Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Dickhanter.
Snugethierc.
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bei, uin der colofsalen, aber dasur um so mehrthierischen
Erscheinung irgend einen hohern Ausdruck zu geben.
I, Die Augen sind zwar nicht ohne Glanz und Lebhaftigkeit,
jeboch unverhaltnihmahig klein. Die ungeheueren Ohren
Hangen schlaff Herab, als sollten ste Unfahigkeit des Thie-
res juni Aufmerken und geistige Stumpsheit andeuten.
Selbst der Russel, obgleich ein uberaus kunstliches Organ
und Sitz groher Sinnenscharse, tragt zur Vermehrung
senes ersten Eindruckes bei.
Wie in allen ahnlichen Fallen lehrt aber auch Hier
die genauere Untersuchung des Aeuheren und Jnneren
des Baues die Hochste Zweckmahigkeit und daher die lln-
richtigkeit des Urtheiles kennen, welches gering schatzt,
weil es aus allgemeine Einbrucke sich begnindete. Die dem
Auge mihfalligen Grohenverhaltniffe der einzelnen Kor-
pertheile folgen, als Nothwendigkeiten, das eine aus dem
anderen. Ein Riesenthier wird, bei aller Starte, immer im
Nachtheile sein und den im Thierreiche ununterbrochen
gefuhrten Krieg zu furchten haben, wenn ihm Angriffs-
waffen vollstandig versagt sind/ Sie sind dem Elephan-
ten unter der Form der Stohzahne verliehen worden, die
von angemeffener Grohe sein musiten und nur in einem
Schabel von entsprechender Starte einen sicheren Platz
erhalten konnten. Ein langer, schmachtiger Hals, wie
dersenige des Wieberkauers, Hatte die gewaltige Last des
bewehrten Kopfes zu tragen nie vermocht, und daher
ziehen sich, wenn gleich aus Kosten anherer Eleganz, die
in der Normaljahl vorhandenen, sehr breiten Halswir-
bel des Elephanten so zusammen, das der Kops den
Punkten genahert bleibt, an welche sich die tragenden
Muskeln befestigen. Abgesehen von ven Hindernden,
gropen StoHzahnen, wurde die Kurze des Halses allein
Hingereicht haben, um Herabsenkung des Kopfes auf den
Boden, also Ernahrung durch Abweiden niedriger Pstan-
jen, unmoglich zu machen. Der Russel ist sonach ein ser-
neres nothwendiges Ergebnih der Statur und gewiffer-
maapen der Wehrhaftigkeit des Elephanten. Man konnte
solche Entwickelungen noch viel lueiter fortsetzen, ohne
darum der veralteten Teleologie zu huldigen, die Alles
zu erklaren, liberalt bie Nutzlichteit nachzuweisen unier-
nimmt, aber dafur uberall den menschlichen Maahstab
anlegt und Das wenig beruckstchtigt, was sich nicht mes-
sen nnd aus mechanischen Ursachen Herleiten lapt.
Der Schadel des Elephanten (Fig. 636 — 638.) zeich-
net sich durch sehr ungewohnliche Umriffe aus, indem er
durch das rasche Aufsteigen des Stirnbeines eine bei allen
anderen Saugethieren beispiellose Hvhe erreicht, welche
der minder ttnterrichtete als Anzeichen eines in demselben
? Berhaltniffe maffenhaften Hirnes nnd entsprechend groper
Jntelligenz zn nehmen versucht ist. Jndeffen besteht der
gropere Theil des Oberschabels aus einem leeren Ruume
(Fig. 638 b b), der, zwischen ben Platten ber Schabelkno-
chen bis weil nach Hinten reichenb, als Fortsetzung ber
Stirnhhhle angesehen werben muh nnb burch eine Itn=
zahl von biinnen Knochenblattchen in Zellen zertheilt
wirb. Die eigentliche Hirnhshle .(°) ist im Berhaltniffe
von geriilgem Umfange. Aus bieser Darlegung erhellt
ubrigens, bah ein Elephant Buchsentugeln zu Dutzenben
in ben Kops erhallen kann, ohne zn sterben, indem nur
solche den Tod herbeisuhren, die, richtig gezielt, das lief-
liegende Hirn verletzen. Ans Nnkenntnih dieses Umstan-
des hat man es in Europa bisher sehr schwer gefunden,
Elephanten zn todten, wenn sie in Menagerien, von pe-
riodischer Raserei befallen, ihre Umgebungen zu vernich-
ten drohten. Ein solcher Fall trat um 1826 in der be-
. ruhmten Menagerie von Croh inLondon ein lind erregte,
durch bie Laugsamkeit ber unvermeidtlch geworbenen
Tobtung, eben so viel Aufsehen als Bebauern. Das vor-
zuglich schone unb allgemein beliebte Thier versagte ben
Gehorsam unb entwickelte bei seinen Anstrengungen, um
bas Gesangnih zn burchbrechen, so ungeheure Krafte,
bah man bas grstzte Ungluck befurchtete unb nach mehre-
ren mihlungeiien Bergiftuilgsversuchen eiligst zn Kugel-
biichsen griff. Die Hinrichtungsseene ist von Crvh selbst
weitlanftig beschrieben worben; ste machte ben peinlich-
sten Einbrnck. Das eble Thier schien gegen das Ende
sein Bewuhtsein wieder zu erhalten, gehorchte in gewohn-
ter Weise der Stimme seineS Warters, knieete nieder und
gab so den Kopf den Schutzen preis, stel aber erst, nach-
dem es dreipig Kugeln und uuzahlige Munden durch
Lanzen und Degenklingen erhalten hatte. Ein subafrika-
nischer Elephantenjager wurde ohne Zweifel durch eine
oder Hochstens zwei wohlgezielte Kugeln das Thier ge-
todtet und ihm die uber eine Stunde dauernde Dual er-
spart haben.
Das Gebih des Elephanten erinnerl durch seine Ein-
fachheit an dasjettige ber Nagethiere, besonders des Ca-
pybara. Es besteht nur aus Backenzahnen und den StoH-
zahnen, bie man eben so gut sur ungewohnlich entwickelte
Vorberzahne als fur Eckzahne Halten fann, weil sie
theils in ben Zwischenkieferknochen, theils in ben Kieser-
knochen stehen. Ein solcher Stohzahn hat keine wahren
Murzeln unb wirb in feinent Bette nur burch bie umge-
gebenben Knochen festgehalten; seine Richtung faun baher
burch zeitig aligewenbeten und gleichformig fortdauernben
Druck veranbert werden. Auswenbig ist er mit einer
biinnen Rinde von Schmelzsubstanz umgeben, die aber
nicht mehr Harte hat als das Elfenbein, welches seinen
Hailptbestandtheil bildet und in coneentrischen Schichten
sich ablagert. Seine Basts schlieht namlich eine kegel-
sormige Hohle ein (Fig. 638 4), die lueiter nach vorn in
einen langen, engen Canal auslaufi und gefahreiches Ge-
webe enthali, welches tn allen wurzellosen und daher
fortwachsenden Zahnen der Saugethiere vorhanden ist
und die Zahnsubstanz absondert. Es sind daher die in-
nersten Schichten des Elfenbeines immer die junglen,
obgleich an Harte von den altereii wenig unterschieden.
Flintenkugeln, die man bisweilen in der Mitte eines
solchen auherlich ganz unverletzten Stohzahnes fest ein-
gewachsen antrifft, haben ursprunglich den obersten, hoh-
len Theil des Zahnes durchbohrt, sind in der Hohle Weil
nach vorn gesunken und in beschriebener Form, bei grad-
weisem Wachsthume, durch die jungern Elfenbeinschich-
ten umhullt worden. Die Schichten selbst erkennt man
anf dem Duerschnitte eines Zahnes als Kreise, die, schief
durch einander setzend, ein Merkmal abgeben zur Unter-
scheidung des Elfenbeines von affen anderen Zahnen, die
zn technischen Ztvecken verarbeitet werden. Uebrigens
sind die Stohzahne nicht bei atten Elephanten von glei-
cher Grohe nnd Krummung. Man keiint eine Varietat
des indischen Elephanten (Muknah) mit ungektummien,
senkrecht abwarts gerichteten, eine andere (Dahnielah)
mit sehr schweren nnd grohen, mehr oder minder anf-
warts gekrnmmten StoHzahnen. Das Gewicht des Stoh-
zahnes eines mannlichen Elephanten kann in Mittelzahl
zu 60 Pfund angenommen werden, nicht selten kommen
aber auch Stucke von 70 — 80 Pfund vor, die ntehren-
theils dem afrikanischen Elephanten angehort Haben.
In einem alten, aber manches Interessante enthaltenden
Werke, der 1720 von Hartenfels Heransgegebenen Ele-
phantographia, steht eine Liste aller bekannt gewor-
denen und durch besondere Grohe ausgezeichlieten Zahne;
der schwerste wog 325 Pfund. Der Hottanbische Anatom
Camper besah einen solchen von 105 Pfund und erwahnt,
dah ein anderer von 350 Pfund zu seiner Zeit in Amster-
dam verkauft worden sei. Am weiblichen Elephanten
erlangen die Stohzahne niemals dieselbe Entwickelung;
ste bleiben kurz, stud aber nicht minder Hart und in ihrer
Tertur nicht verschieden. Die ersteii Stohzahne fallen
aus, sobald ste die Lange von 3—4 Zott erreicht Haben,
und werden durch andere, nie wieder zn wechselnde ersetzt.
Die Backenzahne sind zusammengesetzt, d. H. sie bestehen
streng genommen aus einer Zahl einfacher Zahne, die
unter einander durch einen ziemlich Harten Stoff, den
sogenannten Kutt oder die Rindensubstanz, zu einem Gan-
zen verbunden sind. Auf der Kaustache treten diese ein-
zelnen Zahne deutlich hervor; man erkennt ihren inneren
Knochenkern und die einhullende, sehr harte Schmelzrinde.
die auf dem O-uerschnitte, also der Kaustache, im afiati-
schen Elephanten (Fig. 639.) eine ganz andere Gestalt
haben, als in dem afrikanischen (Fig. 640.). Bisweilen
zahlt man an zwanzig solcher Duetlamellen oder ver-
bundener Einzelzahne in einem einzigen dieser gewichti-
gen Backenzahne, die an ver Wurzel nicht geschloffen
sind und nach und nach, nicht allein in der Hohe, sonbern
auch in ber Lange, sich abnutzen. Das erstere geschieht
einfach durch Horizontale Abschleifung wahrend des
Kanens, das zweite dadurch, dah ein jungerer, im raschen
Wachsthume begriffener Backenzahn den vor ihm stehen-
den vorwarts schiebt. Unter diesem Drucke Hebt sich der
åltere Zahn, weil er nicht nach vorn rucken kann, mit
dem Hinteren Ende schief aus dem Kiefer. Indem dieses
weiter vorragende Ende bis an seine Murzel abgeschlif-
sen wird, vermindert sich die Lange des Zahnes, und in
gleicher Weise schreitet unter dem Drucke des rasch wach-
senden Ersatzzahnes die Berkurzung fort, bis nur noch
das vordere Ende des Kieren Zahnes ubrig bleibt, wel-
ches zuletzi von selbst ansfallt. An dem Schadeldurch-
schnitte Fig. 638. ist bei ° der alteste, fast ganz ventich-
tete, bei 1 der ausgebilbete, bei 6 der junge Zahn darge-
stettt, der, noch zu kurz, auf der Kaustache uiiabgeniitzi
ist, aber bei Zunahme den mittleren Zahn ebenfatts nach
vorn schieben, also seine Zerstorung herbeisuhren wird.
Die Abbildung Fig. 640. zeigt bei * den Backenzahn in
ganz imentwickeliem Znstande, bei b benselben im Durch-
brechen, bei ° unb 4 abgeschliffene und sehr verkurzie
åltere Zahne vor den von Hinteii brangenden jungeren.
Der Ruffel isi durchaus nicht ein neues, ganz eigen-
thumliches Organ. Die Natur schreitet augenscheinlich
ungern zur Herstettniig »on solchen, sondern ste weih die
verschiedensten Abstchien dadurch erreichbar zu machen,
dah sie ein in derselben Thierelasse bereits vorhandeneS
Organ umbildet. So isi benn auch der Ruffel des Ele-
phanten iiichts mehr als eine sehr verlangerte, mit der
Oberlippe verwachsene Viase, bereits angebeutet im Rhi-
noeeros, beffen Oberlippe noch Dehnbarkeit besttzi, unb
im Tapir auf weit hoherer Stufe ber Entwickelung.
Die Oeffnung bes Nasencanals (Fig. 638 *) isi nicht
allein sehr groh, sonbern, in Folge des Umfanges ber
fur bie Stohzahne bestimmien Knochen, so hoch Hiiiauf-
geruckt, bah sie an ber Stirn zu stehen scheint. Ihre
dupere Bebeckung setzi sich in ben kegelformigen Ruffel
fort, ver, auswenbig mit grober, quergefalteier, aber bei
poller Ausstreckung glatter Haut bekleivet, an ber Hinte-
ren Seiie abgeplattet unb ntit zwei schivieligen Ranbern
eingefaht isi. Er besteht aus Mnskelbiinbeln, beren Ge-
sammtzahl von Cnvier zn 40,000 angegeben wirb, unb
' bie theils ber Lange nach verlanfen, theils gnergestetti
sinb, theils unter ben mannichfachsten Winkeln sich kren-
zen unb von ben zwei Nasencanalen ausgehen, bie, burch
eine sehnige Scheibewanb geirennt, im Jnnern nut einer
nervenreichen Schleimhaut ausgekleibei sinb. Llnf bent
sowohl Horizonialen (Fig. 641 A) als »erticaIen(B) Durch-
schniiie bes Russels erkennt man bei ’ bie Duerschnitte
iber Langsmuskelit, bei b bergleichen unverletzt gelassene
Muskeln, bei ° bie horizonialen Muskeln, bei 4 ihre Duer-
schnitte, bei ° mehrere Gefahe unb bie Durchschnitte an-
berer zwischen ben ben einen Naseneanal strahlig untge-
benben Muskeln ; B bezieht sich auf ben anberen, in ber
Lange gespaltenen Naseneanal. Es bebarf schwerlich bes
Beweises, bah ein Organ, welches aus fo zahlreichen unb
nach atten Richtungen verbreiteten Muskeln zusammen-
gesetzt ist, int Stanbe sein muh, nicht nur sast jebe benk-
bare Bewegung vorzunehmen, sonbern, wenn es erfor-
bert wirb, auch bie gewaltigste Kraft zu entwickeln. Mit
feinent Ruffel rupft ber Elephant bas kurze Gras vom
Boben, mit ihm reiht er Zweige von ben Baumen, mit
ihm ergreift er aber auch seinen Gegner, hebt ihn empor
unb schleubert ihn mit zerschmetternber Gewalt gegen bie
Erbe. Daffelbe Organ ist zugleich ber Sip eines sehr
seinen Tastsinnes unb faun enblich sehr geschickte unb
genau berechnete Bewegungen vornehmen, ein einzelnes