Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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Voge l.
Zweitr Orbiiutig. (Kocker.)
wie bie Slettern. Der Baumlaufer ift ubrigens roenig
grover als der Zaunkonig, indeni er nur 5 Zoll in der
Lange mist; das Gefieder ist obenher bunfelgrau, roeih
gefleckt, untenher roeih; Burzel unb Schroanz sind rost-
farbig; uber bie draunen Schroingfebern zieht ein gelb-
lichroeisies Querbanb. Maunchen, Weibchen unb Junge
laffen nur geringe auhere Unterschiebe geroahren.
LXXI. Mauerlaufer. (Tichodroma.)
Gattungscharakter: Schnabel lang, bunn,
schwach gebogen , vorn runblich, an ber Wurzel etroas
eckig, Nasenlocher an ber Schiiabelivurzel, schmal, spalt-
formig, geschloffeu ; Zunge lang, pfriemenformig, Horn-
artig. Fuhe mittelmahig mit starken, gebogenen Krallen.
Flugel mittellang, vierte unb futtfte Schroingfeder bie
langsien. Steuerfedern roeich, abgerunbet, bei bem
Klettern unnutzlich, baher nie abgerieben.
Der gemeine Mauerlaufer. (Tichodroma muraria.) Fig. 1563 .
Der Name ber Gattung genugt, um ben geroohnlichen
Aufenthattsort bieses schonen Vogels anzubeuten, ber We-
niger in ben Walbern al s an hohen Felsen unb ben Mauern
von Thurmen, Kirchen unb ahnlichen Hervorragenben
Gebauben sich finbet unb Hochgelegeiie Gegenben allen
anberen vorzieht. Man barf ihn als einen eigentlichen
Alpenvogel betrachten, ber schon in nieberen Gebirgen
felten, in ben Ebenen bes mittleren unb norblichen
Deutschlanbs als einsamer Verirrier in vielen Jahren
nur einmal gesehen roirb, weiter norblich unb in Eng-
lanb nie bemerkt roorben ift Selbst in ber Schroeiz,
Tyrol unb Salzburg verlasit er kaum bie Hochsten Re-
gionen; in ben Pyrensten bewohnt er, wie Bonaparte
versichert, bie Felsen bes Mont perbu, unb Sausture
sah ihn in Savoyen auf bem Col bu ge'ant, 10,000 Fusi
uber bem Meere zroischen ben Eisbergen. Nach Suben
Hin scheint er eher in bie flacheren Gegenben Hinabzu-
steigen; n^an sieht ihn nicht ganz felten an ben alters-
granen Trummern italistnischer Bergschlosser unb Hat
ihn fogar an bem hohen Dome ber Peterskirche be-
merkt. Er vertauscht, ohne eigentlich zu sonbern als
Strichvogel seinen hohen Ausenthaltsort mit einem mehr
niebrigen, roenn ber Herbst naht, sinkt aber selbst im
Winter aus bie unpoetischen Ebenen nicht Hinab. Grohe
Kstlte unb Nahrungsmangel zroingen ihn bisweilen in
ben Kirchlhurmen ber Ststbte Zuftucht zu suchen. Schinz
sah ihn in Zurich bie Fenster ber Wohnhstuser timflat-
tern unb sogar in bie Zimmer bringen. Er ist uber-
Haupt nicht scheu, aber ungesellig, lebt nur in ber Fort-
pflanzungszeit paarroeis, sonst einsam, stiegt flatternb,
aber schnell unb leicht, verrstth viel Lebhastigkeit ober
eigentliche Rastlosigkeit unb klettert geschickt an ben
Mauern unb Felsrostnben auf unb ab, inbem er
mehr hnpft als sich eigentlich anklammert unb baher nur
Llugenblicke lang an berselben Stelle verroeilt. Der
roeiche Schroanz kann Hierbei nicht zur Stutze bienen,
sonbern es mussen bie ausgebreiteten Flugel bie kurzen
Sprunge unterstutzen unb ben Korper tragen. Die
Nahrung besteht in Jnsecteu unb ihren Larven, Melche
ber lange unb bunne Schnabel leicht aus ben Ritzen unb
Spalten hervorzieht. Dergleichen Vertiefungen bienen
gleichsalls zur Anlegung bes Nestes , jeboch an so hohen
unb unzugstnglichen Orten, bah man bie Geschichte ber
Fortpflanzung so gut roie nicht kennt. Die Eier sollen
weih unb ungefleckt sein unb zu 5—6 im Mai gelegt
werben, bie Jungen Enbe Juli flugge sein. Die Far-
bung bes reisen Vogels ist sehr angenehm : ber Ksrper ist
zart aschgrau, bie Schroingfebern sinb schroarz, ihre Deck-
febern an ber Auhensahne schon karminroth; auf jeber
ber vier ersten Schroingfebern stehen zwei runbe roeihe
Flecken. Die Kehle erscheint im Fruhlinge schroarz, im
Herbste roeih. Der Korper miht 6 Zoll, ber Schnabel
1% Zoll in ber Sange.
LXXII. Baumhacker. (Dendrocolaptes.)
Gattungscharakter: Schnabel lang, mittel-
msthig stark, gerabe ober gegen bie Spitze schwach
gebogen, spitzig, seitlich zusammengebruckt; Nasenlocher
seitlich, runb, osten; Zunge kurz, knorplig. Fuhe
mittelmahig; Hinterzehe bie kurzeste aller Zeheu; Krallen
sehr gebogen, gefurcht. Flugel kurz; britte, vierte unb
funste Schroingfeber bie lstngsten. Steuersebern steis,
mit abgeriebenen spitzigen Schststen.
Krummschnlbetiger Baumhacker. (Dendrocolaptes procurvus.)
Sig. 1564.
Die Baumhacker bilben eine ziemlich grohe, Amerika
ausschliehlich angehorenbe Gattung unb verbinben bie
eigentlichen Klettervstgel, namentlich bie Spechte, mit
ben Baumlstufern. In ben Urwstlbern Brasiliens unb
Guyanas leben sie ganz roie unser gemeiner Baumlau-
fer, steigen, roenige Fuh uber der Erbe beginnenb, behenb
an ben Slammen empor, vermogen, aus ben starren
Schroanz gestutzt, sich lstngere Zeit an berselben Stelle
zu erhalren, besttzen aber roeber bie Ststrke noch bie
Hstlssmittel ber Spechte, um hstmmernb in bas Jnnere
faulenber Ststmme einzubringen, unb konnen Hochstens
morscheRinben ablosen. Die gefunbenen Jnfeeten roer-
ben mit bem Schnabel ergriffen, inbem bie Zunge nicht
vorzustrecken ist. Das Nest befinbet sich in hohlen
Bstumen unb enthstlt 3—4 roeihe Eier. Sie sinb nicht
scheu, jeboch ungesellig, mehr ober minber braun ober
graugelb, roeih gefleckt unb unansehnlich. Die abge-
bilbete Art ist im Ganzen zimmetbraun, aus bem Halse
unb granen Kopfe roeih gefleckt.
LXXIIL Topservogel. (Fumarius.)
Gattungscharakter: Schnabel lang, sehrbunn,
in eine zusammengebruckte Spitze auslaufenb, gebogen,
an ber Wurzel plattgebruckt; Nasenlocher von ber Stirn
etroas entsernt, halb geschloffeu; Zunge kurz, knorplig;
Lstufe hoch. Flugel kurz, schwach, britte unb vierte
Schroingfeber bie lstngsten. Steuerfebern abgestust,
roeich, ohne abgenutzte Schafte.
Der roskgelbe Topservogel. (Fumarius rufus.) Fig. 1565.
Zroischen ber stuheren Form, aus roelcher man, auf
Analogie gestutzt, auf bie Sitten eines Vogels zu schlie-
hen pflegt unb zroischen bem wirklichen Verhalten ber
Topservogel herrscht ein so groher Wiberspruch , bah bie
Ornithologen uber ihre Stellung im Systeme in nicht
geringe Verlegenheit gerathen. Aeuherlich zeigeu sie
viele Aehnlichkeit mit ben Baumlstufern, aber Hinsichtlich
bes Kunsttriebes, ber Nahrung unb vieler Geroohn-
Heiten stehen sie entroeber fast vereinzelt ober geroiffen
Singvogeln verroanbt. Man kennt bereits mehrere
Arten, bie sstmmtlich im auhertropischen Subamerika zu
Hans sinb unb seit Azara's Zeiten bie Aufmerksamkeit
ber Naturforscher auf sich gezogen haben. Jhr Beneh-
men hat eben nichts Auffstlliges; sie verrathen roenig
Scheu vor ben Menschen, verhalten sich ruhig, bleiben
mehrentheil-s zroischen nieberem Gebusch verborgen, ver-
meiben Hochrostlber unb Gebirge, fliegen schlecht unb
laugsam, laufen schnell in regelmsthigen unb roeiten
Schritten unb verlassen uberhaupt ben Boben nicht gern,
auf roelchen sie, roenn irgenb Etroas sie verscheuchte, zu-
ruckkehren, anstatt auf Bstumen Zuflucht zu suchen.
Einige Arten beroohnen bie Ebenen ber Plata-Staaten,
anbere bie mit niebrigem Buschroerke bebeckten Kusten
von Chile, ober bie Falklanbinseln unb selbst ben Ar-
chipel ber patagonischen Westkuste. Ueberall nsthren
sie sich von ben am Boben anzutreffenben Jusecten, theils
auch von kleinen Weichthieren ober Krustenthieren, bie
fle aus bem angesputten Seetang hervorziehen. Ihre
Baukunst kann nicht leicht eigenthumlicher sein; auf bie-
selbe gestutzt, suchen sie keinesroegs nach roohlgeschutzten
Orten, um ihre Nester zu errichten, sonbern begrunben
biese in ben freiesten Lagen, auf einem Baumsturzel,
einem Psahle ober Cactusstamme, ober auf einem Her-
vorragenben Felsstucke. Der Bau gleicht in seiner
allgemeinen Gestalt einem Backosen ober einem verkurzten
Bienenkorbe, besteht aus zsthem Lehm, ber mit Stroh
unb Holzsplittern roohl burcharbeitet ist, Hat eben so
Ibicke als feste Wanbungen, nach vorn einen grohen
geroolbten Eingang unb im Jnneren eine bis zum Decken-
geroolbe reichenbe Scheiberoanb, welche bas Ganze in
eine Art von Vorgemach unb in ben Bruteort theilt.
Azara erzsthlt, bah manche anbere Vogel bie verlassenen
Nester bes Topfervogels (bes „Caserito" b.h. „Hauser-
bauers" ber Banern von Buenos Ayres) beziehen, allein
von ben Besitzern, bie nicht jebes Jahr einen so grohen
unb muhsamen Bau von Neuem machen konnen, roieber
vertrieben roerben. Darroin bemerkte um Bahia blanca
in Patagonien eine Art von Tbpfervogel, welche ihr
Nest an ber Erbe baut. Er vermochte nur ben Zugang
zu entbecken, ber als Munbung einer Rshre erschien,
bie, roie Eingeborne versichern, roohl sechs Fuh weitreicht,
unter bie Oberflache sinkt unb am stuhersten Enbe tnit
bem unterirbischen Nest in Verbinbung steht, roelches
vom Vogel selbst gegraben unb von geroolbter Gestalt
sein soll. Das von Azara beschriebene Nest bes rost-
gelben Topfervogels roarb von ben beiben Gatten unb
zroar in zroei Tagen aus Lehmkugeln von Haselunh-
gr^he verferligl, mah 6^ Zoll im Durchmesser unb Halle
i Zoll bickeWanbe. In seiner inneren Abtheilung lagen
auf einer roeichen Grasschicht 4 roeihe, rolhgesprenkelle
Eier. Der Vogel roirb gegen 6 Zoll lang, ist oden
zimmetbraun unb Hat eine roeihe Kehle unb Hinter bem
Auge einen gelblichen Streifen.
LXXIV. Baumklettcrer. (Climacteris.)
Gattungscharakter: Schnabel kurz, schroach,
toenig gekrummt, in seiner ganzen Lange zusammenge-
bruckl, stumpffirstig; Kiefern gleich lang, zugespitzt;
Nasenlocher an ber Schnabeltourzel seitlich, geschloffeu.
Fuhe stark; Laufe von Lauge ber Mittelzehe, biese unb
bie Hinterzehe sehr lang; auhere Zehe mit ber mittleren
bis zum ztoeiten Gliebe vertoachseu; Krallen groh, ge-
krummt, an ben Seiten gefurcht, scharfspitzig; Flugel
mittelmahig; erste Schroingfeber kurz, britte unb vierte
bie langsten. Steuerfebern abgerunbet, mit geroohn-
lichen Schaften.
1. Der granc Baumkleiterer. (Climacteris picumnus.) Fig. 1566.
Die Baumkleiterer bilben eine kleiue, vier Arten uni-
fassenbe, aus Neuhollaub unb bie Molukken beschrankte
Gattung. Sie klettern mit vielem Geschick an ben ris-
sigen Rinben starkerer Baume Heruin unb schlupfen
behenb burch bie rohrenartig hohlen Aeste ber geroaltigen
Eucalyptus. Wie anbere Baumlaufer nahreti ste sich
von Jnsecteu unb nisten in hohlen Stammen. Ihre
Eier sinb roeih unb ungefleckt. Der abgebilbete Baunt-
kletterer ist gran, am Bauche roeih unb braun gestri-
chelt; Kehle unb Wattgen sinb schmutzig roeih, bie
Steihfebern lebergelb, bie Schroattzfebertt schroarz, au
ber Wurzel unb Spitze roeihlich, bie beiben mittleren
braun ; uber bie Mitte ber braunen Schroingfebern lauft
eine uankinggelbe Binbe. Die Lange betragt 6% Zoll
LXXV. Orthonyx. (Orthonyx.)
Gattungscharakter: Schnabel kurz, fast gerad,
zusammengebruckt, stark, mit einer Kimttte an ber Spitze;
Nasenlocher tu ber Mitte bes Schnabels seitlich, burch
Borsten verbeckt. Fuhe hoch; Laufe langer als bie
Mittelzehe; Krallen langerals bie Zeheu, roenig gebogen,
au ben Seiten ties gefurcht. Flugel sehr kurz; bie sechste
Schroingfeber bie langste. Schroanz lang, breit; Steuer-
febertt mit zugefpitzten, Harten Schaften.
stachelschwjnziger O-rthonyr. (Orthonyx spinicaudus.)
Fig. 1567. 1568.
Das Vorhaubensein von Schroauzftbern mit Harten,
zugefpitzten Schaften beutet bei bieser Gattung nicht
auf bie Sitte bes Kletrerus au Baumstammen. Der
Orthonhr zieht vieltnehr ben Ausenthalt an ber Erbe
vor, unb klettert schnell unb geschickt uitther an Absturzen,
unb ben Wanbett naturlicher Hohlroege unb tiefer Ein-
schnitte bes Bobens; felten versteigt er sich hoher als einige
Fuh au Baumstunimeln, besucht aber geru bie umge-
falleueu unb in Auflosuug begriffeuen Stamme, bie steis