Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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Lanfvogcl.
Våge t.
213
und Ibis, uiiterscheidel sich aber durch die in der ganzen
Classe der Vogel fast beispiellose Lange der Nasenlocher.
An seinem Hinleren Ende namlich liegt eine Halbmonb-
sormige Wachshaut; von dieser erstrecken stch linienfor-
mige Furchen, bis zu den der Spitze nahen Nasenlbchern.
Wahrenb bei allen zum Fluge bestimmten Vogeln die
Athmungsorgane sehr entwickelt sind und mit ver^chie-
denen Lustbehaltern des Korpers in Verbindung stehen,
fehlen die letzteren dem Kiwi. Die Flugelknochen sind
so zusammengeschwunden, bah unter den Korperfedern
blos kurze Skummel der Flugel stch auffinden laffen,
Hingegen gewahrt man an den Fuhen (Fig. 1790.) eine
um so gropere Entwickelung. Sie sind zwar viel kurzer
als an den achten Strauhvogeln, allein int Verhaltniffe
fast noch starker, die Lause mit sehr Harten, netzformigen
Schildern, die Zehen mit Schuppen bedeckt, welche an
den Seiten schmale Rander, gewiffermaahen die Anden-
tung einer Schwimmhaut, dilden. Von den vier Zehen
sind die vorderen langer, sehr stark, mit krastigen, zum
Graden eingerichteten Krallen bewehrt; die hintere, weit
dickere und kurzere steht fast senkrecht, deruhrt beim Aus-
treten ven Boden nicht, gleicht mehr dem Sporn eines
HaushahneS und scheint als Waffe gebraucht zu werden.
Der verlangert kegelformige Rumpf wird so aufrecht
getragen, dah die ganze Gestalt an einen Penguin er-
innert, uberhaupt Herrschen in derselben manche sehr
wunderliche Widerspruche, indem sie wie eine Zu^ammen-
setzung au§ Huhnervogel, Stelzenvogel und Schwimm-
vogel erscheint. Der lange Schnabel Paht durchaus
nicht zum Baue eines strauhartigen Vogels, wahrend
hingegen die Verdauungswerkzeuge sast wie bei einem
solchen beschaffen sind und namentlich der Vormagen die
deschriebenen Drusenmundungen in Menge gewahren
lasit. Ein Kropf fehlt; Schnabel, Speiserohre und
Magen sind osfenbar nur sur Erqreifung, Verschlin-
gung und Verdanung von Wurmern und weichen Jn-
secten eingerichtet. Die mannlichen Fortpflanzungsor-
gane verhalten sich wie bei den Strauhen, die weidlichen
find noch unbekannt und so auch die Eier. Von den
Flugeln gewahrt man nur unvollkommene Anfange, der
Oberarm miht 1Vs Zoll, der Unterarm 1 Zoll , die ganze
Hand nur 7 Linien, von welchen auf das einzige krumme
und krallenartige Fingerglied die Halfte kommt. Nur
an dem Vorderarm und der Handwurzel hangen einige
kurze, unvollkommene, aber starke Kielfedern, die zum
Fliegen nicht bienen konnen, wie denn der ganze Bau
des Vogels, der Mangel an Lustzellen in den Armkno-
chen, das kummerliche, platte Brustbein die Unfahigkeit
zum Fluge andeuten. Vom Schwanze fehlt jegliche
Spur. Den ganzen Korper bedecken lange lanzettfor-
mige, kastanienbraune, schwarzlich eingefahte Federn;
fie hangen wie am Emu los herab, entspringen aber
nicht zu zweien, sondern einfach au8 ihrer Wurzel. Sie
nehmen vom Halse abwarts an Lange zu, haben etwas
zerzaserte Fahnen, seidenartigen Glanz und am Bauche
eine Hellere Farbung als obenher. Das Auge ist klein
und gelb und der Schnabel von gelblichgrauer Horn-
farbe; um die Mundwinkel stehen einzelne, sehr lange
Borsten. Die ganze Lange betragt 32 engl. Zoll, der
Schnabel miht gegen 7 Zoll, die Fuhe find gegen 8 Zoll
hoch. — Neber die Lebensweise des Kiwi befitzt man
wenige und unvollkommene Nachrichten. Wenige Eu-
ropaer haben ihn in ben bustern unb unsreunblichen
Walbern Neuseelanbs, wo er allein vorkommt, lebenb
beobachtet, unb baher beruht bie Kenntnih von ihm
hauptsachlich auf den Aussagen ber Eingeborenen. Der
Englander Short sagt, bah er im ruhigen Zustanbe
bie auf ber Abbilbung (Fig. 1792.) wiebergegebene Siel-
lung behaupte unb ben Hals soweit nach Hinten beuge,
bah ber Schnabel senkrecht nach ber Erbe Hinabgerichtet
sei; verfolgt strecke er ben Hals znr votlen Lange auS,
gleiche bann in Haltung bent Strauhe unb lanse mit
groher Schnelligkeit. Eingeholt soll er mit Kraft unb
Muth sich vertheibigen unb mit ber spornenartigen Hin-
terzehe schlimme Wunben beibringen konnen. Man
Hat ihn zwar in allen angemeffenen Orten Neuseelanbs
einzeln angetroffen, inbessen scheint sein bevorzugter
Aufenthalt bas subliche Enbe ber mittleren Jnsel zu
sein. Er verbirgt sich bort in bem bunkeln unb feuchten,
aus Farnkrautern bestehenbem Dickicht, welches bie Wal-
ber stellenweis ganz unzuzanglich macht, entgeht ben
Versolgern baburch, bah er in Felsspalten ober in tiefen
Erblochern verschwinbet, bie er selbst anshohlen unb
als Bruteplatz benutzen soll. In ber Lebensweise ver-
halt er sich burchaus als nachtliches Thier unb wird
daher von den Eingeborenen auch nur im Dunkeln auf«
gesucht und gefangen, weil ihn ber Schein von Harz-
reichen Holzfackeln blenbet unb znr Flucht unsahig
macht. SeineNahrung besteht allein in Wurmern unb
Jnseeten, bie er burch Fuh - unb Schnabelschlage auf
ben Boben erschreckt unb ergreift, sobalb fie Hervorkom-
men. Auch soll er ben langen Schnabel bohrenb in
bas weiche Erbreich versenken, um seine Beute in der
Tiefe zu ergreisen, ein Verfahren, welches freilich znr
Lage der Nasenlocher an ber vorderen Spitze nicht recht
passen will und von desser dekanuten Vogeln nur bann
befolgtwirb, wenn fie hoch oden, ber Stirn nahe stehenbe
Nasenlocher haben. Die Neuseelanber legen ubrigens
auf bie auherorbentlich bichten unb zahen Felle, bie ohne
Verletzung ber Febern zudereitet werben, einen Hohen
Werth; gemeinlich tragen bie Hauptlinge Måntel von
Kiwifellen unb trennen sich, selbst gegen ansehnliche Be-
zahlung, schwer von benselben.
II. Dronte. (Didus.)
Gattungsch arakter: Schnabel (Fig. 1793.)
kraftig, lang, hoch; Oberkiefer an ber Spitze aufge-
trieben unb hakenformig ubergebogen. Flugel ohne
steise Schwingsebern. Fuhe (Fig. 1794.) kraftig, vier-
zehig. Schwanzbecksebern weich, groh, nickenb.
Tie Dronte. (Didus ineptus.) Fig. 1793 —1800.
Die in ben jungeren Schichten ber Erbrinbe ange-
Hauften fossilen Knochen von Saugethieren, grohen
Reptilien unb Fischen legen Zeugnih ab von bem Un-
tergange ganzer Reihen sruherer Schopfungen unb von
ber Furchldarkeit unb Allgemeinheit jener Revolutionen,
welche ber Erboderstache eine anbere Gestalt gaben. Alan
ist gewohnt, von biesen Resten aus bie un8 umgedenbe
Thierwelt wie auf etwas Bestandiges zu dlicken, wa8
bi8 zum Enbe ber laufenben Weltperiobe sich un-
veranbert unb unverminbert erhalten soll. Bi8 vor
einigen Jahrhunberlen tvåre bie Bekampfung eines sol-
chen Glaubens nicht moglich gewesen; neuere Erfah-
rungen haben seine Nnstatthaftigkeit bewiesen. Sinb
auch bie gewaltigen Wiederkauer, bie vor neunzehnhun-
bert Jahren in benbeutschen Walbern hausten, vielleicht im
zahmen Rinbvieh (Bb. I. S.265. Sp. 3.) untergegangen,
so istbennboch ber Riesenhirsch votlkommen ausgestorden,
ber fast zu gleicher Zeit gelebt Hat. Es ergeben sich aber
noch anbere ' Thatsachen, bie auf bas Unzweiselhafteste
beweisen, bah bas vollstandigste Aussterben ganzer Gat-
tungen Hoherer Thiere auch in unseren Zeiten moglich
sei. Die nachstfolgenben Vogel bieten uns solche Bei-
spiele unb fuhren aufben Gedanken, dah vielleicht binnen
einigen Jahrhmiderten manche jetzt lebende Sangethiere
Europa's unter den erloschenen aufzuzahlen sein werden.
Kann SolcheS mit Thieren ber Hochsten Classen sich er-
eignen, so wird ficherlich bas gleiche Loos ganze Reihen
von Arten nieberer Thiere betroffen haben, bie im Dun-
keln oder fern und von dem Menschen unbemerkt lebten.
In biesem Schwinben einzelner Thierarten, welchem man
bas Aussterben des amerikanischen Ureinwohners, sobalb
er mit bem Weihen in Beruhrung kommt, vielleicht ver-
gleichen konnte, liegt der Beweis von dem nicht immer
gleich scharf Hervortretenden, allein dennoch machtig ver-
andernden Einsiuh des Menschen auf bie Natur.
Der grohe Vaseo ba Ganta umschiffte zuerst im Jahre
1497 die Sudspitze von Afrika. Mude des langen Kampfes
mit unerhorten Sturmen, suchte er Schutz im Hasen
einer Jnsel ber Ostkuste jenes Welttheiles. Die et»
schopste Mannschaft fanb bort eine Menge von Vo-
geln, bie wegen auherer Aehnlichkeit Schwane (Cisnes)
getauft tourben unb enblich veranlahten, bah man bie
neue Jnsel als „Schwaneninsel" in bie Charte eintrug.
Die ztoei Jahre spater heimkehrenben Schiffe beruhrten
benselben Hasen unb fanben bie Zahl ber Vogel tinver-
minbert. Als eine Entbeckung ber anberen folgte, tour-
ben 1505 auch bie mascarenischen Jnseln aufgefunden,
bie in jungfrelulicher Reinheit, unb von be8 Menschen
Fuh noch nie beruhrt, bas Bild eines Parabieses dar-
boten. Vom Anbeginn an hatte bie Dronte, jener
Schtoarm ber portugiestschen Entbecker, auch auf ihuen
ungestort gelebt; bie Ankunst bes Menschen sollte aber
ihrer Eristenz ein Ziel setzen. Kaunt 125 Jahre nach
ber Auffinbung jenes kleinen Archipels verschwinbet bie
Dronte aus ben Berichten ber Seefahrer, bie alle ihrer
als eines ber merkwurbigsten Geschopse gebacht Hatten.
Nur auf ber kleinen Jnsel Robriguez, wo sie stch er-
Halten haben mochte, weil Corallenriffe ben Seefahrer
vom Lauben abschreckteit, kommt sie um 1691 noch ein
Mal unb zwar bei Legttat vor, ber bort eine Colonie zu
begrunben beabsichtigte. Auch er gab eine sehr ttnvoll-
kommene Abbilbung (Fig. 1800.). Seit jener Zeit Hat
Nientanb bie Dronte wieber gesehen; bah sie aus ber
Rethe ledender Wesen wirklich verschwunben, leibet
burchaus keinen Zweifel, benn als bie Ausmerksamkeit
ber Zoologen sich ihr mit besonberer Spannung zutvett-
dete, liehen Natnrforscher unb Behorden auf Mauritius
unb Bourbon nachsuchen, unb nur aus ber letzteren Jnsel
fanb man ihre Spurett in ber Gestalt halbfossiler Kno-
chen. Atts ben alteren Berichten ber Augenzeugen er-
giedt sich, bah bie Dronte bie Grohe bes Schwanes ge-
Habt, burch bie Gestalt inbessen sich sehr unterschieben
unb zumal burch ein gewisses geierartiges Ansehen aus-
gezeichnet Habe. Clustus gab 1605 eine von uns (Fig.
1796.) getreu eopirte Abbilbung, bie er von jenen Hol-
lanbischen Seeleutett erhalten, tvelche unter Jacob van
Neck unb Whbranb van Warwyck einer grohett Erpe-
bitiott nach bett Molukkett (1598 — 1603) beigewohnt
hatten. Sie nannten bie Dronte Walgh-Vogel, b.h.
einen Ekel erregenben , weil er ben ubelsten Geruch ver-
breitete unb auch burch gehoriges Kochen nicht ehbar
ward, unb sagten ausbrucklich, bah an ber Stelle ber
mangelnben Flugel einige schwarze Febern geftanben,
ber Schwanz ebenfalls gefehlt unb burch einige Hell-
graue, nickenbe Febern vertreten worden sei. De Bry,
ein sieihiger unb geistreicher Compilator, gebenkt in seiner
Beschreibung ber Jnsel Cerne (Mauritius) ber Dronte
unb liesert eine Abbilbung (Fig. 1799.), bie toahrscheitt-
lich mit ber von Clusius veroffentlichten gleiche O-uelle
hatte. Weiterhin erwahnen jetten Vogel Jacob Heettts-
kirk unb Wolsert Harmansz, welche von 1601—1603
eine Seereise nach Jnbien machten, Willem Vsbranbz
Bontekoe, ber 1618—1624 Schiffe itt Jnbien befehligte,
unb Herbert, welcher 1626 nach Jnbien unb Persien
reiste. Alle beruhrten bie mascarenischen Jnseln unb
beschreiben mit groherer ober geringerer Genauigkeit bie
Dronte. Man verbankt Herbert bie ersten guten Nach-
richten uber bas Gefieber, welches mit einent feitten
Flauttt verglichen wird, ber am Leibe gratt, am Kopfe
schwarz gefarbt war ; ein Theil bes letzteren scheint vollig
ttackt gewesen zu sein, bie wenigett ttickenben Schwanz-
beckfebern Hatten einen schwarzgrunen, metallischen Glanz,
inbessen ohne Schonheit. Herbergs Abbilbung (Fig.
1797.) ttberirifft biejenigen seiner Vorganger burchaus
nicht. Es tourbe leicht sein, biese Verweisungen auf
alte Reifebeschreibungen bebeutenb zu vermehren, inbessen
mag es hinreichen, bie wirklich brauchbaren Notizen
mitzutheilen, welche Jacob Bottiius, ber als Arzt 1627
— 1658 in Batavia lebte, gesammelt Hat. Die Dronte
stanb an Grohe zwischen Strauh unb Truthahn, ettt-
fernte stch von beibett Hinsichtlich ber Gestalt, glich burch
Gefieber bem ersterett, war aber unter ben Strauhvogeln,