Die Lokomotive In Kunst-witz Und Karikatur
År: 1922
Forlag: Hannoverische Maschinenbau-Actien-Gesellschaft
Sted: Hannover-Linden
Sider: 170
UDK: 625.282(06) Han
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Die Lokomotive in der Kunst.
Von Arno König, Hannover.
L e i t w o r t :
Nein, Amt der Poesie in allen Tagen
Ist’s, hoher Geist*, dein Siegesfest verschönen,
Wie der Viktoria Goldbild überm Wagen
Des Triumphators schwebt, um ihn zu krönen.
Schon seh ich dort entlang des Gaues Straßen
Die dampfgetriebenen Wagenburgen fliegen,
Wie scheugewordene Elefantenmassen
Türm’ und Geschwader tragen fort zum Siegen;
Der schwarzen Rüssel Schlote hoch erhoben,
Dampfschnaubend, rollend wie die Wetterwolke!
Die Mannen siegestrunken, jauchzend oben;
Wcitum gelichtet alle Bahn vom Volke!
1 iese Verse sang wohl als einer
der ersten deutschen Dichter,
\ die den Siegeslauf des bc-
‘ I ^nncil^cn Maschinen-Zeit-
a^ers vorausaImtcn, Ana-
sl;tsi hs Grün im Jahre 1836.
J Es war dies zur Zeit, als die
ersten Eisenbahnen pustend und
fauchend dahinkeuchten und glatte Schienenwege
die Länder zu durchkreuzen begannen. Die meisten
clou Ischen Dichter und Künstler erhoben bittere An-
klagen gegen die dampfenden schwarzen Ungeheuer
und sahen alle Stimmung und Poesie der stillen
Landschaft vernichtet und zerstört. Sie waren so
vom Wunderbar-Geheimnisvollen, vom Phantastisch-
Ahnungsvollen der Romantik erfüllt, daß sie für die
neue Erscheinung kein Auge hatten und auch wohl
dafür blind sein wollten. Weckten doch die schrillen
Pfiffe der Dampfmaschinen und der Lärm der auf-
blühenden Technik die versonnenen Romantiker aus
ihren mittelalterlichen Träumen unsanft auf und
zwangen sie in die verwünschte Gegenwart zurück.
Mit Schaudern wandte sich selbst Grillparzer von
der Technik ab:
„Und wahrlich, sicht man’s bunt sich regen
Das Dampfgerät auf Eisenwegen,
nie Spindel, die von selbst sich dreht,
Den Einklang unsichtbarer Hände,
Man schaudert und man glaubt am Ende,
Daß still der Puls des Lebens steht.“ (1837)
Jede Neuerscheinung des Lebens aber zwingt
Kunst und Künstler Stellung zu nehmen und sich
mit ihr abzufinden. Und ist dann einmal der rich-
tige Standpunkt eingenommen, ist der vorurteils-
volle Widerstand gebrochen, dann setzt sehr oft eine
Gegenströmung ein, die meist auch wieder über
das Ziel hinausschießt. Ganz anders als Grillparzer
äußerte sich 1843 Heine über die Eisenbahn:
„Die Eisenbahnen sind wieder ein solch bestim-
mendes Ereignis, das der Menschheit einen neuen
Umschwung gibt, das die Farbe und Gestalt des
Lebens verändert. Es beginnt ein neuer Abschnitt
in der Weltgeschichte, und unsere Generation darf
sich rühmen, daß sie dabei gewesen.... Sogar die
Elementarbegriffe von Raum und Zeit sind scliwan-
keild geworden. Durch die Eisenbahn wird der Raum
getötet. Es bleibt nur noch die Zeit übrig.“ (Artur
Fürst, die Welt auf Schienen).
Und heute? „Jetzt rennt der Dampf!“ können
wir mit Viktor von Scheffel als Lcitwort über unser
Zeitalter setzen. Ohne die Schnelligkeit der Länder
verbindenden Eisenbahnen und die Kraft der viele
Pferdestärken entwickelnden Dampfmaschine ist
unser wirtschaftliches Leben gar nicht mehr denk-
bar, hätten Technik und Kultur sich nicht zu der
heutigen Höhe und Vollkommenheit entwickeln
können. Die Maschine beherrscht unsere Zeit. Darum
ist es sehr verwunderlich, daß die Kunst, die sich
doch aller Gebiete des Lebens bemächtigt und sie
geläutert, veredelt, geklärt wiedergibt, sich bis jetzt
so wenig mit technischen Fragen beschäftigt hat.
Woran liegt das wohl? Vielleicht mag es seinen
Grund darin haben, daß alles Technische das Er-
gebnis höchster Verstandestätigkeit, angestrengtester
Gedankenarbeit ist und damit den schärfsten Gegen-
satz zum rein Gefühlsmäßigen in der Kunst dar-
stellt. Oder liegt es daran, daß von jeher in der
Kunst das Nächstliegende und den Sinnen täglich
Gebotene am spätesten zum Gegenstände künst-
♦ Gemeint ist der hohe Geist des Menschen, der alle Wunder der
Technik ersinnt und ausführt.
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