Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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Wadvogel.
V o g e l.
247
IV. Sltltanshuhn. (Porphyrio.)
Gattungscharakter: Schnabel kurzer als der
Kops, flarf, dick, Hart, fast eben so hoch als lang, zu-
gespitzt, stark zusammengedruckt; Oberkiefer den untern
umfassend, an der Wurzel in groye Stirnplatte ver-
langert; Nasenlocher runblich. Laufe und Zehen lang,
diese ganz gespalten und ohneHautsaum. Zweite, drille
und vierte Schmingfeder die langsten.
1. Das europaische Sullanshuhu. (Porphyrio hyacinthinus.)
Sig. 1908.
Ob man nach den strengen Regeln allerer Ornitho-
logen berechligt gemesen, die sogenannten Sullanshuhner
von den Teichhuhnern als Gallung zu lrennen, mag
sehr in Zweifel gezogen werden. Wie schon aus dem
GaltungScharakler hervorgeht, ist der Unterschied ein
sehr geringer. Aeuherlich mag derselbe noch am Ersten
sich bemerklich machen in der ungemein schonen, Hell-
blauen, indigoblauen, lheils in das Meergrune uber-
gehenden Farbung, die wohl auch hin und wieder einen
schillernden Glanz annimmt. In demselben Maahe,
wie hinsichrlich des Baues eine erhebliche Verschiedenheit
nicht statifindet, so sind auch Lebensarl und Silten in
beiden Galtungen dieselben. Die SultanShuhner be-
wohnen sehr entgegengesetzte Erdgegenden und sind fiber
die Welttheile in ziemlich gleichen Zahlenverhaltnissen
vertheilt, gehoren aber durchschnittlich doch mehr den
warmen Lanbern an. Sie neigen sich vorzugsweiS zur
pflanzlichen Nahrung, fressen besonders gern die Saamen
von Grasern und zumal von Getraidearten und be-
suchen, weil sie Wasserpstanzen viel weniger mogen,
das trockene Land weit haufiger als die Teichhuhner.
Sie besitzen ein vortreffliches Werkzeug zur Zerklei-
nerung Harler Saamenhulsen und zum Umknicken der
fruchltragenden Halme in dem aiiherorbentlich starten,
hohen und Harten Schnabel; ganz gegen die Gewohn-
Heit aller anderen zu derselben Familie gehorenden Vogel
bedienen sie sich zum Ergreifen des Futters ihrer Zehen,
die nicht allein an sich einen hohen Grad von Beweg-
lichkeit, sondern auch Krallen tragen, welche sehr bieg-
sam sind und das Umfassen irgend eines Gegenstandes
sehr befordern mnfsen. In den meisten anderen Be-
ziehungen gleichen die Sullanshuhner vollkommen un-
seren Teichhuhnern; sie fliegen ungern, laufen schnell
und mit geschickter Vermeidung aller Hindernisse, schmim-
men mit wahrhafter Grazie, tauchen und schwimmen
unler der Oberflache mit bewundernswerther Geschick-
li^feit. — Die einzige europaische Art konimt nur in
den sudlichsten und den westlichen Landern unseres Con-
tinents vor. Jhr Vaterland liegt int Ganzen sudlicher
unb degteift eigentlich Nordafrika, die warmsten Ge-
genden des westlichen Asiens, die griechischen Jnseln und,
nach Gould, das nordliche Indien, zumal am Fuhe des
Himalaya. In Sfibtuhland und am kaspischen See
wird sie zwar gefunden, doch nicht in groyer Menge;
auf dem Festlande Italiens und in Dalmatien konimt
sie nicht vor, felten in Sardinien, aber ziemlich Haufig
in Sicilien, zumal, wie Cantraine verstchert, in der
Gegend von Lentini, wo sie gezahmt gehalten wird.
Vermuthlich war es diefe Art, welche die alten Romer
der anheten Schonhcit megen in ihren Tempeln Hielten,
und von der Plinius erzahlt, sie hade die Gewohnheit,
ihr Futter in Wasser einzuweichen und es mit dem
Fuhe, „gleichsam wie mit einer Hanb", zum Schnabel
zu fuhren. Mit dem Farbeglanzc und der Hubschen
Gestalt verbindet dieses Sultanshuhn keinesweges einen
hoheren Grad von Jntelligenz, sondern mag geradezu
dumm Heihen; man sagt, dah es, in vie Enge getrieben,
alle Versuche der Flucht aufgebe, den Kopf in den
Schlamm versenke und sich mit der Hand ergreifen laffe.
Das Nest besindet fich immer zwischen den Binfen und
dem Gerohrige groherer Moraste, bisweilen auch an den
bleibend fiberschwemmten Stellen der Reisfelder und
besteht aus trockenen Resten von Wasserpstanzen. Die
3 —4 ziemlich kugelrunden Eier haben eine reinweihe
Farbe. Der grohere Theil des Gesieders ist dunkel
inbigoblau, ausgenommen Wangen, Kehle, HalSseiten
und Brust, welche schon turkiSblau sind. Die un-
teren Schwanzdecken sind weih, die Flugeldecken noch
dunkler blau als der Mantel, Beine und Zehen fleisch-
roth, die Augensterne lackroth, beide Kiesern hochroth,
Schwing- und Steuerfedern braun. Die Grohe ist
derjenigen eines Haushuhnes ziemlich gleich; die Lange
betragt 14 Zoll; der sehr hohe Schnabel mist 1% Zoll.
V. Spornflilgel. (Parra.)
Gattungscharakter: Schnabel gerav, dunn,
zusammengedruckt; Oberkiefer an der Wurzel platt, gegen
die Spitze verdickt, in eine nackte Stirnplatte oder kainm-
artiges Gebild verlangert; Nasenlocher in der Schnabel-
mitte. Laufe lang , dunn; Zehen sehr lang, ganz ge-
trennt, dunn; Krallen ausnehmend lang, pftiemen-
formig, zumal an der Hinterzehe. Flugelbug Haufig
mit eineiil Sporn bewaffnet; zweite und dritte Schwing-
feder die langsten.
1. Dir amerikauische Spornflugel. (Parra Jassana.) Fig. 1909.
Die Jassana, wie sie in Brastlien heihl, erhalt durch
die im Verhahnisse zur Korpergrohe abenteuerlich langen
Zehen und Krallen ein Hochst eigenthumliches Ansehen,
zugleich aber auch die Fahigkeit, auf der gleichformigen,
aber sehr bunnen Decke schwimmender Wasserpstanzen,
die keinen anderen Sumpsvogel tragen wurde, mit Si-
cherheit Herumzulaufen. Auf irgend festerem Boden
befindet sie sich dafur im Nachtheile, benn fiberall bleibt
sie mit den Ffihen hangen ; sie verbringt daher ihr ganzes
Leben auf ruhigen, dicht uberwachsenen Teichen, wo sie
ihre Nahrung finvet und sich fortpstanzt. Obgleich
sie leidlich schnell fliegt, zieht sie doch laufende Bewe-
gung jeder anderen vor und wird daher niemals auf
Baume fich niederlassen. Wo fie Verfolgungen nicht
erfahrl oder durch die Unzuganglichkeit ihres Aufent-
Halts sich geschutzl fuhlt, verralh sie durchaus keine
Scheu, sondern rennt nahe am Beobachter voruber mit
derselben Sicherheit, als ob sie auf festem Lande sich
befanve. Ihre Bewegungen sinv ohne Ausnahme behend
und zierlich, geschehen mit vieler Lebhaftigkeit und zen-
gen von Lebensmuth und Heiterer Laune. Sie liebt
Gesetligkeit und bietet daher einen angenehmen Anblick,
wo fie, mit vielen Genoffen verbunden, Jnsecten fangend,
oder in gegenseitiger Neckerei sich verfolgend, auf weiten
Wasserflachen Herumeilt. Dem Jager kann sie indeffen
lastig werden, benn bei ihrer Wachsatiikeit entbeckt fie
leicht ben herbeischleichenben, stattert unter scharfklin-
genbern Schrei empor und dringt Enten und andere
Wasservogel, welche solche Warnung genau fennen, in
allgemeinen Aufruhr. Mit diesen lebt fie sehr ver-
traglich und erweist fich uberhaupt als Harmloses Ge-
schopf, welches aber Gefangenschaft nicht aushalt und
in ihr schwerlich mit angemeffener Nahrung zu versorgen
sein wurde, indem fie nur Wasserinsecten, Waffer-
schnecken und Wurmer frigt Sie nistet zwischen Ufet-
pstanzen an ties morastigen Stellen, bauet kein eigent-
liches Nest nnd legt 4—6 grunliche, brannpnnktirte
Eier. Ihre Berbreitnng begreift das ganze tropische
nnd sogar einen Theil des auhertropischen Amerika,
jedoch nicht die hoheren nnd knhleren Provinzen; man
findet sie von Florida nnd Cuba bis Paraguay und vom
ostlichen Fuhe der Andes bis an das atlantische Meer. Im
Korperban erscheint sie leichter und zierlicher als unser
Teichhuhn, dessen Grbhe sie ubrigens nicht erreicht, Hat
rostrothen Mantel und Flugeldecken, tiesschwarzeu Kopf,
Hals, Brust und Borderrucken, auf der Stirn und an
ben Schnabelwinkeln eine hochrothe, lappige Hant von
lederartiger Hatte, am Flugelbuge grohe, scharse, hell-
gelbe Spornen; bie vorberen Schwingfevern finb Hell-
grun. Die Lange betragt 9 Zoll.
2. Der afrikanische Spornflugel. (Parra africana.) Fig. 1910.
Auher ber eben beschriebenen amerikamschen Art
kennt man noch einige anbere in China, Jnbien, Java
unb Afrika heimische. Die hier abgebilbete bewohnt
Abysstnien, Mozambique, bas Vorgebirge ber guten
Hossnung unb bie Guineakuste; sie ist obenher bunkel
zimmetfarben, an bem Vorberhalse weih , ber Brust rost-
gelb, bem Hinterhalfe schwarz. Der Scheitel ist unbe-
fiebert, bie Flugelspornen bleiben klein unb stumpf.
VI. Wasserhuhn. (Fulica.)
Gattungscharakter: Schnabel kurzer als ber
Kopf, gerab, mehr hoch als breit; Oberkiefer stnmpf-
spitzig, auf ber Spitze zngerunbet, an ber Wurzel in
eine grohe Stirnplatte verlangert; Nasenlocher seitlich,
spaltforinig, burchgehenb. Beine nach hinten geruckt;
Laufe zusammengebruckt; Vorberzehen mit lappig ein-
geschnittener ^chmimmhaut; Hinterzehe mit ber Spitze
auftretenb, mit einfachem Schwimmlappen. Flugel
mittelgroh; zweite unb britte Schwingfeber bie langsten.
1. Das schwarze Wasserhuhn. (Fulica atra.) Fig. 1911.
Die Gattung ber Wasserhuhner besteht aus wenigen,
uber fehr verschiebene Erbgegenben verbreiteten Arten
unb nininit im Systeme eine etwas zweifelhafte Stellung
ein; sie ist balb zu ben Wabern, balb zu ben Schwimm-
vogeln gezogen worben. Europa besttzt nur eine unb
zwar bie abgebilbete Art, inbessen nicht ausschliehlich.
Unser schwarzeS Wasserhuhn ist eben auch in einem sehr
groyen Theile von Asien unb Afrika gefunben worben,
barf aber mit einem fehr ahnlichen, zwischen ben Wen-
bekreisen unb sfiblicher lebenben nicht verwechselt Werben,
welches man erst in neuerer Zeit unterscheiben gelernt
Hat. Eigentlich einheimisch in gemahigten Himmels-
strichen, besucht es ben Norben nur als Zugvogel, ber
seine Ankunft nach bem Zustanbe ber Witterung ein-
richtet, babei aber im Ganzen immer zu ben zuerst ein-
treffenben gehort unb nur burch vollkommenes Zusrieren
ber Gewasser zum Weggange gebracht werben kann. In
Italien gehort bas Wasserhuhn zu ben Stanbvogeln,
unb seldst Englanb verlaht eS nicht jeben Winter, son-
bern begiebt fich von ben gefrorenen Teichen beå Jnneren
nach ben Kustensfimpfen unb ben Fluhmfinbungen. Ganz
offene Seen liebt es so wenig als breite Flfiffe, sonbern
wahlt stets im Borzuge grohe unb tiefe, aber am Rande
von bichtem Schilf unb Rohr eingeschlosfene Weiher.
Auf Morasten, wo nur stellenweis Heine Wafferbecken
sich dilden, bie sehr untein unb mit Meerlinsen fiber-
zogen sinb, mitb es nicht heimisch, inbem es reine, theil-
weiS mit grohen, schmiinmenben Pstanzen bebeckte Ge-
wasser verlangt. An solchen Orten sfihrt es bann ein
stilles unb harmloses Leben, schwimmt fast immer Herum,
geht felten auf bas feste Lanb unb legt keine irgenb
grohere Entfernung laufenb zurfick. Auch stiegt es
ungern unb entzieht fich ber Verfolgung burch Berber-
gung zwischen bem Rohr unb anberen Uferpflanzen ober
burch sehr geschicktes unb oft wieberholtes Tauchen.
Sein Flug ist schwerfallig unb anstrengenb, unb bem
Aufftiegen geht stets ein langer, auf bem Wasserspiegel
genommener Anlauf voraus.; am Ziele angekommen,
fallt es gewichtig unb platschernb mieber auf bas Wasser.
Es liebt fibrigens bie Gesetligkeit unb veruneinigt fich
roeber mit ben Gattungsvermanbten noch mit anberen
Schmimnivogeln, ausgenommen in ber Begattungszeit.
Eigentlich scheu ist es nicht, wohl aber aufmerksam unb
vorficktig; ivo es nicht gestort mirb, auhert es Zutrauen
unb laht Menschen nahe Herankommen. Den Fisch-
teichen thut es keinen Schaben, wie man ehebem wohl
gemeini Hat, benn eS ftiyt Wfirmet, Wafferschnecken
und Jnsecteiilarveii, bie es burch geschicktes Tauchen
seldst aus groherer Tiefe zu holen versteht; auherbem
genieht es aber auch Saamen und junge Blatter von
niancherlei Wasserpstanzen. Sowohl sein Lockton als
seine gewohnlichen Laute sinb kurz, scharf unb nicht
wohlklingenb; ber erstere ist mit bem Bellen eines jungen
Huiibes verglichen worben. Die Paaruiig erfolgt im
Marz nach lebhaften, aber unblutigen Kampfen ber
Mannchen. Wie bei ben anberen Bogeln bieser Familie
wird auch hier im Nestbaue keine Kunst unb kaurn ge-