Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 652
Bayerifche Hubildums«Landes -flusffeUung 1906
Nr. 29
uberdies auch Ausbesserungen aller Art vornehmen
muB, kann eine derartig einseitige Arbeitsweise nicht
gebrauchen. Die Aufmerksamkeit, die der Spezialist
einern Qegenstande zuwenden kann, muB er auf viele
Oegenstånde verteilen. Dies wird um so mehr der
Fall sein, je mehr sich der Handwerker dem Kunstler
nåhert, wobei dann jeder einzelne von ihm hergestellte
Oegenstand ein Werk fur sich ist, und wobei das Ideal
nicht die vollkommene Gleichheit, sondern die mbg-
lichste Verschiedenheit jedes einzelnen von ihm
gelieferten Stuckes von allen ubrigen Erzeugnissen seiner
Werkstatt sein soll. Zwar gibt es auch unter den
Kunstlern Spezialisten, die z. B. stets denselben Oegen-
stand als Bildsåule oder als Gemålde verarbeiten. Aber
diese sich selbst kopierenden Kunstler bringen auf diese
Weise nicht etwas besseres, sondern nur etwas
schlechteres zu Stande, da eben ein kunstlerisches
Erzeugnis keine Maschinenware, sondern ein Stuck
von dem Oeiste seines Herstellers sein soll.
Mari sieht also, daB die Spezialisierung durchaus
nicht das hbchste Ziel eines jeden Gewerbebetriebes
sein kann und darf, und daB es viele Gebiete gibt,
auf denen sie durchaus nicht am Platze ist. Es soll
also namentlich der Kunstgewerbetreibende und Kunst-
handwerker sich nicht durch dieses Schlagwort von
seiner richtigen Bahn ablenken lassen. Rauter.
Allerlei aus der Praxis.
□ □
Marmoréine.
Unter diesem Namen macht ein franzosischer Ingenieur namens
Vallin ein Verfahren bekannt, mittels dessen es moglich sein soll,
Gips unter Ausscheidung von Ol oder Leim zu binden und das
daneben noch eine grotte Menge besonderer Vorzuge besitzen soll.
Da das Verfahren von dem Regierungsbaumeister Chipiez (architecte
du gouvernement) begutachtet worden ist, durfte es angebracht
sein, dasselbe hier kurz zu erwåhnen. Das Verfahren beruht in
der Hauptsache auf einer Flussigkeit, die Marmoréine genannt
wird, die 75% Borsåure enthalt, wåhrend die ubrigen Bestandteile
eben das Geheimnis des Erfinders sind. Wahrscheinlich ist es
irgend eine Salzldsung, die aber die Eigenschaft haben soll, den
Gips so hart wie den hartesten Naturstein zu machen. Die Flus-
sigkeit ist durchaus farblos, sie beeintråcbtigt also die Farbe des
damit behandelten Putzes in keiner Weise, und auBerdem soll sie
antiseptisch sein und wird daher ganz besonders fur Krankenhauser,
Sanatorien und dergleiehen Anstalten empfohlen. Man kann an-
geblich den Putz oder die damit behandelten Statuen, Medaillons
u. dergl. abwaschen, als wåren sie aus Marmor. Da die Poren
durch diese Flussigkeit nicht geschlossen werden, so beeintrachtigt
diese Behandlung die Ausdunstung keineswegs. Dagegen schlieBt
die Flussigkeit alle Feuchtigkeit von auBen aus und macht den
starksten Frost unwirksam auf das Gestein. Es soll moglich sein,
den weichsten Stein, der damit „marmorisiert" ist, genau so wie
Naturmarmor zu polieren, und schlieBlich soll die Flussigkeit auch
ausgezeichnete Resultate in der Reinigung verschmutzten Gesteins
gezeitigt haben, wie man (hr auch einen wesentlichen EinfluB auf
die Ziegel- und Steingutindustrie zuschreibt. Man wird abwarten
mussen, inwieweit alle diese Vorzuge wirklich vorhanden sind. Kr.
D Cl
Gegen Weilimetallager
glaubt „Engineer" Bedenken tragen zu mussen, und zwar im An-
sehluB an den Bruch eines Zugstangenkopf-Bolzens auf dem eng-
lischen Kriegsschiffe „Prince of Wales". Dieser Bruch wird direkt
auf die Anwendung von WeiBmetall fur das Lager zuruckgefubrt.
Verhalt sich dies tatsåchlich so, so scheint auf die Notwendigkeit
der Anwendung von Bronze oder anderer Legierungen mit hobem
Schmelzpunkte bingewiesen zu sein. Hiergegen spricht aber wieder,
daB fur zum Schmieren verwendetes Mineraldl gerade WeiBmetall
notwendig zu sein scheint, wogegen Bronzen wenigstens die Bei-
mischung eines organischen Oles erfordern, wenn sie richtig ge-
schmiert sein sollen. Bei einer scbnellaufenden Maschine wird
das Auslaufen von WeiBmetallagern zu einer schweren Beschadigung
der Lager fuhren, denn es wird in den meisten Fallen schwierig
sein, auszurucken, ebe Schaden angerichtet werden kann. Es wird
dann die Anwendung von mit Rippen versebenen Lagern emp-
fohlen (Kammzapfenlager?), bei denen die Rippen dicht unter dem
WeiBmetall, aber verborgen liegen, und zwar zu dem bekannten
Zwecke, daB beim AusflieBen des WeiBmetalls die Luft zwischen
dem Lager und dem darin in Bewegung stehenden Korper nicht
zu groB sei. Ein derartig konstruiertes Lager werde wenigstens
so lange vorbalten, bis es moglich geworden sei, die Maschine
auszurucken.
□ □ □
Neues aus Industrie und Gewerbe.
□ □
Ein Kunststein mit dem Namen „Kalziuni-Stahl“
wird in der Gegend von Paris gefertigt. Es handelt sich also
keineswegs um wirklicben Stabl, sondern um ein keramisches
Produkt aus pulverisiertem Feldspat, Sand und Kalk in bestimmter
Mischung. Diese Materialen werden mit Wasser so angemacht,
daB sie einen plastischen Teig etwa von der Konsistenz des Bild-
hauertons bliden, und dann im Ofen gebrannt. Das hierdurch
gewonnene Stelngut ist von groBer Hårte und Dauerhaftigkeit,
widerstebt der Einwirkung von Såuren ebenso wie den Einflussen
der Atmosphåre, ist ein schwacher Wårme- und Elektrizitåtsleiter,
besitzt ein spez. Gewicht von 3,3 und eine gelblich-weiBe Farbe,
die durch Zusatz metalliscber Oxyde in beliebige Farben gebracht
werden kann. Wegen seiner Hårte und einer gewissen Zåhigkeit
die es erlaubt, die fertigen Qegenstande zu bohren, zu schneiden,
zu hobeln oder zu polieren (Eigenschaften, die sonst weniger
keramischen Produkten als dem Stabl eigentumlicb sind), nennt
man diese Substanz nun Kalzium-Stahl, obgleich sie mit Stabl
uberbaupt gar nichts zu tun bat. Bis jetzt hat das Produkt ubrigens
noch keinerlei groBe industrielle Bedeutung erlangt trotz seiner
Woblfeilheit, der Leichtigkeit seiner Herstellung, seiner Zåhigkeit
und seines auBergewdhnlichen Widerstandes gegen Såuren,
Feuchtigkeit und alle anderen Einflusse, die das Material als fur
Robrleitungen fur Wasser, Gas, Chemikalien al ler Art, sowie fur
eine groBe Reihe anderer Zwecke hochst wertvoll erscheinen lassen.
Kr.
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SchluB des redaktionellen Teiles der Technologischen Mitteilungen des Bayerischen Gewerbemuseums.