Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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o g c l.
Erste Vrbnung.
langlich oval. Lause Hoch und dunn, glalt geschilbet;
Zehen sehr ungleich.
1. Der geincine Sperber. (Accipiter fringillarius.) Fig. 1235 — 1237.
Streng genommen isi der Unterschied zwischen Habich-
ten und Sperbern so gering, bah die Trennung in Gat-
tungen kauur rathsam scheint. Wic man auch die aster-
dings zahlreichen Arten vergleichen moge, so wird man
immer finden, dah die Verschiebenheit mehr in Tracht
und Grohe und vorzuglich in der relativen Lange und
Dunne der Fuhe liege, als in irgend einem anderen
uberast toieberholten Kennzeichen. Datz man auf so
schwankende Begriffe Ruckficht genommen, um Errich-
tung neuer Gattungen zu rechtsertigen, beweist deutlich,
dafi der Zustand der systematischen Ornithologie, tvie
schon in der Einleitung erwahnt ward, in unseren Zeiten
nichts tveniger als genugend und den alteren und stren-
gen Gesetzen entsprechend sei. Der gemeine Sperber ist,
abgesehen von den verhaltnihmahig hoheren und weit
dunneren Ffihen, eben nur eine Wiederholung des Hfih-
nerhabichts ini verkleinerten Maahstabe. Das erwachsene
Mannchen mifit 12 — 13 Zoll in der Lange und klaftert
gegen 25 Zoll, ist oben schiefergrau, an der Kehle Weifi,
an den Wangen und Halsseiten rostroth, an der Brust
und dem Bauche auf reinweitzem Grunde mil schmalen,
toestenformigen Querstreifen gebanderl. Der aschgraue
Schwanz tragt funs braune Querbinben nnd weihen
Endsaum. Die Fuse und Wachshaut sind gelb, die
Iris ist orangengelb, der kurze, Hornfarbige Schnabel
zeigt in der Mitte des Kieferrandes einen stumpfen Zahn.
Die Weibchen ubertreffen die Mannchen nicht nnr durch
eine um 3 Zoll grohere Lange, sondern auch durch Muth
und Starte, sind oben weniger blaugrau, sondern mehr
braun, iinten nicht reintveih und mit schwarzgranen
Querbinden gezeichnet. Die Jungen sehen so fremdartig
aus, dafi man ste irrig fur Vogel einer besonderen Art
gehalten hat. Jhr ganzes Gefieder ist mehr oder minder
braun, zumal anf dem Rucken, Hinterhalse und Kopfe,
die Unrerseite bleich rostgelb und mit braunrothen, pfeil-
formigen Langsffecken gezeichnet. Nach der zweiten
Mauser erscheint einiges Weifi am Hinterkopfe und an den
Schulterfebern; die braunen Federn ves Ruckens und die
Deckfedern der Flfigel sind dann gelblich eingefafit; an
der noch immer rostgelben Unterseite treten die charakre-
ristischen Querbinden der Gattung deutlicher Hervor,
und auf dem graubraunen Schwanze stehen sechs breile,
braune Bander. — Der gemeine Sperber findet sich fast
in allen Weltgegenden; Kampfer traf ihn in Japan,
Poirel in der Berberei, nenere russtsche Reisende in ganz
Nordasien. Der von Azara in Paraguay entveckte stesit
indefsen eine besondere, wenngleich ahnliche Art dar.
In Deutschland ist er asier Orten als Strichvogel be-
tannt, der gerade nicht Einoben betvohnt, sondern ziem-
lich zutraulich bis an die Dorfer Herankonunt und allen
kleinen Bogeln, vorzuglich aber den Sperlingen, nach«
stesit. Mildere Winter verbringt er in Europa, asiein
bisweilen wandert er auch ohne deutliche Ursache und
verlaht ofters das warme Sndfrankreich, um nach
Nordafrika zu ziehen. Wahrend der Reise uber das
Mittelmeer fastt er nicht felten fiber die gleichzeitig Wan-
dernden kleinen Singvogel Her und geht daher bei fran-
zhsischen Seeleuten unter dem Namen des Corsaren.
Nach Naumann's Beobachtungen sind die Mannchen
scheuer nnd feiger und an Zahl stets geringer als die
Weibchen, die bei Verfolgung kleiner Bogel so leiden-
schastlich zu Werke gehen, dafi sie ihre eigene Sicherheit
nicht selten gefahrben. An Muth fehlt es zumal den
letzteren nicht, und sie tourben zn den zerstorendsten
Raubvbgeln Deutschlands zu rechnen sein, besatzen sie
der Mordlust angemeffene Krafte. Die Paarnngszeit
sfistt auf den Monat April, und das geschlechtliche Ver-
Haltnih ist, toie bei anderen Raubvogeln, ein streng mo-
nogamisches. Viele Mannchen gelangen toegen des sehr
ungleichen Zahlenverhfiltniffes der Geschlechter nicht zur
Paarung. Das auf Waldbaumen angelegte Nest verhalt
sich wie bei anderen Raubvogeln. Das vom Mannchen
mit reichlicher Nahrung versehene Weibchen bebrfitet
drei Wochen lang seine 3—6 toeitzlich-grfinen, rostbraun
gesteckten Eier. Auch der Sperber ist ehedem von den
Faleonieren zur Baitze auf Wachteln und Rebhfihner
abgerichtet toorden, stand aber nie in sehr hohem Preise,
weil er vermoge seiner Gier und Leidenschastlichkeit leich-
ter einzufangen toar als irgend ein anderer Falke. Belon
toar im 16. Jahrhunderte in der Gegend der Dardanesien
Zeuge, toie ein Vogelstesier innerhalb einer Stunde ein
Dutzend Sperber durch kleine Vogel berfickte, die er an
Faden gebunden unter einem Zugnetze herumflattern lietz,
und die Vogelfanger unserer Zeit fangen durch gleiche
Kunst den Sperber ohne viele Mfihe in Raubvogelfasien.
2. Der Singsperber. (Accipiter musicus.) Fig. 1238.
Levaisiant betrachtet den von ihm entveckten und be-
nannten Singsperber neben einem afrikanischen Adler
(Haliaetus vocifer) als vor asien Raubvogeln ausge-
zeichnet durch den Besitz einer melodischen Stinime. Aus
der eigenen Beschreibung dieses Reisenden geht indessen
Hervor, dah in diesem Fasie an einen eigentlich mobulir-
ten Gesang eben so wemg als bei vertoandten Bogeln
zu benten sei, unb bafi bie Laute bes Singfalken eben
nur lange Zeil ausgehaltene unb nicht unangenehme,
sicherlich aber benjenigen einer Nachtigal nicht vergleich-
bare sinb. Das Mannchen soll im Frfihjahre in ber Nahe
bes brfitenben Weibchens auf einem Baume Platz neh-
men unb zumal bes Morgens ganze Stunben Hinburch
seine besonberen Tone Horen lafsen, bes Abenbs toieber
beginuen, bismeilen bes Nachts fortfahren unb wahrenb
bes Singens seine sonstige Borsicht ganz vergefsen unb
toeber ben Jager noch irgenb eine anbere Gefahr bemer-
ken. Das eheliche Berhaltnitz ber Paare soll ein unge-
inein zarlliches sein, bie fibrige Lebenstoeise Hingegen,
vorzfiglich bei Verfolgung von Kaninchen, Wachteln,
Rebhfihnern unb asierlei kleinen Saugethieren, vollkom-
men nn biejenige asier anberen Raubvogel erinnern. Im
Kafsernlanbe unb auf ben Karro-Ebenen toirb bieser
Sperber fiberasi bemerkt. Die ganze Oberseite unb Brust
ist perlgrau, eltons buntier auf bem Scheitel, ben Wan-
gen unb bem Borderrficken; fiber ben Unterrucken unb
ben toeitzlichen Bauch verlaufen feine braune Ouerstrei-
fen. Die Schtoingfebern unD bie bebeutenb verlangerlen
mittleren Steuerfebern sinb schivarz, bie letzleren an ber
Spitze toeitz eingefatzl, Wachshaut, Lfiuse unb Zehen
hell citrongelb. Die Grohe ist berjenigen bes Habichts
gleich. Junge Vogel sinb braun unb rostfarbig geschackt.
Vierte Familie.
Mi1 ane.
Milane sinb keuntlich an bem verhaltnihmahig kleinen
un6 schtoachen, von ver Wurzel an toenig gekrfimmten
Schnabel, ben langen, zugespitzten Kopffebern, bem
toeitgespaltenen Rachen, ben schiefen, am autzeren Raube
mit einem kleinen Wulste umgebenen Nasenlochern, be-
sonbers aber burch ben mehr ober toeniger gabelformigen
Schwanz. Sie haben ubrigenå kurze, am obersten Enbe
leicht befieberte Lfiufe, kurze Zehen, stach gekrfimmte,
nichr grotze Krasien, ztoar lange unb umfangliche, aber
toie bei asien uneblen Raubvogeln beschafsene Flfigel,
an toelchen bie vierte Schtoingfeber bie langste, bie britte
unb ffinfte gleich, bie erste kfirzer ist als bie sechste. Alle
Milane zeichnen sich aus burch schonen, leichten unb
gleichsam schtoimmenben Flug, betoegen sich burch bie
Luft mit toeit ausgebreiteten Flfigeln, inbeni sie grotze
Kreise beschreiben, unb steigen in Spiralen bis in Hohen,
too bas menschliche Auge sie kauni noch erkennt. Unge-
achtet bieser tounberbaren Flugfertigkeit stotzen sie nicht
nach Art ber anberen Falken senkrecht ober schief aus
grotzen Hohen auf ihre Bente herab, sonbern ziehen es
vor, niebrig am Boben ober selbst auf ber Wasserstache
Hinzustreifen, um jebes unvorstchtige kleinere Thier im
Augenblicke mit ben Krallen zu ergreifen unb zu entffih-
reu. So schon sie in ihren Betoegungen auch sinb, so
menig hesitzen sie von ben anberen bezeichnenben Eigen-
schaften ber ebleren Falken; seig unb listig vermeiben sie
jeben Kamps, begnugen sich mit ben zum Wiberstanbe
ganz unfahigen jungen Bogeln, Mausen, Maultofirfen
unb Reptilien unb verschmahen selbst Aas nicht. Auch
sie sinb fiber ben ganzen Erbkreis verbreitet, inbefsen in
anberen Welttheilen zahlreicher als in Europa.
XVI. Milan. (Milvus.)
Gattungscharakler: Schnabel unb Flfigel bem
Familiencharakter entsprechenb. Laufe stark, geschilbet;
bie autzeren beiben Zehen burch kurze Binbehaut vereint.
Schwanz von mittlerer Lange.
1. Ter rothe Milan. (Milvus vulgaris.) Fig. 12
Durch bie Familie ber Raubvogel Herabsteigenb be-
gegnet man immer mehr Gattungen, bie hinsichtlich ber
Sitte, ber Heftigkeit bes Charakrers unb bes Mulhes sich
von bem eigentlichen, in ben grotzen Ablern unb Ebel-
falken am Reinsten bargestellten Naturesi bes burch Ge-
wallpimkeit unb Raub astein sich nahrenben VogelS ent-
fernen. Der im grotzen Theile von Europa sehr wohl
bekannte Milan gleicht jenen Vorbilbern nicht mehr, benn
ungeachtet eines zu bem vortrefflichsten Fluge befahigen-
ben Banes beweist er sich boch trag unb anbauernb Hef-
tigen Bewegungen abgeneigt. Wenn er, scheinbar ohne
ben geringsten Flfigelschlag, stunbeulang in ber Luft
schwebt, um eine Beute zu erspfiren, so geschieht bieses
eben, weil ihm bas Verharren in solcher Stellung nicht
mehr Mfihe macht als bas ruhige Sitzen; nie fieht man
ihn mit ber Schnelligkeit eines anberen Falken Heruin-
jagen unb babei oftmals seine Richtung veranbern. Von
anberen Vogeln wirb er schwebenb leicht wahrgenom-
men, unb in Hfihnerhofen verkfinbigt allgemeine llnruhe
unb Geschrei bie Entbeckung bes hoch oben Herumkreifen-
ben Raubers. Langsam herabsinkenb unb nicht genau
zielenb, verfehlt er ost seine gewarnte Bente, unb baher
erklart es sich leicht, warum er im Sfiben Europa's, mit
ben Geiern bas verfaulte Futter theilenb, angetroffen
wirb. Deutsche unb euglische Ornithologen versichern,
bah er auf Teichen hinstreifenb mit vieler Geschicklichkeit
tobte, obenauf schwimmenbe Fische unb anbere Korper
ergreife, unb bah er siecheu Haasen unb Kaninchen unb
allerlei kleinen Saugethieren nachsteste. Zu bem einmal
mit Erfolge besuchten Hfihnerhofe kehrt er gern zurfick,
unb es gehort strenge Aufmerksamkeit bazu, ihn abzu-
Halten, bauernbe Verfolgung, um ihn aus einer Gegeub
zu vertreiben, bie er sich zum Wohnen ausersehen Hat.
Feig toie er ist, ivagt er boch ben Wanberfalken anzu-
greifen unb ihm seine Beute abzunehmen, scheuet aber
ben Menschen so sehr, bah es bem Jager selten gelingt,
ihn zu beschleichen. In Deutschlanb, Frankreich unb
fiberhaupt im mittleren Europa unb sogar in Nortoegen
ist er gemein genug, toirb aber feltener in Englanb ge-
sehen, obgleich er zu Clusius Zeiten (1560) in „erstaun-
lichen Mengen" Lonbon bejuchte, too er von Abgangen
ber Haushaltungen unb anberen auf bie Strahen getovr-
fenen schmutzigen Resten sich nahrte. Auch in Asien unb
auf ber Nordkfiste von Afrika ist er haufig angetroffen
toorben, unterscheibet sich aber nirgenbs in fein en Sitten,
bie Buffon ettoas zu lebhaft als Ausbruck ber Vertoor-
fenheit unb niebrigsten Feigheit schilberte, von feinen
europaischen Vertoandten. Im Norden erscheint er im
ersten Frfihjahre als Zugvogel und entfernt sich toieber
zu Anfange bes Herbstes, wanbert aber nicht toie anbere
Raubvogel einzeln, sonbern in Gesellschaften, bie oft bis
einhundert Stfick zahlen sotlen. Er paart sich nur in
Walbern unb wahlt fur bas fchlecht gebauete Nest bie
hochsten Baume. Das Weibchen brutet auf ben weitz-
lichen, rothlich gesteckten Eiern brei Wochen unb toirb,
toie getoohnlich, vom Mannchen mit Nahrung versorgt.