
welche nur burch bas bekannte schbne Portal, ein Kleines
Fenster unb ben Brunnen eine Belebung erfahren, in
wirkungsvollen Gegensah trelen. Rud] auf ben beiben
anberen Fronten ist bie Fassabenbehanblung eine sehr ge-
schmadwolle. Rls echte Probukte ber speziellen Rurnberger
Renaissance erscheinen bann an ber Haupt- unb Ruckfassabe
zwei Dacherkerchen, von welchen ersteres in bie namentlid]
burch vollstanbig gleichfbrmige Behanblung ber Fenster
etwas eintbnige Ruhe ber Pegnitzfront ein lebhafteres
Element bringl.
Rls Erbauer bieses Kleinen Meisterwerkes ber Re-
naissancekunst bezeichnen uns bie archivalischen Duellen ben
*) Das $oIgenbe nad) Natsveridssen im K. Kreisard]iu.
stdblischen Werkmeister unb Sleinmetzen hanns Dietmair.
Rls solchen nennt er sich selbst in einer Lingabe an ben
Rurnberger Rat von c. 1586, wo er bei ber Ruffuhrung
ber von ihm ausgefuhrten Bauarbeilen sagt: „11. Item
1582 bif] inn baz 1583. Iar hob ich bas Rene hauh in
eins L. Raths Schiehgraben auhni grunbl von neuem ge=
mad]t." Dietmair war zu Lifenach in Thuringen geboren,**)
machle in Schaffhaufen, wohin er wohl auf Veranlafsimg
Wolf Geigers, obersten Banmeisters bieser Stabl, gekommen
war, eine funfjahrige Lehrzeil, zuleht unler £eitung Bleisier
Lubwig Schartzingers, burch, arbeitete ais Geselle unb
Meisier baselbsi unb schliehlich in Hessen. Im Rpril 1579
wurbe er, nicht ohne einen gewissen Wiberstanb seitens
einheimischer Meisier, zum Rurnberger Stabtwerkmeister
bestellt unb ihm zum
Lrsatz seiner Ruf-
zugskosien 16 fl. an-
gewiesen. 1582,
1585 unb 1592
wurbe biese Bestal-
lung erneuert, am
16. (Oktober 1589
erhieli er bas Bur-
gerrecht geschenkt.
Rls seine bemerkens-
werteste Leistung
neben ber Lrbauung
bes Schiehhauses er-
scheini seine Tdtig-
Keit als Letter ber
Steinmetzarbeilen
bei ber bekannten,
von ben zeitgenbssi-
schen „Poeten" viel-
gefeierten Mieber-
Herstellung bes Schb-
nen Brunnens in ben
Iahren 1583 bis
1587, wobei bekannllich Lnbres hemeysen bie Bemalung er-
neuerte unb ber „Schlossergeselle unb Gitterschmieb" Paulus
Kuhn bas prachtige Gitter neu fertigte. Uber seine Tatigkeit
Hiebei sagt ber Meisier in einer Bitischrift (im Siabiarchiv) an
ben Rat, er habe „nit allein ben ganzen casten von neuem
gemacht unb mit fleih verkut, sonbern ben thurn von grunb
auf... wiber renovirl unb ergenzl, alle Bilber, so baran
sein unb sehr schabhaft worben ... Herabgethon unb soliche
verberbung mit gutem steinwerk wiber gebessert unb, wih
Gott, grohen fleis baran gewant..." Er erhielt barauf
eine „Liebung" von einem „Halb Duhet gulben". Rud; in
Grdfenberg (Schloh), Rltborf (Einfassung bes Brunnens) K.
war er im Ruftrag bes Rates tatig. Schon am 17. De-
zember 1595 fanb jeboch ber Kunstreiche Sohn ber Thuringer
Erbe seine letzte Ruhestatte in Rurnberger Boben.
**) Das Solgenbe aach einem Briefe der Stadt Nurnberg an
Schaffhaufen vom 12. November 1578, in welchem der Nat um Nus-
kunst uber den Meisier bittet. (K. Nreis-Nrchiv, Briefbiicher 194,
$0l. 229/30.)