Schloss Gottorp
ein nordischer Fürstensitz
Forfatter: Robert Schmidt
År: 1887
Forlag: Ernst Homann
Sted: Kiel
Sider: 135
UDK: st.f. 725.17 sch
Mit vielen Lithographien und Lichtdrucken
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unseres Landes neben der allgemeinen Inventarisirung am Platze sein, um auf diesem Wege ein neues und helleres
Licht über die vergangenen Kulturepochen dieser Provinz verbreiten zu helfen. Wir würden dabei erkennen, in
wie hervorragender Weise die Kunst auf allen Gebieten des Lebens die höhere Gesellschaft sowohl, wie auch den
eines glänzenderen Wohlstandes sich erfreuenden Bürger unserer blühenden Städte begleitete.
Die Stärke der nordischen Renaissance liegt nämlich, wie schon wiederholt bemerkt wurde, nicht in der äusseren
Architektur oder Steinsculptur, sondern in der inneren Ausstattung der Räume, wobei in Schleswig-Holstein bekanntlich
besonders die Holzschnitzkunst sowie der Stuck Verwendung fanden. Auch in anderen norddeutschen Ländern wird
der Höhepunkt der künstlerischen Leistung deutscher Renaissance oft mehr in der vollen Beherrschung des kunst-
gewerblichen Gebietes, als auf dem der Baukunst erreicht. Es fehlt hier nicht an selbständiger Auffassung und
eigenartiger Durchführung. Dabei sind, wie in den sprachlichen Dialecten des Landes, auch ähnliche Unterschiede
im Gesetze der Formenbildung in den einzelnen Districten nicht zu verkennen. Hier ist uns aber nicht allein
eine Fülle stilvoller Vorbilder erhalten, sondern wir finden auch manche Art von technischer Kunstfertigkeit vor,
die sich theilweise aus dem Mittelalter herübergerettet und künstlerisch weiterentwickelt hat, während bekanntlich
anderwärts im Dreissigjährigen Kriege manche der alten Herstellungsweisen in Vergessenheit geriethen. Wir haben
heutzutage den Werth der technischen Tradition und das Verhängnissvolle ihrer Unterbrechung, welclie auch zu
Anfang dieses Jahrhunderts eintrat, erkannt; aber ebenso wichtig und untrennbar hiermit verbunden ist die
Tradition der stilistischen und compositionellen Normen und Motive.
Ein grosser, ausgedehnter Stoff, welcher sich während einer Entwickelungszeit von Jahrhunderten in Schleswig-
Holstein ansammelte, ist und wird so in seinen Denkmälern zum Theil wieder neu entdeckt und auch für die
allgemeine Kulturgeschichte verwerthet. Um aber das so gesammelte Material nicht nur für die gelehrte historische
Forschung, sondern auch für eine lebensvolle Weiterentwickelung unserer gegenwärtigen Kunst nutzbar zu machen,
ist vor allem eine Kritik und Sichtung desselben erforderlich. Denn manches Erhaltene und Ueberlieferte ist nicht
mustergültig. Auch soll dasselbe, wie ich schon im historischen Theile darlegte, nicht zur einfachen Copie»
sondern vielmehr zu einer freien Umbildung und Wiedergabe im Geiste unserer Zeit anregen.
Ergriffen von der Wandelbarkeit irdischen Glanzes verlassen wir das Schloss, und der Duft der Gottorp um-
gebenden blühenden Lindenbäume wiegt uns in alte Träume ein. Die Geschichte vieler Jahrhunderte mit ihren
Schmerzen und ihrer Lust zieht verblasst und verklärt im Spiegel der Vergangenheit an uns vorüber, während
noch immer die blühende Wasserrose auf dem Spiegel des Burgsee’s ruht, die hohen Baumkronen, bewegt von
frischer Seebrise, ihre Wipfel neigen und die Sonne wie einst in den Tagen der grossen Gottorper Fürsten
leuchtet, deren Schatten uns nirgends näher treten, als auf diesem Fleck nordischer Erde.
Ich scheide hier von dem Leser mit dem Wunsche, durch meine Mittheilungen den beabsichtigten Zweck
gefördert zu haben, dass nämlich eine auf Einsicht sich gründende Liebe zu den vaterländischen Kunstdenkmälern
an Kraft und Verbreitung gewinnen möge, und glaube daher nicht besser als mit einigen hier besonders
beherzigenswerthen Worten des grossen Künstlers W. v. Schadow und des kunstsinnigen Königs Johann von
Sachsen schliessen zu können.
W. v. Schadow äusserte einst: „Die Nation erholt und erhebt sich an den Denkmälern der Baukunst; sie
bilden gleichsam die steinernen Paniere ihrer Grösse. Glücklich der Herrscher, der dies erkennt, glücklich der
Künstler, der sololien Herrscher findet!“ König Johann aber sagte: „Erforschung und Erhaltung müssen Hand
in Hand gehen; nur was erstere entdeckt und nach seinem historischen und artistischen Werthe geschätzt hat,
verdient die erhaltende Vorsorge, und diese Vorsorge bewahrt wieder für viele eigentliche historische Forschungen
ein wichtiges und inhaltreiohes Material. Beide aber verfolgen gemeinschaftlich ein höheres Ziel: Belebung der
Liebe des Volkes zu seiner Vorzeit“.
Druck der Engelhard-Reyher’schen Hofbuchdruckerei in Gotha.
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