Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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Kalker.
Vogel.
69'
Schwungfedern leicht unterscheidbar ; der Heine
Fliegenschnapper (M. parva) ist oben braungran,
an der Kehle gelb; die Schwanzfevern stnd an der
Wnrzelhalfle weih.
3. Der facherschwanzige Fliegenschnlyper. (Muscicaya nabellifera.)
Sig. 1329.
Unler den erstaunlich zahlreicheii anslanbischen Arten
der Gattung zeichnet stch die hier abgebildete durch Grohe,
Bildung und Anwendung des Schwanzes aus. Sie wird
um Paramatta in Neuholland Haufig angetroffen und
scheint dort ein eigentlicher Standvogel zu sein, der in
Sitten oon den enropaischen Verwandten sich kaum un=
terscheidet. Jm Augenblicke des Stohens auf ein Jnseet
breitet er seinen Schwanz aus wie einen breiten Facher,
uberschlagt stch dabei nicht felten wie eine sogenannte
Purzeltaube und kehrt sogleich auf denselben Zweig zu-
ruck, welchen er zum Sitze eiwahlt hat. Das Fell soll
so dunn sein, bah die besten Ansstopser ihm kaum eine
naturliche Form zuriickgeben tonnen. Jm Allgemeinen
ist die Farbung braunschwarz, ein Fleck hinter dem Auge
und ein Streifen oberhalb desselben sind beide weih,
ebenso die auheren Steuerfebern; die ganze Unterseite
ist bleichrostfarbig weihlich.
Am Cap der guten Hoffnung wohnt der kammtra-
gende Fliegenfanger (M. cristata) oder Tschit-
ret, wie ihn Vaillant nannte, ein durch Farbung ans-
gezeichneler, durch Nestbau merkwurbiger Vogel. Kopf,
Hals und Brust sind stahlblau mit grunem Schiller,
Flugel und Schwanz lebhaft rostroth, auf dem Kopfe
steht ein aufrichtbarer Federbusch, die mittleren Steuer-
federn uberragen um ein Bedeutendes die seitlichen. Das
Nest (Fig. 1330.) gleicht einem mit der Spitze nach unten
gerichteten Horne, hangt zwischen Gabelasten starkdorni-
ger BLume, miht oben 2 Zoll iin grohten Durchmefser
und besteht aus sehr feinen Bastfaden, die so sorgfaltig
und muhsam durchflochten sind, dah die Anhenseite einem
grobhaarigen Zeuge gleicht und vom Winde nicht durch-
drungen werden kann. Nur das obere Ende ist hohl und
enthalt die Eier; der Rest des Baues stellt einen festen,
filzartigen Korper dar. — Zu den amerikanischen Flie-
genschnappern, welche besondere Gattungen ausmachen
und an ihren grohen Schnabeln gefahrliche Waffen be-
sitzen, gehort der in Nordamerika beruhmte Konigs-
vogel (Tyrannus intrepidus vgl. S. 67 Sp. 1), der sich
nicht scheuet, die grohten Adler anzufallen, und sie unter
kreischenden Zornlauten so unermudlich verfolgt und um-
schwarmt, bis sie ihm das Feld uberlassen.
Zweite Familie.
Wurger.
Die Familie der Wurger begreift eine grohe Menge
uber die ganze Erde verbreiteter und nur in den kaltesten
Lanbern sehlender Vogel, von welchen die kleineren von
Jnseeten leben, die groheren und kraftigen als stestch-
fressende Raubthiere auftreten, kleine Vogel, Mause und
dergleichen hilflose Geschopfe anfallen und zerreihen und
uberhaupt eine Grausamkeit und Wildheit zu Tage legen,
die man ihnen nach Maahgabe ihrer Grohe kaum zutrauen
mochte. Sie ahmen den Fliegenschnappern nach, indem
sie ebenfalls auf einem Baumstamme einen Posten ein-
nehmen, lauern, bis sich irgend eine Beute zeigt, nuf diefe
sturzen und dann auf beyselbeii Ort zuruckkehren, um
vielleicht nach wenigen Minuten denselben Aet zir wie-
derholen. Obwohl sie in Grohe sehr von einander ab-
weichen, die kleinsten kaum einem Sperlinge, die grshteii
einer Krahe gleichkommen, so besttzen alle doch dieselbe
starke, allerdings dem Korper angepahte Bewaffnung,
einen starten, auf der Firste gemolbten, seitlich zusain-
mengedruckten und entschieden gebogenen Schnabel, des-
sen Oberkiefer in eine scharfe Spitze hakig ubergebogen
und mit ansehnlicher Kerbe versehen ist (Fig. 1331.).
Um die Wurzel des Schnabels stehen starke und starre
Bartborsten. Die Nasenlocher sind manchmal ziemlich
groh und effen (Fig. 1332.) oder wie bei den indischen
Drongo's (Edolius, Fig. 1333.) unter Federn versteckt.
Die Zehen sind bald gefpalten, bald die auheren an ihrer
Wurzel durch eine kurze Haut verbunden, dke Fuhe uber-
haupt kurz, indeffen kraftig, die Laufe mit Tafelschuppen
uberzogen (Fig. 1331.), die Krallen scharf. Die Lange
der Flugel wechselt nach den Gattungen, iiibeffen ist sie,
ausgenommen bei den Schwalbenwurgern (Ocypterus),
niemals sehr bedeutend. Bisweilen erlangen die Steuer-
federn eine ungewohnliche Entwickelung und ubertreffen,
als schone Zierde herabhangend, den Korper weit an
Lange. Viele Arten besitzen ungemein durchdringende
Stimmen und schrecken durch ihr Geschrei alle kleineren
Vogel; die im Norden beider Halbkugeln lebenden kragen
einfach gefarbtes Gefieder, Hingegen glanzen diejenigender
warmeren Erdgegenden nicht felten im buntesten Schmucke.
VIII. Wurger. (Lanius.)
Gaitungscharakteri Schnabel stark, an der
Wurzel dreieckig, vorn fehr zufammengedruckt; Ober-
kiefer kurz vor der hakenformig ubergebogenen Spitze
mit einem kleinen, scharseckigen, wegen der Einziehung
des Kieserrandes um so scharfer vortretenden Zahne.
Flugel kurz, abgerundet, drille und vierte Schwung-
federn die langstelt.
1. Der grope Wurger. (Lanius excubitor.) Fig. 1331. 1334. 1335.
Mehrere europaische Wurger haben die Gewohnheit,
die ergriffenen Thiere, von welchen sie leben, Jnseeten
oder kleine Saugelhiere und Vbgel, nach der Toblung
nicht sogleich zu verzehren, sondern vorlaufig auf Dor-
nen oder hinreichend spitzigen, durch Zufall abgebroche-
nen Aesten anzuspiehen und erst nach langerer Zeit zu
denselben zuruckzukehren. Sie enlwickeln dabei viel Ge-
schick und einen Grad von Kraft, der 5ur Kleinheit des
Korpers nicht im Verhaltnisse steht; der grohe Wurger
stoht Mause so heftig gegen ziemlich stumpfe Enben von
Stecken oder Zweigen, dah der Korper durchbohrt und
festgehalten wird. Alan hai noch nicht vermocht, diese
an auslandischen Wurgern wiedergefundene Sitte in
genugender Weise zu erklaren, und in ihr bald kluge
Vorforge erkannt, welche das eben nicht erforderliche
Futter aufspart, bald einen Ausdruck wilber Grausam-
keit oder des Triumphes zu sehen gemeint, welchen das
Raubihier fuhlt, wenn es die Beute erlegt und zur
Flucht unfahig gemacht hat. Der grohe Wurger behalt
selbst in der Gefangenschaft dieselbe Sitte bei und
zwangt sein Opfer zwischen die Drathe des Kafigs, um
es nachher mit aller Beguemlichkeit in Stucken zu zer-
reihen. Ein neuhollanbischer Wurger von ansehnlicher
Grohe (Vanga destructor) legt seine wilde Freude un-
verhohlen an den Tag, wenn es ihm gelungen ist, eine
Mans zu todten und ihren Korper gleichsam in die Git-
ter des Kafigs einzuflechten, und sattigt sich vor der
Zerfleischung erst vollkommen mit dem Anblicke. Der
grohe europaische Wurger halt den Raub wahrend des
Freffens nicht mit den Zehen, sendern sucht ihn zwi-
schen Sleine oder Gabelaste einzuklemmen, um ihn mit
aller Beguemlichkeit zerreihen zu konnen. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach geschieht jenes Befestigen des Raubes
aus Noihweudigkeit. Wurgern mangeln die starken
Fuhe der eigentlichen Raubvogel; sie sind daher gezwun-
gen, die Beute irgendwo anzuspiehen oder, wie dieses
namentlich der grohe Wurger thut, zwischen Steinen
oder Gabelasten einzuklemmen, um Stucke abreihen zu
konnen. Dah raffinirte Grausamkeit oder Blutdurst
zu solchem Versahren die Veranlassung gebe, ist kaum
vorauszusetzen, benn beide zeigen sich nicht einmal bei
den weit fidrferen eigentlichen Ranbvogeln, die da jagen
und todten aus Nothwendigkeit, hingegen in gesattigtem
Zustande am Morden kein Vergnugen finden. Der
grohe Wurger oder 9ieuntébter lebt ubrigens auch von
Jnseeten unb kleinen Reptilien unb Hat in ber Jagb anf
Vogel nicht immer Gluck, inbem ihm bie Schnelligkeit
bes Fluges unb bie Kraft ber Flugel unb Krallen abge-
Hen, bie einen kleinen Falkenvogel auherorbentlich ge-
fahrlich machen konnen. Kleine Vogel ergreist er im
Sitzen ober auch im Fluge, packt sie an ber Seite, muh
sie aber nicht selten wieber fahren lafsen. Vom Hunger
getrieben, wagt er sich inbefsen selbst an Drosfeln unb
an anbere in Dohnen unb Fallen gefangene Vogel unb
beraubt auch bie Nester kleiner Singvogel, beren Junge
er bisweilen nach einanber forttragt. Mit anberen gro-
heren Vsgeln lebt er immer im Kriege, theils well sie in
ihm ben unverschamlen Rauber fennen ober furchten,
theils well er sie aus Muthwillen neckt. Er steht nicht
an, bie grohen Raubvogel zu umfliegen unb zu plagen,
bis sie bas Felb raumeii, unb wirb hierburch wieber ben
wehrlosen Vogeln nutzlich, welche sein Kampfgeschrei
fennen unb als Warnung zu beuten wiffen. In Deuisch-
lanb streicht er ohne feste Granzen unb erscheint ba nicht
als eigentlicher Zugvogel, in einigen Gegenben wirb er
als Stanbvogel bas ganze Jahr hinburch angetroffen;
englifche Ornithologen erklaren ihn theils fur einen im
Mai ankommenben, im September wegziehenben Wan-
berer, theils wollen sie ihn im Winter angetroffen haben.
Wahrscheinlich liegen biesen Angaben fehlerhafte Beob-
achtungen zu Grunbe, inbem man biesen auf bent Fest-
lanbe von Schweben bis nach Mittelitalien gemeinen
Vogel in Englanb uberhaupt sehr selten sieht unb baher
kaum als einheimischen zu betrachten bas Recht Hat.
Wie alle an regelmahige Wanberzeit nicht gebunbene
Vogel macht er sein Bleiben von ber Art bes Winters
abhangig; lehrt ihn Vorgefuhl bas Herannahen eines
ungewohnlichen kalten Winters, so beginni er schon im
September, unb zwar zahlreich, bavonzuziehen; ge-
stallet sich biese Jahreszeit gunstig, so gehen nur ein-
zelne, unb bie Mehrzahl bleidt zuruck. Eine eigentliche
gemeinsameZugzeit Hat bie Art baher nicht. Die Skimme
ist zu ben mannichfachsten Mobulakionen geeignek unb
itichr unangenehm; Llachahmung fremben Gesanges ge-
lingk minbestens in ben ersten Strophen, weiterhin tritt
freilich bei Wiebergabe ber uugewohnten Noten Verwir-
rung ein. Ob biese Fahigkeit sich auf Tauschung unb
Herbeilockung anberer Vsgel beziehe, wirb Niemanb zu
entscheiben wagen. Zum Nesterbau unb uberhaupt zum
Aufenthalte giebt ber Neuulobler kleinen, in ber Nahe
von Dorfern, Garlen ober Weiben gelegenen Walbern
ben Vorzug. Er banet bas Nest (Fig. 1335.) aus al-
lerlei Resten von Vflanzen balb auf Baume, balb in
niebrige Busche. Die 5—7 graulichweihen Eier sinb
grunlichbraun ober gran punktirt. Die Farbung ist
oberhalb Hellgran, unten schmutzigweih ; burch bas Auge
geht, wie bei anberen einheimischen Arten, eine breit-
schwarze Binbe; Flugel unb Schwanz sinb schwarz, bie
Schulterfebern zum Theil unb ber Auhenraub ber seitli-
chen Steuerfebern weih. Das Weibchen ist an ben wel-
lenformigen granen Querlinien bes Bauches kenntlich.
Die Lange betragt 10 Zoll. — Auher bieser Art leben
in Deutschlanb noch folgenbe brei: ber grane Wur-
ger (Lanius minor), oben gran, unten weih, Brust
rothlich, Stirn, Angen unb Schwingfebern schwarz,
bie auheren Steuerfebern weih; ber rothruckige
Wurger (Lanius Collurio), auf Stirn, Hinterkopf
unb Nacken gran, auf Vorberrucken unb Flugelbecke
sebern zimmetbraun ; ber rothkopfige Wurger
(Lanius ruficeps), auf Stirn unb Rucken schwarz, auf
Hinterkopf unb Nacken rostroth.
IX. Schwalbettwitrger. (Ocypterus.)
Gattungscharakter: Schnabel gerab, kegelfor-
mig, an ben Seiteii unb auf bem Rucken abgerunbet unb
ohne scharfkantige Firste i Oberkiefer am anhersten Enbe
kurz ubergebogen, mit sehr feiner, an ber Seite leicht
eingekerbter Spitze. Fuhe kurz. Flugel langer als ber
Schwanz.
1. Ter weiHbindige Schwatbenwurger. (Ocypterus albovittatus.)
Fig. 133K—1338.
Ueber bie systematische Skellung ber Schwalbenwnr-
ger haben Citvier unb bie spateren Ornithologen sehr