Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
Mit 950 Ubbildungen
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150
Voge l.
fierte Vrdnung.
ntogen toenige der iin Juni gelegten Eier des Kukiiks
ausgebrutet iverden und der grohere Theil der Brut
selbst verloren gehen, denn der Hindernden Einflusse sind
Hier 511 viele. Die verhaltnisimahige Seltenheit des
Kukuks, der doch ini Ganzen fur nichts toeniger als un-
fruchtbar gehalten toerben kann, scheint dieses anzn-
deuten. Am Schwierigsten, toenn uberhaupt losbar,
ist die Frage nach der eigentlichen phhsiologischen Ver-
anlaffung jenes so ungetoohnlichen Herganges der Fort-
pflanznng. Versuche zur Deutung sind ost gemacht
toorden, indefsen kann keiner als gelungen Geltung
finden. Schon Aristoteles beschaftigte sich mitbenselben;
er behauptet, dem Kukuk sei von der Natur das Recht,
die eigenen Jungen aufzuziehen, darum versagt toorden,
toeil er zu feig und unkraftig sei, um eine eigene Fa-
milie besttzen und vertheidigen zu tonnen. Der ver-
diente Anatom Herissant glaubte, dah dem Kukuk Bru-
ten nicht moglich sei, toeil sein Magen ungetoohnlich
toeit nach nitten und unmittelbar unter den Bauchdecken
liege, also bei Anfullung desselben der Druck durch die
Eier Schmerzen oder Krankheit erzeugen tourde. Vail-
lant meint, das Kukukstoeibchen brute nicht, toeil es,
viel zu aufgeregt und zu heihblfitig, die Eier toohl ver-
brennen konne , toie solches gelegentlich auch bei Haus-
Hennen und Truthennen vorkommi, nie aber int Stande
sein tourde, ihnen die .nothige Mitteltemperatur mitzu-
theilen. Noch sonderbarer klingtdie Vermuthung Mont-
beillard's, dah das Weibchen genothigt sei, seine Eier
in fremde Nester zu legen, um ste dem gestahigen und
Eier vorzugstoeis gern fressenden Mannchen zu entziehen.
Einige deutsche Phhstologen haben als Grund das sehr
ungleiche Reisen der Eier des Kukuks angegeben, toelche,
in Ztoischenraumen von 7— 9 Tagen gelegt, nur dann
vom Kukuk selbst ausgebrutet toerben fonnten, toenn
bieser bie keinem anberen Vogel verliehene Fahigkeit be-
sahe, eine gleich hohe Bruttoarme einen Monat lang
ununterbrochen zu enttoickeln. Auch ist nuf bie kurze
Zeit vertoiesen roorben, toelche ber Kukuk im Norben
znbringt; man meinte, bah biese zur Ausbrutung unb
vollstandigen Erziehung ber Jungen mittels eigenen
Fleihes ihm burchaus nicht zureichen tourbe. Giebt
man zu, dah alle biese Ursachen mehr oder minber ben
eigentlichen Fortpflanznngsproceh bes Kukuks bestimmen
ntogen, so ist bamit immer noch keine genugenbe Er-
klarung gewonnen, benn immer bleibt bie Frage nnbe-
anttoortet, toarunt gerabe ber Kukuk seine Eier in so
langen Ztoischenraumen legen musse, toarunt er so tin-
geMtetn kurze Zeit bei utts vertoeile, unb toelche aus ber
Organisation bes Korpers burchaus nicht Herzuleitenbe
Nothtoenbigkeiten ihn ztoingen, unter allen anberen
Vogelit Enropa's allein eitte physiologische Ausnahme
zu machen. Der junge Kukuk toachst ubrigens sehr
schnell unb macht ben Pstegealtern burch seine Une-r-
sattlichkeit viel zu schaffen. Schon mit dem ztoolsten
Tage ist er groh unb stark genug, um, too nothig, ein
brohenbes, an ben jungen Raubvogel erinnernbes An-
sehen attzunehmen; bertthrt, sperrt er den Schnabel toeit
aus und zeigt den geranmigen, Hochgelben Rachen, als
toolle er den Gegner schrecken, stranbt die Federn, be-
wegt den Kops schnell aus und ab und legt fich zuletzt
auf den Rucken, um mit den Krallen alles Dargebotene
zu ergreifeii und festzuhalten. Er stoht hann Laute au s
toie ein junger Falke oder schnaubt fast toie eine Enle
und gebehrdet sich uberhaupt mit groher Leidenschast-
lichkeit. Seine Gier ist so groh, dah er bistoeilen den
Kopf der mit einer Raupe herbeieilenden kleinen Pfle-
geritt zugleich mit dem Bissen ersaht und schtoer verletzt.
Um die Milte der dritten Woche erlangt er die Fahig-
keit, das Nest zu verlassen, fliegt Anfangs nngeschickt
und toird von den Pflegealtern begleitet, die auch dann
nicht aufhoren, ihn mit Futter zu versorgen. Nach
Ausbildung der Flugel und des Schwanzes Verlaht er
dieselben und gesellt sich mit anderen jungen Knkuken
zusammeit, um im September und ettoas spater, als die
ertoachsenen, die Reise nach Suden anzutreten. Fangt
man ihn um jene Zeit ein, so mag man ihn, toenn auch
mit Muhe, den Winter hindurch und sogar einige Jahre
lang lebend erhalten, indefsen mihlingt in der Regel
der Versuch. Zum Stubenvogel taugt er ubrigens
durchaus nicht; er bleibt immerdar toild, storrisch und
tuckisch, verschmaht das Futter oder nimmt sich so un-
geschickt, dah man lange Zeit fortfahren muh, ihn zu
suttern, bleibt stumm, legt in der Gefangenschaft die
Unreinlichkeit eines Nestvogels nie vollig ab, verstoht
durch toildes Herumstattern das Gefieder, toird dann
sehr Hahlich und unterliegt znmal der Kalte bei ge-
ringster Vernachlassigung.
Kein anderer Vogel hat zu gleich vielen Sagen Ver-
anlafsnng gegeben, und keines anderen Naturgeschichte
ist durch irrige Beobachtnugen und Ueberlieferungen in
gleich starkem Maahe verunstaltet. Der gemeine Alann
glaubt noch immer an die letzteren und toeigert sich, die
neuett Berichtigiingen anznerkennen, durch toelche freilich
das Wesen und Treiben des Kukuks in den Bereich des
Getovhnlichen Herabgezogen toorden ist. Am Meisten
verbreitet scheint der Glanbe zu sein, dah jener Vogel
mit den Raubvogeln eng vertoandt sei und gleich diesen
schtoachere Thiere verfolge und auffresse. Hin unb
ivieder erzahlt man, dah er ztoei Mal im Jahre sich
vertoandele, im Juli zu einem Sperber toerde, im
Frfihjahre seine getoohnliche Gestalt annehme, toahrend
der Wanderung von Milanen getragen toerde und seinen
Speichel auf manche Wiesenblumen ausleere, um ein
getoisses dort befindliches Jnsect zu vernichten, toelches
ihn selbst bei unvorstchtiger Annaherung mittels eines
Stiches unter den Flugel todte. Man setzte Hinzu, dah
er seine Stiefgeschtoister auffresse, den Pstegealtern nicht
durch Undank allein, sondern Haufig durch Mord lohne,
nichtsdestotoeniger aber der Gegenstand zartlicher Vor-
sorge vieler kleiner Vbgel sei, Eier lege, die, je nach-
dem sie in verschiedene Nester untergeschoden toerden
sollten, die verschiedenste Farbung zeigten, int Herbste
nicht fortziehe, sondern in Getraidehaufen verborgen
schlafe, bei periodischem Ertoachen sich von den
Kornern nahre und uberhaupt in einer Menge von
Beziehungen sich entferne von Sitte und Verhalten aller
anderen Vogel. Jedermann toeih, toie toeit endlich der
Aberglaube gegangen und dah in manchen Gegenden
das Volk von dem Einverstandnifse des Kukuks mit ent-
toeder ztoeideutigen oder geradezu feindlichen Geistern
noch jetzt uberzeugt ist oder da, too der Aberglaube
in minder abstohender Gestalt auftritt, ihm mindestens
prophetische Gaben zuschreibt. Bei der jetzt schnell zu-
nehmenden Kenntnih der Natur schtoinden solche alte
Ueberlieferungen mehr und mehr; erloschen mit ihnen
auch manche nicht unpoetische Ausfafsungen, so toare
es doch unrecht, ihren Untergang zu bedauern, denn
dichterische Deutung vertragt sich auch mit toahrer Er-
kenntttih des Erschaffenen.
Geschlecht und Alter bringen im anheren Ansehen des
Kukuks so erhebliche Unterschiede Hervor, dah man,
durch sie betrogen, schon besondere Speeies aufgestellt
Hat. Das reife Mannchen hat mit dem Sperber durch
Gestalt und Farbung einige Aehnlichkeit, indeffen to.iro
auch der Laie ohne Schtoierigkeit die Unahnlichkeit des
Schnabels beider erkennen. Die Grohe ist derjenigen
einer Turteltaube ziemlich gleich; sie betragt gegen 14
Zoll , toovon die Halfte auf den Schtoanz zu rechnen ist.
Die Farbung ist aschgrau, die Brust und der Bauch
toeih, schtoarzbraun gebandert; derSchivanz schtoarzlich
mit toeihen Schastflecken und Spitzen, bie innere Fahne
ber Schtoingfebern toeih gestreift; Ffihe und Krallen
sinb gelb. Alte Weibchen sinb ben Mannchen sehr ahn-
lich unb ohne genaueste Bekanutschaft mit ben burch
Alter unb Geschlecht Hervorgebrachten Abstufungen ber
Farbung nicht zu unterscheiben; einjahrige Weibchen
toeichen Hingegen so ab, bah man in ihnen eine eigene
Art zu erkennen genteint hat. An ihnen ist bie Ober-
seite rostroth, mit graubraunen Querbanbern gezeichnei,
ber Borberhals ebenso toie ber Bauch unb bie Brust auf
toeihem Grunbe guergebanbert, ber rostbraune Schtoanz
mit fchiefen Binben gezeichnet; kurz vor ber Maufer ist
biese Farbung noch abgebleichter unb geht aus bem Rost-
rothen fast in bas Rostgelbliche uber. Die Jungen sinb
bfister draungrau unb haben mit hellem Ranbe um-
saumte Febern, eine Zeichnung, bie zumal im aller-
ersten fchieferschtoarzen Gefieber sich stark abhebt unb
an Schuppen erinnert (gig. 1600). Dah ber Kukuk sehr
alt toerben konne, scheint ziemlich sicher zu sein; man er-
kennt bergleichen mannliche Jnbivibuen an bem blaueren,
schtoach metallisch schimmernben Rficken, bem mit regel-
mahigen Wellenstrichen fiberzogenen Unterkorper unb
ber langeren unb starker gekrfimmten Schnabelspitze.
2. Der amerikanische Kukuk. (Cuculus americanus.) Fig. 1601,
Sotoohl Aububon als Wilson, beibe eben so fteihige
als genaue Beobachter,-Haben fiber ben nordamerika-
nischen Kukuk umstandlich berichtet. In ihren Schil-
berungeu finben sich manche Zfige, bie eben so gut auf
ben europaischen Kukuk passen tofirben, inbesfeu auch
nicht toenige eigenthfimliche. Man barf, ohne beshalb
eine Ungerechtigkeit zu begehen, toohl behaupten, bah
bie Geschichte jenes amerikanischen Vogels toeit toeniger
Interesse errege als bie seines europaischen Verwanbten;
bas Rathselhafte ber letzteren fallt toeg, benn ber Kukuk
ber Vereinigten Staaten banet auf getoohnliche Weise
sich ein Nest unb Hat nirgenbs vermocht, bie Aufmerk-
samkeit bergestalt auf sich zu ziehen, bah er zur Ent-
stehung von jenen Fabeln Veranlasfung gegeben Hatte,
mit toelchen bie unteren Voiksclasseii sich in allen Fallen
behelfen, too ihnen bie Deutung ungetoohiilicher Er-
fcheintingen nicht gelingt. Es gilt jener Vogel in den
meisten Gegenden Nordamerika's nicht einmal ffir einen
Knknk; denn der deutsche Baner Pennsylvaniens, dem
vaterlandische Erinnernngen zu Gebote stehen, nenut
ihn Regenkrahe (rain-crow), anderwarts heiht er Kuh-
vogel, toeil sein knrzer, acht bis zehnmal toiederholter
Ruf der Sylbe „Kan" (cow, Knh) entspricht, und nur
die Franzosen in Louisiana nennen ihn Knknk. Nir-
gends sehr Haufig, aber auch nirgends ganz fehlend,
toird er von Obercanada bis zum Miffonri und bis zu
den Gestaden des mericanischen Golfs angetroffen, er-
fcheint als Zngvogel Anfang Mai's, felten frfiher, im
Staate Neuyork, um Mitte Mai's in den nordlicheren
Lander. In den ffidlichen Staaten trifft er einzeln ein
im Monat Marz und scheint bistoeilen in kleinen Zahlen
dort zu fibertointern; die Mannchen kommen stets um
einige Wochen frfiher an als die Weibchen. Im Sep-
tember oder October bricht er nach dem Sfiden auf und
toird bann in Gefellschaften bemerkt, bie, ziemlich un-
orbentlich unb oft in viele kleine Hanfen zerfallenb, nicht,
toie anbere Zngvogel, hinter einanber fliegen, sonbern
in breiter Fronte vortoarts gehen. Kaum angekommen,
verbirgt er sich in ben bichtesten Geholzen, verrath
sich inbeffen alSbalb burch sein eintoniges Geschrei, toel-
ches selbst von ben sehr nnmusikalischen unb Hinsichtlich
Harmonischer Klange mit Wenigem znfriebenen Nord-
amerikanern bem Rufe bes jungen Ochsenfrosches ver-
glichen toirb. Er fliegt sehr schnell, getoanbt unb ge-
ranschlos, meist nur in horizontalerRichtung unb folgt
bieser, ohne irgenb anznstohen, selbst ztoischen ben ver-
toachsenen Kronen hochstammiger Walber, inbem er sich
nothigenfalls, toie auch Schtoalben es thun, so toeit au f
bie Seite legt unb so schnelltoechselt, bah balb bie obere,
balb bie nittere Korperseite sichtbar toirb. Feig und
schen, ist er dennoch toeder eigentlich vorsichtig noch
toachsam und toird daher haufig den Raubvogeln zur
Bente, unter toelchen der sogenannte Tanbenfalk (Falco
coluinbarius) sein gefahrlichster Feind zu sein scheint.
Umgekehrt fugt er selbst kleinen Vogeln nicht geringen
Schaven dadurch zu, dah er ihre Eier zerbricht und den
Jnhalt derselben begierig auffriht. Ueberhaupt betoeist
er fich als Omnivor, benn Beeren aller Art, vor allen