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Bayerifche 9ubiloums«handes=fluskellung 1906
Seile 337
den von dem Baubeburfnis abhangigen und die
gesamte Raumanlage bestimmenden Grundplan
und die von der Grtlichkeit, dem Klima und Bau=
material bebingte, aus die Gesamtgliederung und
die ornamentale Einzelgestaltung des Bauroerks
ruckwirkende Konstruktion, mit den hoheren fln-
forderungen jener Ideen in lebendigen Ginklang
Zu bringen --------so Kann es nicht fehlen, bah das
Gebaude ein in sich vollendetes, ausdrucksvolles
und schones Ganzes in dem angedeuteten Sinne
dilden werde . . ."
Voch, wie schon gesagt, solchen hauptsatzen und Vaupt-
forderungen, die mir vorlaufigch des Konigs vortreffliche
Mit der Vorschrift eines Stiles wurde also jene frete
Sorberung vollig vernichtet. 3u ber Stilsorberung Kam
aber, als Nachsatz zu bem abgebruckten hauptsatz, ein
Verlangen an bie Preisbewerber, bas bie Wege zur Lbsung
ber flusgabe in eine Sackgasse zusammenfuhrte. Ver Be-
stimmung bes Gebaubes entsprechenb unb „bem Geiste
unserer 3eit gemah" 2c. solle „alles Frostige, Schwerfallige,
Vustere unb Strenge vermieben, bem leichten unb Heiteren
Schwunge ber Formen unb Verhaltnisse bagegen ein weites
Felb ber Entwicklung bargeboten sein."
Solite ber Kbnig Max wirklich an solchen Miber-
spruchen im Bauprogramm bie Schulb tragen? Ls ist
Kaum anzunehmen, benn bie Hauptforberungen enisprechen
Der Glaspalast in Munchen.
Persbnliche flnschauungen wieberzugeben scheinen, sinb immer
llachsatze, einschrankenbe Forberungen angefugt, bie ver-
Hangnisvoll roerben multen, ja bie bie Lrfullung ber Haupt-
sorberungen gerabezu unmoglich machten.
2n ben Nachsatzen heiht es einmal, boch soll es auch
nicht verschwiegen bleiben, ba es sich hier um bie Herstel-
ung eines Gebaubes in Veutschlanb unb im beutschen Sinne
Interesse hanbelt, bah es oielleicht zroeckmahig er-
lcheinen burfte, bei bem Entrourf bazu bas Formenprinzip
el altbeutschen gotischen flrchitektur unb beim Ornament
le flnroenbung beutscher Tier- unb Pflanzenformen nicht
ganz aus bem fluge zu lassen."
lidlen tt ®IIeUeit^t labt sich spater einmal diese Frage im Handschrift-
Eiieni, 665 Konigs prufen. - Wie sehr den Konig Kunstlerische
ffrin °"nrulitwnen beschaftigten, geht aus dem letzten Ubsatz der
ael 3u ^r von Sr. Majestat dem Konig Max II. an-
zelt- und Kunstgematzen Baufornt" von 1852 hervor.
ganz bem sruheren Gebanken bes Konigs, aus Glas unb
Gisen Glaspalaste neuen Stiles zu banen unb Munchens
Glaspalast ist zroar Kein Kunstlerisch befriebigenbes Gebaube,
aber boch ein Venkmal sehr gesunber, fruchtbarer flnschau-
iingen bes Konigs. Ven flnschauungen aber ber 3eit im
allgemeinen entspricht bie leibige Verquickung nationaler
flnschauungen unb Wunsche mit Kunstlerischen Forberungen.
Die Politik, bas Nationale verbarb bie Kunst, bah sie
gerabe zu ber 3eit eine so laute Rolle spielte, als Kbnig
Max II. auf Bagerns Thron sah, unb ernstlich an neue
kunstlerische Mbglichkeiten glaubte, ist fur unsere Generation
bebanerlich. Voch ba bie Geschichte sich nicht rekonstruieren
laht, sollten roir aus ben bebenklichen Nachsatzen bes
Programms zroei Vinge lernen: ber Kunst nicht nationale
Forberungen unb ber 3eit nicht ein bestimrntes frostiges
aber Heiteres, strenges aber gefalliges fluhere aufzubrangen