Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 522
Bayerifche 3ubHdums-kandes -Husifenung 1906
Or. 24
in das Ioch einer mitzverstandenen Gotik zwangte. 3u
ansang der stinsziger Sahre grundete er in diesem Sinne
gemeinsam mit dem Juwelier Ivich und dem Buchbinder-
meister haring den Verein „Bauhtitte", der auch eine
illustrierte Zeitschrift herausgab, aber bald rvieder einschlief.
Liniges Kunstindustrielle Leben regte sich daneben schuchtern
im „Gewerbverein", welcher aber nach seiner Versassung,
den Schwerpunkt seiner Tatigkeit mehr nach der praktischen
Seite zu verlegen, veranlatzt war.
Das alles sollte mit einem Schlage anders werden,
als mit Reinbels im Sahre 1853 erfolgtem Tode der
geniale, vielseitige und tatkrastige Ruguft Kreling in
Munchen, geburtig aus Gsnabruck, spaterer Lhrendoktor
der Universitat Trlangen, an die Spitze der Kunstgewerb-
schule berusen ward. Bei seiner Wahl wirkten der ernst-
liche tville der Gemeindevertretung sowie der Kgl. Staats-
regierung, der Schule eine bedeutendere und ihrem
Namen entsprechendere Gestaltung zu geben, zusammen,
und es war auf ersterer Seite das Verdienst des Rechts-
rats, spateren Burgermeisters, Seiler, sowie des Magistrats-
rats und Kunstanftaltsbesitzers P. T. Geitzler, aus der
anderen das des Kultusmini[ters von 3wehl, welcher in
Kreling den richtigen Mann fur diese Stelle erkannte und
nie zogerte, ihm die Mittel zum Ausbau der Schule im erforder-
lichen Matze flussig zu machen. Man mutz jene 3eit des ge-
waltigen Nusschwungs als Schtiler der Anstalt miterlebt haben,
um ganz wurdigen zu Konnen, was alles von Kreling ins
Leben gerusen wurde, wie er nach allen Seiten anregte,
antrieb und begeisterte. Seine eminente Vielseitigkeit, er
war Architekt, Bildhauer, Maler und Grnamentiker, zeitigte
auf allen Gebieten eine Hulle von Zruchten und bildete
nach allen Richtungen Schuler aus, die den Ruhm der
Anstalt weithin verbreiteten und selbst als Lehrende da
und dorthin berusen wurden. Die erste Lrweiterung der
Schule bestand in der Anftigung einer Vorklasse, in welcher
unter Professor S- T. Mayers Leitung nach dem (Ornament
gezeichnet wurde. An Modellen Hiezu war vorlaufig nur
vorhanden, was Kreling selbst mitgebracht hatte, doch bald
fanden sich dazu die Abgusse aller unter Krelings Leitung
gesertigten Modellierarbeiten, Grnamentenstillungen der oer-
schiedensten Stilarten, aber auch ganze kunstgewerbliche
Gegenstande wie Altarleuchter, Schmuckkastchen und vieles
andere. Fur Architektur wurde eine neue Lehrstelle ge-
schassen, Kreling selbst aber lettete einen Tageskurs, in dem
nach dem Leben gemalt und modelliert oder Draperie
studiert wurde. Die Abendstunden gehorten nach wie vor
der Antike und dem Akt. tvie man sich damals in den
unzureichenden Lokalitaten behals, wie man im Sommer
den mit Steinfliesen gepslasterten, gewSlbten Raum der
Antikensammiung bentitzte, darinnen die reifsten und altesten
Schuler bald zu selbstandigen Arbeiten angeregt, jeder nach
Talent und Reigung schusen, es war eine Lust es mitzu-
erleben. 1858 erweiterte die Stadt die Lokalitaten, indem
sie aus die Ivest- und Sudsronten noch Stockwerke setzte.
Sur Plastik wurde eine eigene Lehrstelle gegrtindet, der
bald eine zweite solgte, ebenso wurde die stir Architektur
doppelt besetzt und eine solche stir Malerei, dann stir orna-
mentale Lntwtirse neu geschaffen. Die Hiezu Berufenen
maren teilweise srtihere Schtiler der Anstalt, die sich Kreling
selbst Herangebildet hatte, und die Stellen als pragmatische
Professoren wurden auskommlich dotiert. 3u den wissen-
schaftlichen Sachern trat noch das ftir Kunstgeschichte und
als auch noch eine Schule ftir Kunstschnitzerei errichtet ward,
ftillte sich die letzte Lticke. Auftrage flossen jetzt der rtihm-
lichst bekannten Schule von allen Seiten zu, teils Reu-
schopsungen stir Kirchliche und profane Innenarchitektur,
teils Restaurierungsarbeiten von Altaren und Denkmalern
jeder Art, dann Lpitaphien, Samilienpokale, Threnur-
Kunden u. s. w. Der ideale 3ug, welcher, vom Meister
ausgehend, bald die Schtiler ergrisf, offenbarte sich recht
deutlich, als im Sahre 1861 das erste deutsche Sangersest
in Rtirnberg gefeiert wurde und Kreling an der Spitze des
Dekorationsausschusses den gemalen Gedanken fahte, durch
seine Schule die Hauser bertihmter Rtirnberger mit Gemalden
und plastischen Werken schmticken zu lassen. Ls entwickelte
sich damals in den Raumen des Landauerklosters ein tvett-
eiser junger talentvoller Kraste, der Sriichte zeitigte, welche
die Bevolkerung und ihre Gaste zu jubelndem Beisall fort-
ritz. Aber alles Menschliche, auch die Herrlichste Lrscheinung
ist dem Wandel unterworsen und nach langerem Siechtum
starb Kreling im Iahre 1876 und ihm solgte der aller-
dings geniale Stuttgarter Architekt Gnauth, welcher jedoch
die Aufgaben der Anstalt in einzelnen Punkten anders
erfahte- so anderte er namentlich den Lharakter der Mal-
schule, der er eine rein gewerbliche Richtung auspragte, der
Akt mutzte in einem Kleineren Matzstabe als bisher ge-
zeichnet werden, was seine Bedeutung herabsetzte und
Anderes' im tibrigen suhr die Anstalt auch unter seiner
Leitung sort, zu gedeihen. Als ihn nach wenigen Jahren
eine ttickische Krankheit hinwegnahm, trat an seine Stelle
der Krelingschtiler Karl hammer, ein geborner Rtirnberger
und Professor an der Karlsruher Kunstschule. Seines Stil-
geftihl und edelfter Geschmack lietzen ihn ftir diese Stelle
besonders besahigt erscheinen. Sein hauptverdienst war
die llberstihrung der Schule in ein neues Herrliches Gebaude,
das dank der Munifizenz der Staatsregierung mit reichen
Mitteln und unter opulenter 3umessung des Raumes nach
seinen und Professor Malthers Planen in der Slaschenhof-
strahe zur Ausstihrung Kam. Auch er mutzte allzusrtih
ins Grab steigen, und sein Rachsolger wurde der tresfiiche
Architekt Professor Sranz Brochier, unter dessen umsichtiger
Leitung sich die Kunstgewerbschule noch zurzeit der schonsten
BItite erfreut.
Iversen wir zum Schlutz noch den Blidt aus eine
Pslegstatte der Kunst in unsrem alten Rtirnberg, vorzugs-
weise der gewerblichen, welche stir die Stadt wie stir das
ganze Bayernland von grohter Bedeutung geworden ist,
namlich das Bayerische Gewerbemuseum. Sn vornehmen
Raumen, ein Iverk seines ausgezeichneten Leiters Gber-
baurat Theodor v. Kramer, birgt es eine unter sorgfaltiger
Auswahl zusammengebrachte Vorbildersammlung; in seinen
3eichensalen bietet es die Gelegenheit zum Studium der
einzelnen Gegenstande, und so ersliehen dem Kunstleben
Hiesiger Stadt von dieser Seite zahlreiche neue Anregungen.