Die Marfels'sche Uhren-sammlung
Umfassend Interessante Taschen-Uhren Seit Erfindung Derselben
År: 1888
Forlag: Kühl & Co. Grossherzoglich Hessische Hof-Kunstantstalt
Sted: Frankfurt Am Main
Sider: 121
UDK: st.f.739.3 Mar
In 48 Lichtdruck-Tafeln Nebst Erläuterndem Text
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Fig. 1 c zeigt, mit türkischen Zahlen versehen, woraus man wohl mit Sicherheit schliessen
kann, dass diese kostbare Uhr einst einem Muselmann gehörte. Die Zeiger sind ebenfalls
im Style Ludwig XV. gehalten und wie die Gehäuse reich mit Kosen verziert.
Wir haben es hier allem Anscheine nach mit einem Geschenke zu thun, wie sie im
18. Jahrhundert von fürstlichen Personen an Gesandte befreundeter Regierungen, die man
auszeichnen wollte, in Gestalt kostbarer Dosen, Ringe und Uhren verliehen wurden. Wir
werden wohl kaum fehlgehen, wenn wir annehmen, dass diese von L. Perigal in London an-
gefertigte Uhr nach heutigem Gelde mindestens 10 000 Mark gekostet hat.
Wir lenken die Aufmerksamkeit unserer Leser nunmehr auf eine sog. Taschenreise-
uhr mit Selbstschlagwerk, die aller Wahrscheinlichkeit nach dem 17. Jahrhundert angehört.
Das Werthvolle an dieser Uhr ist das aus Bronze gefertigte Gehäuse, dessen Seiten- und
Vorderansicht wir auf Tafel V Fig. la und 1 b veranschaulichen.
Dieses Gehäuse ist, wie einige schon früher erwähnte, vollständig Handarbeit und
zwar aus einem flachen Stück Bronze in seine rundliche Form mittelst Hammer getrieben.
Es ist daran weder ein durch Löthung noch auf andere Art damit verbundener Theil zu sehen,
woraus allein schon die ungemeine Schwierigkeit hervorgeht, welche die Herstellung eines
solchen Stückes dem Verfertiger verursacht haben muss. Der breite Rand des Gehäuses ist,
wie aus der Abbildung ersichtlich, mit einem sehr schön gestochenen Ornamentfries umgeben,
welcher in zierlichen Umschlingungen das ganze Gehäuse umzieht. Den Bügelknopf schmückt
ein aufstrebendes Akanthusblatt, wodurch dieser sonst so nüchterne Theil einen höchst ge-
schmackvollen Abschluss erhält.
Man darf behaupten, dass das Gehäuse dieser Uhr sich in Schönheit und, möchte man
sagen im Werth, dem oben beschriebenen kostbaren Stück ruhig zur Seite stellen kann, ob-
gleich der materielle Werth des letzteren Gehäuses nur einige Pfennige beträgt. — Wie
wenig dieser jedoch vom Kunststandpunkte aus in’s Gewicht fällt, beweist der Umstand, dass,
als vor 2 Jahren die in Kunstkreisen wohlbekannte Felix’sche Sammlung in Cöln versteigert
wurde, für eine kleine bronzene Standuhr aus dem 16. Jahrhundert — ein Werk des be-
rühmten Augsburger Uhrmachers Jeremias Metzger — über 44,000 Mark bezahlt wurden; ein
Beweis, wie der künstlerische Werth eines Gegenstandes von seinem materiellen absolut un-
abhängig ist.
In dem anf Tafel VII Fig. la und 1 b abgebildeten Stück, einer silbernen Spindeluhr
mit Wecker, begegnen wir einer selten vorkommenden Bearbeitung des Gehäuses.
Dasselbe ist nämlich in Rosettenform durchbrochen (Repercé), wie solche als Motiv
des Rococcostyls an gitterartigen Metallarbeiten des 18. Jahrhunderts öfters anzutreffen ist.
Das Zifferblatt ist ebenfalls in Silber gravirt und besteht aus zwei Theilen, einem
äusseren und einem inneren Zifferblatte, von denen das letztere drehbar ist, um es auf die
Stunde, zu der man geweckt sein will, einzustellen. Die Uhr ist bereits mit Minutenzeiger
versehen und dürfte ihre Entstehung auf ungefähr 1750 anzusetzen sein. Die Zeiger sind
von Hand gearbeitete Stahlzeiger, wie überhaupt fabrikmässig hergestellte Zeiger zu jener Zeit
noch nicht im Gebrauch waren. Verfertiger dieser Uhr ist unbekannt; im Werk ist eingravirt:
„Fecit in Wienn“.
Aehnlich diesem Stücke ist eine goldene Repetiruhr aus der Mitte des verflossenen
Jahrhunderts, Tafel IV Fig. 3. Auch hier hat der Verfertiger den Umstand, dass durch-
brochene Gehäuse dem Schall besseren Durchlass gewähren, zur Veranlassung genommen, ein
äusserst kunstvolles Gehäuse zu schaffen, dessen Rand mit einem prächtigen gestochenen
Fries von zierlichen Pflanzen- und Thierornamenten versehen ist.
Um den Staub abzuhalten, ist auch dieses Gehäuse, wie alle durchbrochenen, mit
einem Uebergehäuse versehen. Das Werk selbst ist ebenfalls sehr fein gearbeitet und hat die
sog. englische Façon. Der Kloben zeigt, wie die meisten alten Uhren, eine sehr schöne und
ornamentreiche Arbeit. — Verfertiger unbekannt.
In die gleiche Kategorie gehört eine silberne Spindeluhr mit Wecker, Tafel VII
Fig. 2a und 2 b, aus der Mitte des verflossenen Jahrhunderts. Das Zifferblatt ist höchst
sorgfältig in Silber ausgearbeitet und besteht wie bei den meisten älteren Taschenuhren mit
Wecker aus zwei Zahlemeifen, von welchen der innere verstellbar ist. Das Gehäuse selbst,
auf welches besonderer Fleiss verwendet ist, weisst eine vorzügliche Repercé-Arbeit (durch-
brochen) auf, die auch hier mannigfaltige Thiergestalten, Delphine etc. zum Vorwurf hat. Es
unterliegt keinem Zweifel, dass derartige Stücke sehr theuer waren, denn die merkwürdig
minutiöse Ausarbeitung, bei welcher maschinenmässige Herstellung vollständig ausgeschlossen
ist, musste sehr viel Geschicklichkeit und Zeit in Anspruch nehmen. Setzen doch allein die
Zeichnungen, von denen wir niemals zwei gleiche angetroffen haben, einen grossen Reichthum
an Phantasie und Formbeherrsehung voraus, sodass wir anzunehmen gezwungen sind, dass
nur treffliche Künstler die Verfertiger dieser Prachtstücke waren. —
Des Weiteren interessirt uns eine zweigehäusige messingene Spindel-Repetir-Uhr
von aussergewöhnlichen Dimensionen, aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts, etwa 1710
stammend (Tafel XIII Fig. 2). Bei diesem Stücke ist sowohl das Gehäuse als auch das Ueber-
gehäuse reich durchbrochen und gravirt. Es scheint, dass Messing sehr selten von den älteren
Uhrmachern zur Gehäuse-Herstellung verwendet wurde, wenigstens erinnern wir uns nicht,
eine zweite Uhr aus dieser Zeit in messingenem Gehäuse gesehen zu haben — in den weit-
aus meisten Fällen wurde zur Herstellung der Gehäuse Silber oder Bronze verwendet.
Das vorliegende Stück ist bereits mit 2 Zeigern versehen; der Kloben hat die eng-
lische Façon und ist reich verziert. Verfertiger Joh. Heinr. Klein in Kopenhagen.
Einem deutschen Meister begegnen wir in einer silbernen doppelgehäusigen Repetir-
uhr aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Das innere Gehäuse dieser sehr hohen
Uhr ist höchst eigenartig durchbrochen und gravirt (Tafel VII Fig. 3 a. und 3 b.) und liegt
in einem glatten Uebergehäuse. Das sauber gravirte silberne Zifferblatt trägt den Namen des
Verfertigers. Der Kloben sowie das ganze Werk haben die englische Form und sind gut ge-
arbeitet. Auch diese Uhr schlägt die jeweilige Zeit auf eine im Gehäuse angebrachte Glocke;
es scheint, das Tonfedern erst gegen das Jahr 1780 in Gebrauch kamen, wenigstens ist uns
niemals eine Repetir- oder Selbstschlaguhr aus einer früheren Zeit zu Gesicht gekommen,
welche auf Tonfedern geschlagen hätte. Verfertiger: Lichtenauer in Würzburg.
Durch innere Construktion zeichnet sich eine ausnahmsweise grosse Uhr aus, dem
Ende des 17. Jahrhunderts entstammend. Wie aus der Abbildung Tafel XV Fig. 2 zu
ersehen ist, besitzt dieselbe 2 Kloben, nämlich einen für das Kleinbodenrad und einen für die
Spindel, welche zierlich durchbrochen sind; namentlich aber sind die winzigen in Eisen ge-
schmiedeten Federchen und Verzierungen, welche die Platine bedecken, zu bewundern. Die
Uhr hat nur einen Zeiger und trägt auf der hinteren Platine den Namen des Verfertigers:
Wolfgang Wager, Wolfenbüttel.
Eine Abwechselung in Bearbeitung des Klobens bietet uns eine hohe englische
Spindeluhr mit feinem gravirten silbernen Zifferblatte und Datum, letzterer durch eine Oeffnung
im Zifferblatte sichtbar. Beim Oeffnen der Uhr wird man sehr überrascht durch ein in lebhaften
Farben gemaltes Emailbild, eine junge Dame vorstellend, welches in den Kloben eingesetzt
ist. (Tafel II Fig. 2a und 2b.) Es scheint, dass diese Art den Uhren noch einen verborgenen
Reiz zu geben und den Beschauer zu überraschen, öfters beliebt wurde, wenigstens enthält die
Sammlung noch ein zweites Exemplar dieser Gattung, eine sehr hohe französische Spindeluhr
mit einem prächtig gravirtem silbernen Zifferblatte, in deren Kloben ebenfalls ein Emailbild
eingesetzt ist (Tafel II Fig. la und 1 b), über dem sich noch ein Schutzglas befindet. Ver-
fertiger: Antram London und Gedeon, Paris.
Während die zuvor besprochenen Uhren unser Interesse hauptsächlich durch die
kunstvolle Ausführung ihrer Gehäuse fesselten, wenden wir unsere Aufmerksamkeit jetzt einer
alten holländischen Uhr zu, die in ihrem Aeusseren einfach, aber eine desto prächtigere innere
Ausstattung hat. Wie aus der Abbildung Tafel XIV Fig. 5 der hinteren Platine hervorgeht,