Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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Våget.
Smelte Vrdnuiig.
Elil zweiter, nichl minder beruhmter und in vielen
Beziehnngett tioch inehr interessenter Wohnort der Gua-
charos ist die Schlucht von Zcononzo in Neugranada,
welche in der Richtung von Ost nach West eineii au6
Sandstein bestehenden Gebirgszug durchbricht, gegen
fine Wcgstunde lang, 30 — 40 Fust brcit und 260 — 300
Fust tief, von einent wilden Strome durchtost und nicht
vollig zuganglich, eines jeiicr erstaunlichen Staturwunder
darbietet, an welchen die Cordillera der Andes so reich
sind. Dieser gewaltige Spalt hat ein sehr hohes Alter
und entstand zu sener Zeit einer allgemkinen Umwal-
zung, welche die Erdrinde der neuen Welt crhob und
zertrummerte. Ungeheure, vom Rande der Felswand
Hinabgesturzte Massen haben an vier sich nahe liegenden
Orten Brucken uber den Abgrund gebildet, von welchen
eine der Landstrahe zum Uebergange dient. Aus der
grausenhasten Tiefe ertont das Gerausch des mit un-
widerstehlicher Gewalt hinschiehenden Gebirgsstromes.
Nur erst dann, wenn das Auge sich dem Dunkel der
unteren Raume angepastt hat, erkennt man durch seine
Schaumstreifen den Strom und die Tausende von Vo-
gelii, die, als die einzigen, aber auch die angemessensten
Bewohner dieses eben so grostartigen als Grauen erre-
gendeii Ortes, mit lautem Gekreisch uber das Wasser Hin-
streichen. Niemals kommen sie heraus, wo der Sonnen-
strahl sie beleuchten und die Erkennung ihrer Gestalt
moglich inachen Wurde, sondern sie schweben und ver-
schwinden in dem kalten Dunkel der Tiese wie Gespenster
und gestatten dem Forscher mir Vermuthungen uber ihre
Natur. Was Humboldt nicht gelungen war, erreichte
1843 der glucklichere franzofische Diplomat Gros, der
langer in Colombien lebte. Er begab sich nach der
Schlucht von Jcononzo, wohnte einige Wochen in der
Nahe, liest an von Jndiern gehaltenen Seilen mit vie-
lem Muthe sich tief Hinab und landete endlich aus cinem
schmalen Vorsprunge. Alsbald ward er von einer Uti-
zahl sener Nachtvogel gleichsam angesallen, die unter
grahlichem Geschrei ini Voruberfliegen ihn mit den
Flugelspitzen beruhrten und von den in der Nahe be-
findlichen Nestern zuruckzuscheuchen suchten. Mas von
oben unmoglich gewescn Ware, gelang ihm, indeni er in
weniger als einer Stunde 39 sener Vogel im Fluge
schoh. Jndeffen blieb die Hoffnung unerfullt, einige der
getodteten zu erlangen ; die am Ausgang der Schlucht
aufgestellten Jndier suchten sie umsonst in den Messen
des Stromes. Ein Jahr spater ward an derselben Stelle
ties iinten ein Netz gespaunt, um die Herabsallenden Vo-
gel aufzufangen, undso erhielt der unermudliche Forscher
endlich einige Eremplare',in welchen der Humboldtische
Guacharo erkannt ward. An Grohe gleicht dieser einer
Taube, assein Flugel und Schwanz sind im Verhaltnifse
zum Korper viel langer, eine Bildung, welche den ra-
schen, leichten und nur felten unterbrochenen Flug erklart.
Sein Kops ist platt und gueruber ziemlich breit, indessen
nicht eulenartig, der Schnabel sehr breit, das Auge grost
und halbkugelich und durch ein derbes oberes Augenlid
geschutzt, aus welchem kleine, rothliche, in Borsten aus-
gehende Federchen stehen. Bei vossiger Erweiterung der
Pupille gleicht das Auge einer Halbkugel von blaulich
schwarzem Glase, in welche man tief hineinsehen kann.
Die kurzen und wegen ihrer Nacktheit widerlich erschei-
nenden Futze tonnen dem Vogel zum Gange nicht die-
nen, vermitteln aber das Anklammern an die Uneben-
Heiten der Felswande, indem die Hintere Zehe so weit
nach innen sich wendet, dah sie mit den ubrigen einen
rechten Winkel bildet, und alle mit Hakenformigen Kral-
len versehen sind. Aus der kurzen Sohle steht eine
Schwiele, welche das Hasten des Fustes erleichtern muh.
Das seidenartig weiche Gesieder ist rothlichbraun oder
chocoladenfarbig, auf dem Rucken dnnkler, an der Bauch-
seite heller und in Grau ziehend. Humboldt Hielt es,
getauscht durch Lichtreflere und die Entfernung, fur blau-
lichgrau. Die Flugeldeckfedern tragen auf der Mitte
einen Herzformigen oder verschoben viereckigen Weisten,
schwarz eingefastlen Flecken; ahnliche, aber kleinere Flecke
stehen auch auf dem Kopfe und dem auheren Rande der
Schwing- und Steuerfedern. Im Fluge wird der
Schwanz zum Facher regelmahig ausgebreitct. Nicht
assein um die Eingeweide liegt eine dichte Fettschicht,
sondern auch unter der Haut breitet eine solche sich aus,
die 5linial bei jungen Vogeln so diinnflnsstg ist, dah fe-
der Versuch des Abbalgens mistliiigt, weil Oel nach dem
ersteii Einschnitte herabtropft. Die Alten besitzen eine
heisere, krachzende, aber dennoch starke inid weithin Hor-
bare Stimme; wo viele sich vereinigen, ubertonen sie
sogar den menschlichen Ruf. Das Geschrei hat so viel
Eigenthnmliches und Widerliches, dah es auch in freund-
licheren llmgebungen Grauen erregen muhtc. Dah die
Guacharos von Zcononzo sich von Fruchten nahren,
schien Gros keineni Zweisel iinterworfen, denn er fand
in der Nahe der Nester eine Menge von Samereien, die
nicht beini Freffen ubrig gelassen, sondern durch den
Darnikanal gegangen luaren. Die Nahning wird den
Jniigeii zugetragen, welche sich des verschluckten Saa-
niens nach Verdaiiung des nmgebenden Fleisches entle-
digeii. Anf diese Weise Haufen sich nach und nach
Schichten von Saarnen und Ercreinenten an, welche
eigentlich assein das mit der Zeit zunehnieiide und bei
cinem Durchmeffer von 18 Zoss an 10 Zoll hoch wer-
deiide Nest bilden, indeni der Guacharo nicht banet, son-
dern seine weisten, am einen Ende sehr spitzigen Eier
ohne Unterlage in Felsenritzen legt. Mannchen und
Meibchen losen sich im Geschafte der Brutung ab; die
Jungen gleichen in ihrer Ungestalt kanin einent Vogel
und vermogen sich nicht eher zu bewegen, als bis nach
vosser Entwickelung der Flugel. Ueberhanpt nintint der
Guacharo, welchen Gros zuletzt in der Schlucht von
Tuluni lebend erhielt, eine gaitz andere Stessuiig an als
jeder andere Vogel. Mag er sitzen oder langsant fort-
zukriechen versuchen, immer steht sein Korper unter
einent Winkel von 45° ztiitt Boden, und der Kops Hangt
nach unieit. Ost eiitfernt er sogar beide Flugel etwas
vom Korper tind stutzt sich aus den Ellenbogen, wahrend
er den Schwanz entporrichtet, schiebt in solcher Stellung
den Kopf vorwarts, sucht durch Schwaiikititgen den Kor-
per int Horizontalen Gleichgewichte zti erhaltcit und be-
wegt dabei den Hals in Spiralen hin und her wie eine
Schlange. Die jungen Vogel fassen einander Wuthend
an, packeit mit dem Schnabel alles in ihren Bereich Ge-
rathende, sogar die eigenen Fuste und Flugel und sind
katint ohne Gewaltsamkeit dahin zu bringen, das einrnal
Gefahte wieder los zu laffen. Sie in der Gefangen-
schaft aiifzuziehen, mistlang, weil man ihnen das ange-
ittessene Futter zu schaffen nicht vermochte. Nach Europa
sind bis jetzt erst wenige ausgestopste Erentplare gelangt,
indessen erhielt titan durch Gros, L'herminier und einige
Andere eine Hinreichende Zahl von Balgen, Skeletten
und anderen Praparaten , nitt mindestens die bisher sehr
uiivosskontiiten gebliebene Artbeschreibung genugend zu
berichtigen.
III. Tagschlafer. (Podargus.)
Gattungscharakter: Schnabel sehr breit, ge-
wolbt; Oberkiefer den zahnlosen Unterkiefer umfassend,
gleichlang; wenige Bariborstett. Vorderzehen gefpalten,
die rnittlere langer; Hinterzehe nicht wendbar; Krasse
der Mittelzehe ungezahnt. Flugel kurz, abgerundet.
I. Der nruholllindischeTagschlafer. (Podargus humeralis.) Sig. 1308.
Die Tagschlafer gleichen in Lebensweise ganz den
Rachtschwalben und koiinett nur der Systematik wegen
von jetten als Gattung getrennt werden, welche assein
in Neuhossand und dem indischen Archipel vorkommt,
die dort fehlenden Rachtschwalben vertritt und bereits
gegen 15 genauer bekannte Arten begreifi. Sie Haben
int Assgemeinen das Ansehen der Caprimulgett, dasselbe
feine Gesieder, ahnliche Farbung und zarte Zeichnung,
assein einen anders gebildeten Schnabel und Fust. Die
seitliche Unbeweglichkeit der Hinterzehe veranlaht sie, in
der bei anderen Hockertt gewohnlichen Art auf Aestett
zu sitzen. Ein wunderbares Ansehen erhalten sie durch
die tingeheiire, bis Hinter das Auge und fast zurOhren-
offnung reichende Rachenspalte, die es ihttett gestattet,
selbst groste Jnsecteit im Fluge zu erhaschen, und in Vcr-
bitidung mit der Plattheil des Kopfes die Franzosen ver-
anlaht hat, ihnen den durchaus nicht udel gewahlten
Natneii von fliegenden Kroten (Crapaud volant) beizu-
legett. Wenn es nberhaupt erlaubt ist, der auheren
Gestalt wegen einander fernstehende Thiere zu verglei-
cheti, so tonnen asserdings wohl die Podargen tinter den
Vogeln als die Reprasentanten jetter nachtlichen, gleich-
falls von Jiisecten lebenten Reptilien gelten. Sie sind
ubrigens i ni hosten Grade lichtscheu, blind und daher
vossig verwirrt, wenn sie am Tage aus ihren dtinkelit
Schlupfwiiikelii Hervorgezogen werden, des Nachts aber
tint so unermudlicher und sicherer in allett Bewegungeit.
Jhr Flug ist nicht minder schnell, aber geradliniger und
dem eines Raubvogels ahitlicher und nicht so schwint-
iilend titid elastisch wie derjeitige der Nachtschwalbeit.
Maitche zeichnen sich, eben so wie die letzteren, durch be-
sonderen Federschmuck aus, z. B. durch weit abstehende,
fein zerschlitzte Federbusche in der Ohrengegend. Sie
erinnern hierdurch gewiffermaaheit an die Eitleit und
sind auch als Mittelglied zwischen diesen und den Capri-
mulgeit von Vigors betrachtet worden. Eine der grost-
ten Arten, der neuhossåndische Tagschlafer, wird 20 Zoll
lang ; sein Gesieder stellt oben ein Gemisch von Asch-
grati, Braun und Gelb dar, am Kopse und zu beiden
Seiteit des Ruckens verlaufen deutliche schwarze Strei-
fen, auf dem Vorderkopsse und den einzelnen Federit des
Mittelruckens stehen feine Punkte und Ouerstriche von
Weister Farbe, tiber die gelbliche Unterseite latifen von
Seite zu Seite feine schwarze Ouerbander. Bezeichnend
fur die Art sind die zwei breiten helleren, gelb und weih
Punktirten Binden, die jederseits vom Hinterhalse nach
dem Nacken hinabziehen. Das Vaterland ist Neusudwales.
2. Der Papa . Tagschlafer. (Podargus papuensis.) Fig. 1311.
Die grohe Aehnlichkeit der zahlreichen Arten von
Nachtschwalbeit und Tagschlafern unter einander und die
ausnehineitde Schwierigkeit der genauen Beschreibutig
der dem Auge sich darlegenden, aber durch Kunstausdruckc
schwer wiederzugebendeit Unterschiede in der Zeichnung
haben einen wesentlichen Antheil an der Verwirrnng, die
gerade in dieser Familie nicht gering ist. Auf der ånde-
ren Seite mag aber auch mancher Jrrthum dadurch ent-
staiiden sein, dast derfelbe Vogel, weil er in gegenseitig
ziemlich entfernten Landern angetroffen worden ist, den
Entdeckern, schon des Vaterlandes wegen,. als nette Art
galt. Aus einent solchen Versehen ist vielleicht die Treit-
nung des Papu - Tagschlafers von einer langer be-
kannteit Art, Cnvier's Tagschlafer, Herzuleiten, der
wahrscheinlich nicht verschieden ist und das tropische Neu-
hollattd bewohttt. Dah die europaische Nachtschwalbe
wandere, gilt als durchaus unzweifelhafte Thatsache,
tind von den nordamerikanischen Arten derselben Gat-
tung ist Aehnliches sicher bekannt. Fast sosste man glan-
ben, dah auch die Podargen, je nach Umstanden, Hin
und herziehen, wenigstens jene, die dem grohen Conti-
neitte Neuhossands angehoren, wo uberhaupt alle Vogel
schott darunt ihren Aufenthalt periodisch andern muffen,
weil mit dem regelmahig eintretenden Wassermangel zu-
gleich die Jnsecten verschwinden und die Pflanzenwelt zu
ersterben beginnt. Die von Java bis an die nordostliche
Spitze Neuhossands fortlaufende Reihe von Znseln iitacht
es wahrscheinlich, dah mehrere Vogel in ihren Wande-
ruttgen auf diesent Wege weit nach Norden gelangen
mogen. Dah aber auch viele nie uber gewisse feste Gran-
zen hinausgehen, beweist schon der grohe Unterschied,
der zwischen den Faunen der asiatischen Jnseln und Neu-
hossands herrscht, die nur auf den Molukken im eigentli-
chett Sinne zusammenfliehen. Der Papu- Tagschlafer
erinnert ubrigens durch seine Zeichnung an die Eulen;