Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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Raubvogel.
Vogel.
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afrikanischen Reisenden Gegenstand besonderer Ansmerk-
samkeit gewesen und daher an vielen Orien und meh-
rentheils mit Uebereinstimmung beschrieben worden; auch
die neuesten von A. Smith mitgetheilien lliachrichten
dermehren die vorhandene Kenntnih nicht bedeutend und
liesern im Ganzeit nur Bestatigung des langer Bekann-
len. In Surafrika ist dieser Vogel nicht gesellig, sondern
tvird nur paarweis angetrosscn. Er bauet ein plattes,
einfacheS Nest auf hohen Baumen, welches, mit Wolle
ausgefnttert, zwei bis drei Eier von der Grohe der
Ganseeier enihalt; sie sind auf vollig weihem Grunde
sein rothpunktirt. Die Jungen werden ipat reis, weil die
ungemein langen Beine nicht Krast genug besitzen, den
schweren Korper zu tragen; selbst im funften Monate
Vermogen sie nicht anders als auf zissannnengeknickten
Laufen sich langsam und unbeholfen fortzuschleppen.
Erst nach dem siebenten Monate erlangen sie Gewalt
uber ihre Glieder. Der vollig erwachsene Vogel bewegt
sich auf sonderbar steife, an den Stelzengang der Men-
schen erinnernde Weise, lauft aber trotz dem mit vieler
Schnelle und kann selbst dann, wenn er durch einen
Schuh flugellahm geivorden, nur schwer von einein un-
berittenen Jager eingeholt »verven. Sein ding isi nicht
entsernt mit demsenigen eines anf die Lufte angewiesenen
Raubvogels zu vergleichen; er scheint sogar Laufen vor-
zuziehen und siiegt nicmals weit noch in bedeutender
Hohe uber dem Boden. Uebrigens ist er inihtrauifch
und auf den weiten, offenen Ebenen seines VaterlandeS
schtver zu beschleichen. Man Hat nach dem allgemeinen
Frieden von 1815 versucht, ihn nach Martinique zu ver-
pstanzen, wo eine sehr gesurchtete, nirgends weiter vor-
kommende Gistschlange (Trigonocephalus lanceolatus)
die Walder sehr unsicher macht. Db er sich dort fortge-
pstanzt und zur Verminderung jener Schlange beige-
tragen, ist nicht bekannl geworden.
Die allgemeine Farbung des Stelzenadlerd ist blau-
grau, an Bauch und Kehle Weih, die Schwingfedern
erster und zweiter Reihe sind schwarz, eben so diejenigen
des Schopfes und der Schenkel. Die zwei »nittleren,
grauen Sleuerfedern haben vor der weihen Spitze eine
schwarze Binde, die ubrigen Sleuerfedern sind mit Aus-
nahine des weihen Endsaumes ganz ;chwarz, der nackte
Augenkreis ist roth, Beine und Wachshaut orangengelb.
Die Statur ist schlank, obgleich der Korper, groser und
schwerer als derjenige eines Krannichs, dem eines Trut-
hahnes wenig nachgeben durfte. Die Lange betragt von
de>n Schnabel bis zur Schwanzspitze gegen 3 Fuh. Der
englische Zoolog Ogilby hat in ncueren Zeiten (1835)
austnerksam gemacht auf die ungewohnlich weite Ver-
breitung dieses Vogels, der nicht allein in Afrika vom
Senegal bis zuin Cap der guten Hoffnuug uberall ange-
troffen wird, sondern auch, wie auS Sonnerat's Reise
hervorgeht, anf den philippinischen Jnseln vorkommt.
Aller Wahrscheinlichkeit nach liegen daher, wenn auch
nicht drei, doch zwei verschiedene Arten tinter einein
Nanten verborgen, indent es beichiellos »vare, wenn die-
selbe Art, weite Landerstrecken uberspringend, an ent-
gegengesetzten Enden derselben Halbkugel gesunden wurde.
Die von Ogilby angesuhrten Kennzeichen bestehen indesr
sen nur in der verschiedenen Bildung der Schopfsedern;
da diese als sehr unwesenlliche Theile des Korpers ange-
sehen »verden mussen, so dars man also auch auf sie allein
sich nicht stutzen, wo Trennungen vorzunehmen und
Artenbegriffe festzusetzen sind. Wahrscheinlich wird man
bei genauerer Kenntnih der fraglichen Thiere andere und
bessere Charaktere der Arten entdecken.
Zweite Familie.
Cdelfalken.
Die kuhnsten und listigsten aller Raubvogel sind, mit
Wenigen Ausnahmen, die Edelfalken. Bei allen ent-
spricht der Bau vorzugsweis den Bedingungen, von
welchen der kraftigste und geschickteste Flug Hervorge-
bracht wird; sie verfolgen daher nicht allein ihre Beute
in gerader Richtung mit grbsiter Schnelligkeit, sondern
vermogen auch uber jeden Vogel hinaufzusteigen und,
indent sie sich von oben mit der unwiderstehlichsten Ge-
walt Herabsturzen, »Hit auf den Boden niederzuwerfen.
Niemals vergreifen sie sich an verfaulten Ueberresten,
nahreit sich nur von lebend erhaschten Thieren, jagen
besonders gern Vogel, theils auch kleine Saugethiere,
felten Jnsecten, ziehen offene Gegenden zum Wohnorte
vor und kommen nur paarweis, nie in Gesellschaften vor.
Unterscheidbar ist die Familie durch starken, kurzen, zu
einein Haken schroff ubergebogenen Schnabel, mit einein
schars ausgeschnittenen Zahne versehenen Oberkieferrand,
entsprechende Ausrandung des Unterkiesers, runde Nasen-
locher, kurze Lause, lange, an der Unterseite scharswar-
zige Zehen, sehr krumme, scharfe und spitzige Krallen,
lange und schmale Flugel, an welchen die erste Schwinge
mit der dritten gleichlang, die zweite vie langste ist. Die
Umrisse des Korpers sind zierlich, zeugeit aber von Starke
und Gcdrungenheit der Muskulatur und des ganzen
Baues, das Gesieder ist dicht und von Harter Tertur.
Das Auge erregt Bewunderung durch seinen Glanz und
das Durchdringende des ernsten, unverwandten Blickes.
Die Starke und Grohe der Flugmuskeln wird durch die
Breite des Brustbeines (Fig. 1221.) angedeutet, auf
deffen stark gcwolbteni, am unteren Winkel statt des Atts-
schnittes mit engem Loche versehenen Seitentheile (a)
der Kamin oder Kiel (b) hoch hervorsteht, wahrend der
Apparat der Schulterknochen (c Schluffelbein, d Raben-
schnabelbein, e Theil des Schulterblattes) ganz geeignet
ist, die heftigsten Bewegungen der Flugmuskeln zu unter-
stutzen. Die geographische Verbreitung der Familie reicht
sehr weit und begreift sowohl tropische als sehr kalte
Lander. Der Naine Edelfalke entstand aus der uralten
Anwendung von tnehreren dieser Gruppe angehorenden
Arten zur Verfolgung anderer Vogel oder zu der soge-
nannten Baitze. Da andere Raubvogel weder eben so
zahmbar waren, noch gleiche Lust an der Jagd zu Tage
legten, glaubten die Jager jener Gruppe besondere Eigen-
schaften, die sie durch den Nanten andeuteten, zuschreiben
zu durfen.
XIII. Edelfalk. (Falco.)
Gattungscharakter deinjenigem der Familie
gleich.
1. Der Wanderfalk oder Taub-nfalk. (Falco peregriuus.)
Sig. 1219—1223.
Der Wanderfalk wird in ganz Europa, im nordlichen
Asien, Afrika und Amerika angetroffen. In Deutschland
gehort er zu den eigentlich einheimischen Vogeln, indent
er auch im Winter uberall herumziehend, wenn auch
nicht in grohen Zahlen, vorkommt. Gleich den ubrigen
Edelfalken Halt er sich am Liebsten auf offenen Triften
und Feldern aus und bewohnt nur in der Paarungszeit
die Walder. In Schottland und Wales, wo er sehr ge-
ntein ist, nistet er auf hohen, schroffen Felswanden, und
in Irland beivohnt er besonders Antrint, ivo ihm die
langen Reihen hoher Basaltsaulen ahnliche unzugang-
liche Wohnorte darbieten. Wie wenig er das Gerausch
groher Stadte und die Nahe einer sich drangenden Be-
volkerung scheue, geht am Ueberzeugendsten aus der
Thatsache hervor, dah nicht selten ein oder zwei Paare
auf der St. Paulskirche und der Westminster-Abtei sich
ansiedeln und uitter den zahmeit Tauben der Nachbar-
schaft grohe Verheerungen anrichten, ja sogar in der
Mitte lebhafter Platze auf jene herabstohen. Richardson
sah in den bewaldeten, mit den Niederlasfungen der
Pelzjager besetzten Gegenden des nordlichsten Amerika
selten einen Wanderfalken, aber er traf ihn um so Han-
siger in deit bauntlosen und unfruchtbarcn Einoden, den
sogenannten „barren grounds" des Nordwestens. Ed-
»vards bildete Eremplare ab, die am Strande der Hud-
sonsvay geschossen wordett, und Parry brachte mehrere
von Melvill 's Halbinsel. Er scheint dort ein entschie-
denerer Zugvogel zu sein als in Europa, wandert int
Fruhjahre bis an die Eismeerkuste, f6mmt im Juni an
und zieht im September nach Suden zuruck. Eisenten
mordet er in grohen Zahlen, indent diest mit ihm dieselbe
Wanderzeit haben und im Hochsten Norden bruten. Parry
sah ihn wahrend feiner zweiten Reise an der Kuste Gron-
lands Fluge von Schneeammern lebhaft verfolgen. In
Neujersey und Pennsylvanien haffen ihn die JSger
nicht wenig, wegen des Schadens, den er uberwinternd
dem Wassergeflugel zitfiigt. Ord erzahlt, dah die von
ihm im Stohe getroffenen Vogel vom Hals bis uber die
Brust hin zerriffen sind, und dah ein einziger int Vor-
uberstiegen ertheilter Schnabelhieb diest gewaltige Wunde
hervorbringe. Nach King koinint er auch an der Magal-
haensstrahe vor, tind in den letzten Jahren hat man in
England Balge eines Falken aus Neusudwales erhalten,
der sich vom Wanderfalken durchaus nicht unterscheidet.
Er titnh Mittel- und Nordasien zahlreich bewohnen,
denn seit den altesten Zeiten sindet man ihn zur Jagd
abgerichtet int Besttze der Perser und anderer Volker,
tinter welchen, vielleicht irrig, auch die auf weiten Step-
pen jagenden Kirgisen und Baschkiren von einigen Rei-
senden genannt werden.
ES giebt vielleicht keinen Vogel, bei welchem Korper-
grohe und Starke zu dem Muthe und der Kuhnheit in
so ungleichein Verhalinisse stehen wie bei dem Wander-
falken. Er unternimmt nie den Angriff von der Seite
Her, versucht nicht durch List oder Gewandtheit allein sich
eines anderen Vogels zu bemachtigen, wie Habichte in
der Regel thun, sondern er stoht senkrecht herab, zerreiht
und friht die Beute aus der Stelle, wenn sie klein ist,
oder tragt die grohere nach einent hohen und sicheren
Orte. Anf einent Steine oder einein Hugel, selten auf
einent niederen Banmzweige sitzend, beobachtet er das
Gefild und solgt int schnellsten, vom Boden wenig erha-
benen Fluge den in groher Ferne entdeckten Rebhuhnern,
die verloren sind, sobald sie aus Furcht zu fliegen begin-
nen, bisweilen aber dadurch entkommen, dah sie beharr-
lich laufen und hohes Gras zu gewiilnen suchen, intern
der Wanderfalk nur fliegend, niemals laufend jagt, wie
Buffard und Habicht. Birkhahne, Fasane, Tauben,
Brachvogel und Lerchen sind diesen Angriffen nicht min-
der ausgesetzt, Enten entgehen ihnen durch schnelleS Un-
tertaucheit, sobald sie den Feind bemerken. Wo dieses
bessere Wild fehlt, nimmt der Wanderfalk auch mit
Krahen vorlieb, beunruhigt aber niemals Saugethiere
und wurde eher den anhersten Hunger erleiden, als irgend
etwas Todtes oder gar in Faulnih Uebergegangenes be-
ruhren. Seine Kuhnheit erreicht bisweilen einen faunt
glaublichen Grad. Thompson erzahlt in seinen Beitra-
gen zur Zoologie Irlands einen merkwnrdigen Fall.
Eine Mente der besteit Hunde storte ein paar Wander-
falken, die sich eben mit dem Zerfleischen erlegter schotti-
scher Schneehuhner beschaftigten. Der eigentlich nicht
auf die Jagd gezogene und daher unbewaffnete Jager be-
machtigte sich der letzteren, wurde aber von den Hoch-
schwebenden Falken verfolgt, die, um sich zu entschadigen,
blitzschnell herabschoffen, als vor den Hunden ein anderes
Volk Schneehuhner ausging, und in wenigen Augen-
blicken nicht nur drei oder vier von ihnen vor den Augen
des nahen Jagers niederstieheit, sondern auch mit den
gepackten davonflogen. Ueberhaupt hat man dort ost
bemerkt, dah dieser Raubvogel die Bedentung eines
Jagdzuges recht gut kennt, den Hunden in grohter Nahe
solgt, die aufgeschreckten Rebhuhner und Schneehuhner
ergreift und, sich stets auher Schuhweite Haltend, des
Jagers spottet. Er laht sich sogar durch entfernte
Schusse und Geschrei nicht schrecken und setzt seine Ver-
suche des Ranbes unermudlich sort, obgleich ihm manche
mihlingen ntogen. Montagu schatzt seine Schnelligkeit
wahrend der Verfolgung einer Bente zu 150 engl. Mei-
len in einer Stunde Zeit, und ein Obrist Thornton, der
als Wiederbeleber der in Vergeffenheit gerathenen Fal-
kenjagd in England eine gewisse Beruhmtheit genoh und