Die Lokomotive In Kunst-witz Und Karikatur
År: 1922
Forlag: Hannoverische Maschinenbau-Actien-Gesellschaft
Sted: Hannover-Linden
Sider: 170
UDK: 625.282(06) Han
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HANOMAG, HANNOVER
LINDEN
fahren. Ständig blieben Maschinen auf der Strecke liegen,
weil sich die Lösche in der Rauchkammer bis zur Blas-
rohrhöhe angesammclt hatte und die Siederohre ver-
stopfte. Dazu brannten ständig die Rauchkammern durch,
weil die Lösche dort weiterglühte.
Ich hatte mir aber sofort ein richtiges Rezept aus-
gedacht. Mit Hilfe eines Umschalthahnes, den ich in die
Auspuffrohre legte und eines Rohres in den Aschkasten
erreichte ich, daß ganz nach Belieben der Auspuff bald
zum Schornstein, bald umgekehrt zum Aschkasten heraus-
ging. Nun hatte mein Heizer nichts anderes mehr zu tun,
als während der Fahrt alle paar Minuten den Umschalt-
hahn umzulegen. Zuerst flog die Kohle nach der Rauch-
kammer und blieb dort liegen, schaltete mein Heizer um,
so flog die Kohle wieder von der Rauchkammer auf den
Rost usw. Es ergab sich das Erstaunliche, daß mein
Heizer überhaupt keine Kohlen mehr zuzuwerfen brauchte;
denn sie flog ja im Kessel dauernd hin und her und wurde
während jeder Fahrt mindestens 30—40 Mal hinterein-
einander verbrannt. War das ein Erfolg! — Ich ver-
pflichtete natürlich me:nen Heizer strengstens auf Still-
schweigen, damit das Geheimnis für immer gewahrt blieb.“
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„Es wäre unverzeihlich, wenn ich in diesem Zusammen-
hänge nicht des großen Erfinders Nottelmeyer gedenken
wollte, der berufen war, das ganze Eisenbahnwesen in
neue Bahnen zu lenken, wenn er nicht — viel zu früh
für die Menschheit — beim Beweis der Richtigkeit seiner
Ideen gestorben wäre. Nottel-
meyer gedachte die Drehung
der Erde für den Transport
nutzbar zu machen, er wollte
nicht, wie wir es unsinniger-
weise tun, davonfahren, son-
dern im Gegenteil stehen
bleiben, während die Erde
aus eigener Kraft unter ihm
weglief. Zu solchem Zweck
hatte er das vollkommen rei-
bungslose Fahrzeug erfunden.
Das erste Mal, als ich
Nottelmeyer sah, wunderte
ich mich, daß er ständig
Qualmwolken von sich gab,
ohne irgendwie sichtbar Ta-
bak zu rauchen. Erst später
stellte ich fest, daß ihm vor
Gedanken buchstäblich der
Schädel rauchte. Tabak oder
Spirituosen genoß er nie,
trotzdem entwickelte er im
Kopf eine solche Hitze, daß er
stets einen Ofenschirm mit
sich führen mußte, um seine
Zuhörer gegen Wärmeausstrahlung zu schützen. Sein Ge-
dankengang ist leicht erklärt. Die Sonne geht jeden Tag
scheinbar im Osten auf, im Westen unter. In Wirklichkeit
dreht sich die Erde jeden Tag einmal um ihre Achse, also von
Westen nach Osten. Bleibt man nun fest an dem Punkte
stehen, wo man sich befindet, so gelangt man, ohne jeden
Kraftaufwand nach Westen, d. h. die Erde dreht sich
unter einem nach Osten fort.
Er entwickelte im Kopf eine solche Hitze, daß er stets
einen Ofenschirm mit sich führen mußte, um seine Zu-
hörer gegen Wärmeausstrahlung zu schützen.
Ich war als Betriebsfachmann dabei an jenem denk-
würdigen Tage, als Nottelmeyer seinen reibungslosen
Wagen vor einer Eisenbahnkommission hinter Spandau
auf die Schienen stellte. Die Räder waren durch mächtige
Holzkeile festgebremst, er schwang sich hinauf und
erwartete das Zeichen der
Abfahrt bzw. zum Stchen-
bleiben. In freudiger Zuver-
sicht qualmte sein Schädel
wie die stärkste Lokomotive.
Wir riefen: „Stehe fest!“
und zogen die Keile unter
seinen Rädern heraus. Er
schwenkte noch seine Mütze
und rief uns zu : „Fahrt lo..
Das „s“ hörten wirschongar
nicht mehr, so schnell jagte er
— bzw. jagten wir — davon.
Da er alle Reibung vernichtet
hatte, sauste der Erdball wie
wahnsinnig unter ihm weg;
wahrscheinlich ist er wenige
Minuten darauf, je nach der
Weichenstellung, an der fran-
zösischen, belgischen oder
holländischen Küste in das
Meer gerast, wenn er nicht
schon vorher zerschellte.
Ehre seinem Andenken!
Um sich einen Begriff zu
machen, welche Umwälzung
Nottclmeyers Erfindung hervorgerufen hätte, muß man
nur einmal überlegen, wie sich alle Eisenbahndienst-
bezeichnungen hierdurch geändert hätten. Bei seiner
Verkehrsmethode wäre nicht mehr eine Fahrkarte gelöst
worden, sondern man hätte Standgeld entrichtet. Standes-
beamte hätten den jetzigen Fahrdienst geleitet, an Stelle
der Verkehrsordnung wären die Anstandsregeln getreten,
Standgerichte hätten alle Transportvergehen geahndet
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