Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
Søgning i bogen
Den bedste måde at søge i bogen er ved at downloade PDF'en og søge i den.
Derved får du fremhævet ordene visuelt direkte på billedet af siden.
Digitaliseret bog
Bogens tekst er maskinlæst, så der kan være en del fejl og mangler.
Or. 42
Bayerifche 3ubHdums= LandesiHustfellung 1906
Seite 1080
Das Kunstlensche Plakat.
Von Jofeplj Rug.
Nusstellungsplakate der modernen Kunstler-
11 vereinigung, namentlich der Sezession, haben die
Vildung eines spezifischen Plakatstils gesordert.
Line Frille von neuen und originellen Ideen, aus
dem lvesen der Sache geschopft, prangte nun an den
Plakatwanden, ein neuartiges sarbiges Bilderbuch, das auf
die eingeschlaferten Sinne belebend roirkte und ein Stiick
Kunsterziehung sur die Menge zu bedeuten Hatte. Der
roichtigste Grundsatz der Plakatkunst ist, datz sie als Flache
rvirken soll. Ls ist Kaum weniger wichtig, datz es in
Farbe und Zeichnung eine ungewohnliche Steigerung des
llusdruckes enthalte, die Tharakteristik fast bis zur Groteske
verscharse und rvie ein unerwartetes Lreignis wirke. Vie
Farbe sei Kraftig in Kuhnen Kontrasten und grotzen Zlachen
angelegt, jede Nrt von Kleinmalerei und detaillierter
Zeichnung benimmt dem Plakat die Grotze und Wirkungs-
krast. Fur das Plakat gilt das Gesetz, datz die Zarbe
sich nicht mit den zeichnerischen Formen unbedingt decken
mutz. Zroei bis drei starke Farbenkontraste aus einer
Flache Konnen genugen, den zeichnerischen Gedanken auss
rvirksamste zu unterstutzen, indem sie nur ein einziges
charakteristisches Merkmal der Zeichnung schars Hervortreten
und alle weniger charakteristischen in der Linsarbigkeit der
Flache verschwinden lassen. Sobald ein charakteristisches
Moment in scharse Sichtbarkeit tritt, ist alles geschehen.
Vie Phantasie des Seschauers erganzt mit Leichtigkeit
alles Ubrige und fuhlt sich erst dadurch angeregt. Viese
flnregung zur geistigen Mitarbeit ist das Geheimnis
der Kunstlerischen lvirkung. Nuch hier zeigt sich der
Meister des Stils nicht in dem was er sagt, sondern
was er verschweigt. 3eber Kleinliche Naturalismus wird
daher aus tektonischer Notwendigkeit fern bleiben mussen.
3n der Farbengebung ist der Kunstler an Kein anderes
Gesetz gebunden, als an das seiner personlichen Farben-
empfindung. Sie ist Teil seiner 3ndividualitat und Kann
das Nutzerste wagen. 3e waghalsiger sie ist, desto mehr
wird ihr gelingen. Hier gilt der vielsagende Nusspruch
eines Kindes, das einen roten Frosch malte. Nuf die
Bemerkung, datz Zrosche grun seien, lautete die Nntroort:
„Vas ist wohl wahr, aber der rote Frosch ist schoner!"
3ch will nur fluchtig erwahnen, datz in dieser Kindlichen
Nntroort ein sehr tieser Kunstlerischer Sinn liegt.
3m lvesen der Flache ist es daher begrundet, datz
auch die perspektivische lvirkung so viel als moglich
aufgehoben werde. Denn gerade durch die Nufhebung
der Perspektivs rucken die Elements der Zeichnung in
die Flache Herein, das hintereinander wird ein Neben-
einander und dadurch wird die Plakatwirkung grotz und
bedeutend.
Es liegt im lvesen des Plakats, datz es sich mitten
im Verkehrsstrome dem Menschen entgegenstellt, die Nnf-
merksamkeit auch der Teilnahmslosesten sesselt und jedem,
auch dem lviderstrebenden einen Lrinnerungswert mitgibt.
ux, UHen=D6bling.
Als Kind der Neklame sucht es naturlich nur die belebten
Platze aus, wo nicht 3eit oder Moglichkeit zum stillen
Kunstgenutz, es sucht zu wirken, wo viele Menschen sind,
und will in der Schnelligkeit eines Nugenblicks einen Parken
Linbruck Hervorbringen. Denn es ist fur den Nngenblick
geboren, im nachsten Moment ist es von hundert anderen
Lindrucken verschlungen. Da ist es schon Keine leichte Nus-
gabe, sich in dem Gebachtnis der hastenden Menge zu be-
Haupten, gleichsam mit ihren gleitenden Vlicken mitzueilen,
den Kurzen Snhalt haarscharf einzubringen und andere Lin-
wirkungen abzuwehren. Denn wo ein Plakat ist, sind
viele, und das Bunterlei der Stratze ist grotz. Sein Sinn ist,
datz es sich vordrangt, alles andere zu ubertrumpfen sucht
und aus immer neuere exzentrischere, unerhortere Mittel
versallt. 3ede Nusgelassenheit, jede Frechheit, jede Bizar-
rerie ist ihm erlaubt oder verziehen, denn es steht damit
unter dem Zwang einer Notwendigkeit, es kampst damit
um seine Existenz. Seden Nngenblick ist es neu, ist es
anders, wechselt seine Lrscheinungssormen mit der Hurtig-
Keit eines Fregoli.
Nus diesen seinen Lebensnotroenbigkeiten ergeben sich
seine Kunstlerischen Notwendigkeiten. Lhedem hat man,
und das geschieht wohl auch Heute noch, dem Plakat da-
durch eine Nnziehungskraft zu verleihen gesucht, datz man
irgendwelche Bilder, Landschaften namentlich, die Gesallen
erregen Konnten, plakatmatzig reproduzierte, auch wenn sie
zu dem eigentlichen Nnkunbigungsinhalt in Keinerlei Be-
ziehung standen. Die bildmatzige lvirkung eines solchen
Plakats sollte auch das lvunder tun, nebenher den Gersten-
Kassee oder die Schuhwichse oder roas sonst des Pudels
Kern roar, zur Geltung zu bringen. Und sie taten dieses
lvunder, solange es Keine andere Nrt von Plakaten gab.
Mogen die zu Plakatdiensten reproduzierten Bilder
an und fur sich noch so Knnstlerisch sein, als Plakat sind
sie es nicht. Nuch das Plakat hat seine Nsthetik, die ver-
langt, datz seine Form aus dem Nnkundigungsiuhalt geholt
roerde. Dieser Snhalt leiht den Stofs, und die Zeichnung
gibt ihm den kunstlerischen Nusdruck. Ls gibt auf seine
Nrt ein Symbol. Ls erzahlt nicht, es sucht Keine eigentlichen
malerischen Darstellungen, sondern roirkt als roitziger Linsall,
als eine Nrt grotzer Bilderschrift, die in einem einzigen Nus-
leuchten den ganzen geroollten Snhalt offenbart. Ls ist
unter Umstanben der Nusdruck einer glanzenden geistvollen
Phantasie, die befahigt ist, mit raschem Lrfassen all die
Kunterbunten Nlltagserscheinungen in die entsprechende zeich-
nerische Form zu ubertragen und durch nie gesehene oder
geahnte Gestaltungsmoglichkeiten zu sesseln oder roie be-
ruhmte Karikaturisten und lvitzblattzeichner, die charak-
teristische Linie einer Person oder Sache, roenn auch ubertrieben
und uberscharf, aber immerhin unumstotzlich roahr und ein-
drucksvoll sestzuhalten roissen. Datz heute auch Hervorragend
die Farbe beteiligt ist, die einsach und grotzslachig dasteht,
bedarf Kaum der Lrroahnung. Ls hangt damit zusammen,