Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Zweiter Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1848
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 282
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichtes der Vögel
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Voge l.
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3. DaS Llaukehlchen. (Sylvia suecica.) Fig. 1381.
3nt Vergleich mit den ubrigen Sylvien, die faft alle
in ziemlich einfachem Kleibe anflreteii, barf das uber ganz
Europa Verbreitele Blaukehlchen cin gefchmfickter Vogel
Heihen. Jndesfen erfcheint es nicht immer zu feinem Vor-
theile, fondern bielel fo zahlreiche Verschiebenheilen des
Geficbers, fe nach Geschlecht, Alter und Sahreszeii, bah
die entgegengefetzlen Formen von einem Laien fchwerlich
als derfelben Species angehorend betrachtet werden wur-
den. Die Hauptfarbe ist bei allen auf der Oberfeite Heller
oder dunkler graubraun, an Kehle und Brust Herrschen
nach Umstanben fehr verfchiebene Farben. Am alten
Mannchen ist die Kehle fchmalteblau mit Weihein Mittel-
stecke und fchwarzer Einfassnng, fiber die Brust zieht ein
rnhbranner Gfirtel, nber dem Auge steht ein gelblicher
Streif; fe alter der Vogel ist, um fo lebhafter wird der
Glanz des Blaues, an jungern erfcheint es lichter und ver-
Waschener, auch geringer ini Umfange, und an ganz jungen
Snbivibnen macht es einer bleich rostgelben Farbung Platz;
der Rficken zieht bei diefen in Gelbbraun, die rostrothe
Brustbinde entbehrt Deutlichkeit und Glanz, Kehle und
Brust sind braunfchwarz gefleckt. Der Herbst macht das
ganze Gefieder dunkler. Weibchen gleichen den nnans-
gefarbten jungeren Mannchen und haben an der Kehle
luenig Blau. Zwifchen diefen Hauptstufen liegen endlich
andere, den Uebergang langfam Verniitleliibe. Das
Blaukehlchen ubertrifft ubrigens an Groste das gemeinere
Rothkehlchen nur luenig, kommt auf dem Zuge Anfang
Aprils in Deutfchland an, derbreitet sich von da nicht weit
westlich, wird in Holland und dem Jnnern Frankreichs
felten, in England nur zufallig gefehen, liebt, wie das
Rothkehlchen, Bufchwaldnngen, vermeidet eigentliche
Hochwalber und halt sich vorzugsweis gern in Gegenden
auf, wo der Boden feucht oder von kleinen Teichen durch-
fchnitten ist. Nach Bechstein liebt es die mit Weidenbu-
fchen eingefahten Flustufer, kommt auch in Garten und
befucht Wiefen und ausgetrocknete Wiefengråben./ 3nt
Benehmen hat es mit dem gemtinen Rothkehlchen fehr
grofe Aehnlichkeit, nur theilt es nicht die Unvertraglichkeit
besfelben, fondern lebt mit anberen kleinen Vogeln in Frie-
den. Seine Stimme ist fchwach, der lockende Gefang
nnbebentenb; bie Nahrung besteht ans 3nfecten, int
Herbste ans Flieberbeeren. Zu bem an verborgenen Orten
angelegten Reste iverben bie gewohnlichen Pflanzenstoffe
nicht ohne Kunst verarbeitet. Die 5 — 6 Eier sinb blan-
grun und ungesteckt.
4. Ter Mane Singer. (Sylvia sialis.) Fig. 1382. 1383.
Wie das Rothkehlchen in Europa, fo ist der Mane
Sanger in Nordamerika der bei Alt unb Sung gleich be-
liebte Bote des Frnhlings unb wahrenb bes Sommers fo
zntranlich, wie ber erstere Vogel es nur int Zimmer unb
Wahrenb bes Winters zn fein pstegt. Schon i ni Februar
erfcheint er, vorausgefetzt, bah nicht nngewohnlich fpates^
Froftwetter Snfecten- unb Pflanzenwelt gefangen Halt,
unb nini nit Besitz bon feineit gewohnlichen Anfenthalts-
orten in Garten unb Hecken, unt Schenern unb Holzzsiinie.
Nen eintretenbe Schneestnrme zwingen ihn, nach bem Sil-
den zn fliehen, wo er regelmastig ben Winter verbringt,
allein wenn er ziini zweiten Male, unt Mitte Marz, Wie-
bertehrt, bringt er fein Weibchen mit sich unb fchreitet,
ficher vor iieueni Umfchlagen ber Witterung, alsbalb
Jur Begrunbung eines Hausstanbes. Man glanbt, bast
diefelben Paare nach benfelben Bruteorten jahrelang zn-
ruckkehren, unb bah bie Sungen an ben Ort ber Geburt
Anhanglichkeit behalten unb baher bie unt ein Lanbgut
borkommenben Blanvoget (blue birds) derfelben, ans
bielen Generationen bestehenben Familie angehbreii. Von
der Zartlichkeit bes Mannchens fur bie Gefahriin, von ber
Nneigennntzigkeit, mit welcher er biefer Futter zniragt,
bon ber Frenbe, bie er austert, wenn sie von ihm sich futtern
last, wissen amerikanische Ornithologen viet zu erzahlen,
inbessen gehoren biefe Erscheinungen nicht ihm ober irgenb
einem anberen amerikaiiifchen Sanger allein an, fonbern
Wieberholen sich in nicht minberem Grabe ober weniger an-
fprechenber Form bei fehr vielen, Hausig genug gering ge-
achteten Vogeln Enropa's. Das Futter bes Manen San-
gers besteht in Snfecten, namentlich in Kafern unb in Spin-
nen, gelegentlich auch in Beeren. Das Nest erinnert ganz an
basjenige bes Rolhkehlchens; es wirb nahe am Boben, am
Liebsten tinter ubergeneigten Stammen ober Banmwnr-
zeln, uberhaupt mbglichst versteckt angelegt, besteht aus
Grashalmeii unb Mattern unb enthalt funf Hellblane,
niigesteckte Eier. Zwei Bruten in einem Sommer sinb in
ber Regel, nicht felten iverben fogar brei erzogen, unb eben
baher bauert auch ber angenehme Gefang fehr lange Zeit,
bisweilen vom Marz bis in ben October; er klingt am
Schonsten iin Fruhjahre. Sm November zieht biefer Vogel
fubwarts unb fiberwinlerl auf ben Bahamainfeln unb
Doiningo, in Guyana unb Brasilien. Die ganze Ober-
feite bes gegen 8Zoll langen Korpers ist schon koriibluinen-
blau mit etwas Purpiirfchinimer, Unterfeite weitz, Schna-
bel fchwarz; Kehle, Brust unb Seiten sinb rothlich kasta-
nienbraun, Schwingen unb Schwanz braunfchwarz. Am
Weibchen erfcheineii alle Farben matter unb weniger fcharf
begranzt.
5. Tcr Gartenrøthschwanz. (Sylvia phoenicurus.) Fig. 1384.
Unter ben zahlreichen Sylvien bilbeit bie Rothlinge
ober Rolhfchwanze eine befonbere, biirch afchgraue Befie-
berung, rostrolhen Schwanz unb Burzel unb bie Fuste
ausgezeichnete Gruppe. Die letzteren haben hohe, bfinne
Laufe, bie anstalt mit Tafel- ober Schilbfchuppen mit
einer einfachen unb ungetrennten Schiene bebeckt sinb unb
baher, in ber Kunstfprache, gestiefelte Heisten, ein Charac-
ter, ber ubrigens anch ber ersten Gruppe ber Sanger an-
gehbrt, bie wieberiim, theils bnrch bie Fårbung, befon-
bers aber bnrch ihr Leben in bichten Gebufcheii genngenb
iinterfchieben ist. Manche Ornithologen wollen freilich
diefe Zerfattung nicht anerfenneit ober fetzen eine anbere
an ihre Stelle. Der Gartenrothfchwaiiz gilt als gitter unb
allgeinein bekaunter Reprafenlanl biefer Gruppe. Ueber
bas ganze gemahigte Europa unb einen grosten Theil von
Asien verbreitet, in Deutfchlanb fogar fehr gemein, ge-
Hort er zn benjenigen Zugvogeln, bie ben Winter int fernen
unb bunnbevMferten Suben verbringen, allein baruber bie
Neigung unb bas Zutrauen zn ben Menschen ber norbli-
chen Gegenben nicht vertieren unb sich lieber in Bannigar-
ten, in Hecken unb uberhaupt in ber Nahe ber Dorfer
ansiebeln als tit bem einfamen Walde, eine Neigung, bie
er mit bem verwanbten unb mit ihm oft verwechsetten
Hausrothfchwattze (Sylvia Tilbys) theilt. Snbeffen Ver-
gitzt er gewohnliche Vorsicht nicht, benn, achtsam auf alle
Bewegungen ber Nahenben, entflieht er bei gefahtem Ver-
bachte unb kann bnrch Nachstellungeit leicht bahin gebracht
iverben, einett Ort auf immer zn verlassett. Sm Allgemei-
nen ist er fehr lebhafl, finbet Vergnngen an nttablafsiger
Bewegutig, ftiegt leicht unb fchnett, Hfipft auf bettt Bo-
den unb auf Zweigen, fchfittelt dabei den Schwanz unb
verbringt einett grohen Theil ber Zeit mit bem Fange
Von Snfecten, bie er nicht niinber int Fltige als int Sitzett
zn ergreifen weih, unb bie ihm felten entkommen. Wie
bie ubrigen enropaifchen unb anslanbifchen Sanger liebt
er feine Nahrung zu wechfetn unb genietzt im Herbste vor-
zngsweis Beeren. Balb nach feitter Ankunst unt bie Mitte
Aprils latzt er feine angenehitt .pfeifenbe Lockstimme er-
tonen unb singt uberhaupt viel; fein Nest erbaut er ohne
Kunst ans Moos, feineit Wnrzelfafem, Haaren unb
Wolle unb bringt es an in Lochern hohler Baurne, vor«
zfiglich ber Weiben, jeboch immer in wohtgefchntzter Lage.
Das Weibchen legt Enbe Aprils 5 —7 ungefteckte, Hell
Maugrune Eier, welche von beiben Galten 14 Tage be-
brntet iverben. 3n gnnstigeit Sommern iverben zwei
Brnten erzogen. — • Das Mannchen ist obenher brann,
an Zugel unb Kehle fchwarz, an ber Stim reinweih, an
ber Oberbrust rostgelb, am Burzel unb an ben Schwaitz-
febern, bie beiben mittelften ansgenommen, tebhaft rost-
roth; int Herbste erhalteu bie meisten Korperfebern gelb-
tichen Ranb, unb bie ganze Farbung wirb nnbentticher.
Das Weibchen gleicht bem Mannchen int Herbstkleibe, ist
uberhaupt tttehr rothlich afchgrau, an ber Brnst weihlich
mit Rostgelb.
6. Monch- Grasnincke. (Sylvia atricapilla.) Fig. 1377 b. 1385.
1386. 1387.
Die Grasmucken (Currucae) bilben eine dritte Gruppe
ber Sanger tiiib sinbburch oberhalb grattes ober brannlich-
gra ues Gefieber, kraftige unb gefchilbete, bie Mittelzehe an
Lange etwas ubertreffenbe Laufe unterfchieben. Sie nisten
int Gebnfch, vorzugsweis gern zwifchen Dornen unb
fttchen bort auch ihre Nahrung. Unter ihnen zeichnel sich
bie Monch - Grasnincke, ober ber Plattmonch, bnrch bie
Haube aus, bie bei reifen Mannchen stels lieffchwarz, bei
Weibchen unb Sungen braun ist, wahrenb das ubrige
Gefieber oberhalb olivett-afchgrau, am Halse unb an ber
Kehle etwas lichter aschgran erscheint. Wie an ber Nach-
tigal entspricht anch hier bie auhere einsache Hulle ber in=
nem BegaMing nicht. Unter ben beutschen Vogeln kann
gerabe biese Grasnincke allein mit ber Nachligat in allem
Dem, was bem Gesange Vorzuglichkeil verleihl, Vergli-
cheit iverben; sie ubertrifft bieselbe fogar bnrch bie Daner
ihres Liebes vom Morgen bis zum Abettb unb vom Alt-
fange Mai's bis gegen Enbe bes Sttli. Sn Deiitschlanb
ist sie nirgenbs felten, reichl itt ihrer Verbreitung Weit
nach Norbett, fogar bis in bie Gegettb von Dronlheim
unb foll an ben Pyrenaen unb Apenniiten ihre naturliche
Granze finbett. Diefer von Temminck Herruhrenben An-
gabe wiberfpricht inbessen ber Umstanb, bah sie nicht allein
ben Stalienern wohlbekannt, fonbern von ihtten anch
nitter ber Claffe ber Vogel begriffen ivirb, welche bas
Volk Beccafico heiht unb als befonbers fchmackhafl so
rucksichtslos unb gierig verfolgt, bah man in weiteii Stre-
cken unb felbst in ber besten Sahreszeit keinen Vogel singen
hort. Sn Deiitschlanb kommt sie in ber zweiten Halfte
Aprils an unb beginnt gegen Enbe Septembers bavonzu-
ziehen. Trifft ihre Ankunst aus eine ungfinstige, bie Ent-
wickelnng ber Snfecten aufhattenbe Zeit, fo muh sie sich
kummerlich behelfen unb von ben Beeren leben, bie ber
Winter an ben Banmen getaffen; in Engtanb lebt sie
bann, nach ber Versicherung Sweet's, von ben Beeren
bes bort ebenso Hausigen als groh werbenben unb bie Vor-
liebe bes Votkes lohnenben Epheu. Wo irgenb bergleichen
tiralle Stamme an Kirchen unb Gemaner sich entporziehen,
kann man sicher fein, int Fruhjahre ben mannichfachen unb
ang enehmen Gefang bes Plattmonchs zn vernehinen. Sm
Fruhfommer finbet biefer int Norben liberalt reichtiche
Nahrung an ben Ranpeit unb kteineren Kafern, welche
ihren Anfenthalt auf Pslanzen nehiitett, unb spalerhin
geniestl er im Vorzuge unb iii nicht geringer Mettge rei-
fenbe Kirfchett unb Beeren ber Garten unb bes Walbes.
Er verfchmaht keitie Art von weichen unb faftigen Fruch-
ten, von wetchen bie Ornithologen Deutfchlanbs, Eng-
lanbs unb Frankreichs gleich lange Verzeichnisfe gebeit.
Die zuletzt reifenbett Flieberbeereit tiefern ben letzteii Ge-
nufi ; sinb biefe anfgezehrt, fo eilt bie Grasnincke bavon, unt
in sublicheren Gegenben sichere Vorrathe anfznfnchen.
Ueberaft bewohnl sie im Vorzuge offene Lanbholzer unb
hohe Gebfifche, boch fcheuet sie sich Weber vor Ansiebelung
in Gartenhecken ttoch vor ber Pahe bes Menschen. Durch
Lebhaftigkeit gleicht sie ben ubrigen Sylvien unb vertragt,
wiebie meisten berselben, bie Gefangenschast. Das ziemlich
Iiachlafsig gebauete unb nicht hoch fiber bem Boden befinb-
tiche Nest besteht aus trockenen Grashalmen unb Pstan-
zenstengeln, ist mit Wolle ober Pserbehaaren ausgepolstert
unb enthalt 5 —6 weihliche, gran ober olivengrun punk-
lirte unb gefleckte Eier (Fig. 1387.).
7. Die Garlengrasinucke. (Sylvia hortensis.) Fig. 1388.
Die Gartengrasnificke tragt ein sehr anspruchsloses
Kleib unb wirb im genieineit Leben nicht sekten mit an-
beren Vogeln von gleicher Grotze verwechselt. Das er-
wachsene Mannchen ist namlich auf ber Oberfeite brann-
lich afchgrau, von ber Kehle bis zum Bauche fchmntzig-
weih; bie anheren Schwanzfebern sinb einfarbig afchgrau,
ihre Schafte oberhalb braun, unten weih. Das Herbst-
kleib ist bnnkler als bas Hochzeil- ober Frnhtingskleid;