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Bayerifdie Hubllflums-bandes •Huskellung 1906
Hr. 24 -
Die industrielle Bebeutung Oberbayerns.
Von Rechtsanroalt Dr. Julius Ka^n, Synbikus der handels- und Semerdekammer fur Dverdayern.
enn man die Bebeutung des diesrheinifchen
Bayerns auf industriellem Gebiete wurdigen
will, so wird man in erster Linie sicherlich
zunachst an MittelfranKen, mit der Industrie-
zentrale Nurnberg-Zurth und an Schwaben
mit der Hochentwickelten Textil- und
Maschinen-Industrie flugsburgs denken.
Und doch ware es irrig, die industrielle
Bedeutung Gberbayerns zu verkennen.
flllerdings besitzt Gberbayern Keinen aus-
gesprochen industriellen Tharakter und
auch Munchen, die haupt- und Residenz-
stadt des Landes, Kann auf industriellem
Gebiete nicht auf jene glanzvolle Ver-
gangenheit blicken wie Nurnberg und
Hugsburg. Aber sicherlich hat gerade in
den letzten vierzig Iahren ein Kraftiges
industrielles Leben in Munchen zu pulsieren
begonnen und die grotze nationale Lnt-
wickelung des Neiches hat auch auf die
Hebung der Munchener wie der ubrigen oberbayerischen
Industrie ihren erfreulichen Nuckschlag geautzert. Man ist
gerne geneigt, die erhebliche Lntsernung Gberbayerns von
dem rheinischen und bShmischen Uohlenrevier und den
Mangel an Wasserstratzen als einen Grund der Hemmung
sur die Lntfaltung einer Grotzindustrie in Gberbayern zu
bezeichnen. Indessen zeigt gerade das Beispiel flugsburgs,
eines Platzes, bei welchem Shnliche Verhaltnijse vorliegen,
datz diese Umstande, wenn auch ein erschwerendes Moment,
so doch Kein absolutes hindernis fur die grotzindustrielle
Entwicklung bilden, und andererseits darf das Vorhanden-
sein zahlreicher bedeutender Wasserkrafte in Gberbayern,
deren weitere Uu^barmachung in den letten Monaten
wiederum die offentliche Meinung bewegt hat, als ein Faktor
betrachtet werden, der auf die industrielle Leistungsfahigkeit
unseres Ureises autzerordentlich gunstig wirken mutz. So
verlockend es ware, diesen Gedanken weiter auszufuhren,
so mutz doch mit Bucksicht auf den hier zur Verfugung
stehenden Raum diese Seite der Frage verlassen werden,
um sosort zu der Schilderung der tatsachlichen Lage uber-
zugehen.
Ls ist naturgematz, datz sich das industrielle Leben des
Regierungsbezirks in der hauptsache in Munchen Konzentriert.
Vie Linwohnerzahl Gberbayerns betragt nach dem vor-
laufigen Lrgebnis der Volkszahlung vom 1. Vezember 1905
1 410763, Munchen mit 538393 Linwohnern umfatzt
38 °/o dieser Bevolkerung, die ubrigen auf den lireis sich
verteilenden 62°/o entfallen zum grotzten Teil auf die Land-
wirtschast.
Ven Hervorragendsten Industriezweig Gberbayerns
und insonderheit Munchens bildet die Brauerei. Vie
Munchener Brauindustrie blickt auf einen Iahrhunderte
alten Bestand zuruck. Das gilt nicht nur von dem lionig-
lichen Hofbrauhause, das vor mehr denn 300 Iahren, am
27. September 1589, auf flnordnung Herzogs Wilhelm V.
errichtet wurde, sondern auch von zahlreichen privaten
Braustatten, wie z. B. dem Burgerlichen Brauhaus, welches
bis in das Iahr 1500 zuruckreicht. Ls ware indessen
irrig, daraus den Schlutz zu ziehen, datz die Munchener
Brauindustrie lediglich von dem Ruhm des filters zehrt;
vielmehr darf es als ein nicht hoch genug anzuschlagendes
Verdienst der Munchener Brauereien bezeichnet werden, datz