Die Lokomotive In Kunst-witz Und Karikatur
År: 1922
Forlag: Hannoverische Maschinenbau-Actien-Gesellschaft
Sted: Hannover-Linden
Sider: 170
UDK: 625.282(06) Han
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HANOMAG, HANNOVER
LINDEN
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„So was hätte mir auf einer Vierzylinder-Maschine so
leicht nicht widerfahren können. Ich war es, der seiner Zeit
die ersten von Egestorff gebauten Vierzylinder-Schnellzug-
Maschinen einfahren sollte. Kein einziger Führer weiß,
wie man mit solchen Maschinen fahren muß. Man braucht
nämlich stets nur die Hälfte des Dampfes, wenn man
lediglich entweder allein mit Hochdruck oder allein mil
Niederdruck arbeitet. Dabei ist immer die volle Leistung
noch in Reserve. Leichte Züge habe ich stets mit Nieder-
druck allein gefahren, schwere Züge aber, wie sich das
gehört, mit Hochdruck.
Übrigens bemerkte ich dabei noch, daß der Erfinder
den Hauptvorteil der Vierzylinder-Maschine gar nicht
erkannt hat. Man kann nämlich bei solcher Maschine
die Steuerung ganz entbehren! Die Sache ist höchst
einfach. Bei dieser Maschine war bekanntlich nach
System „von Borsig“ Anordnung so getroffen, daß der
Hochdruckzylinder den Niederdruckzylinder mitsteuerte.
(Der Erfinder hieß nicht von Borsig, wie ich einwandte,
sondern von Borries. — Hilprich bezeichnete das als neben-
sächlich.) Wenn nun immer der eine Zylinder den anderen
steuert, braucht man überhaupt keine Steuerung, da ja
stets der eine den Dampf vom anderen erhält usw., ohne
Ende. Die Sache ist genau so, als ob zwei Leute einen
Vertrag geschlossen haben, wonach immer der eine die
Schulden des anderen bezahlen soll. Mit solchen Leuten
ist mit dem besten Willen nichts anzufangen. Man denke
nur, der A. und der B., die gegenseitig solche Verträge
geschlossen haben, sitzen in einer Wirtschaft. Wenn nun
bezahlt werden soll, so sagt zunächst der A.: „Das Zahlen
ist Sache von B.“. Wendet sich der Wirt an B., so erklärt
dieser, daß laut seines Vertrages der A. alles bezahlen
muß, wozu B. verpflichtet wäre. A. erkennt das an,
verweist jedoch wieder auf seinen Vertrag, wonach B.
bezahlen muß usw. Es ist vorgekommen, daß Prozesse,
die dann angestrengt wurden, sich über 30 Jahre erstreckten,
und ein Ende war niemals abzusehen. Schließlich war es
notwendig, die beiden Leute auf Staatskosten zu ver-
pflegen, da es unmöglich ist, irgend einen von beiden
gerichtlich zu fassen.
Überträgt man den Fall auf die Lokomotive, so
ergibt sich genau die Richtigkeit meiner Behauptung.
Jeder Zylinder wird immer vom anderen gesteuert und
wirklich zu steuern braucht schließlich gar keiner.“
Ein Maschinellanwärter aus Frankfurt zeichnete auf
ein Blatt Papier die Zylinder-Anordnung, verfolgte die
Anregung Hilprichs und gab nach kurzer Zeit Symptome
einer schweren Nervenübermüdung. Er hatte sich die
Aufgabe gestellt zu ermitteln, welcher Zylinder eigentlich
steuern müsse, wenn immer einer den anderen steuert,
und sich in die hieraus resultierende endlose Reihe ebenso
rettungslos verstrickt, wie weiland Laokoon mit den
Schlangen. Es war notwendig, diesen Mann, der ein
klägliches Pfeifen von sich gab, ins Freie zu führen, damit
er sich langsam erholte und schließlich wieder seiner ver-
wirrten Sinne Herr wurde.
It
„Was soeben unserem Freunde hier widerfahren ist,
zeigt zur Genüge, daß sich die Menschen in die einfachsten
Situationen nicht hineinfinden können. Wäre jeder so
wie ich beschaffen, so müßte es ein Vergnügen sein, mit
der Menschheit zu arbeiten. Wie viele Beschwerden und
Klagen des Personals laufen ständig ein, und doch geht
aus dieser ganzen Quängelei meist nur das eine hervor,
daß nämlich die Leute ihr Handwerk nicht verstehen.
In einem Bezirk, wo ich fahren mußte, beschwerte
sich zum Beispiel alles darüber, daß wir Magerkohle
erhielten, während Fettkohle unbedingt notwendig war.
Ich beschwerte mich keinen Augenblick, kaufte mir
einfach ein Stück Speck und ließ den Heizer die Kohlen
damit einreiben, so hatte ich in kurzer Zeit die schönste
Fettkohle. Später vereinfachte ich das Verfahren noch,
indem ich nur von Zeit zu Zeit ein Stückchen Speck in
die Feuerkiste warf; das tat genau denselben Dienst. —
In einem anderen Bezirk taugte das Öl nichts, es war wie
reines Wasser und schmierte gar nicht. Da erinnerte ich
mich an einen höchst zweifelhaften Hintertreppenroman,
der mir mal in die Hände gefallen war. Ich fand ihn
glücklicherweise noch zu Hause vor, suchte die schlüpf-
rigsten Stellen davon heraus, warf sie in meine Schmier-
kannen und halte dann stets ein tadelloses Öl.
Ja, man kann manchmal scheinbare Nachteile direkt
zu Vorteilen umkehren, wenn man nur geschickt vorgeht.
Bei einer Direktion erhielten wir mal zum Heizen nichts
als Kohlengrus. Der war so leicht wie Staub, und flog
einem wie Zunder zum Schornstein hinaus. Die Heizer
und Führer beschwerten sich, sie könnten damit nicht
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