Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 108
Bayerifche Sublldums«Landes »Husitellung 1906
Nr. 5
Stengel und Holzeraller Art in Betracht, da diese doch
auch aus Zellulose bestehen. Als erster gewann Vdlkers
(seit dem Jahre 1846) das Rohmaterial fur die Papier-
industrie in der Art aus dem Holz, daB er es an nassen
Schleifsteinen zermahlen lieB. Doch ist man allmåhlich
zu weit vollkommeneren Methoden gelangt. Man ver-
fåhrt nåmlich auch hier so, daB man Stroh und Holz
mit Mitteln kocht, welche wohl die Harze auflosen,
aber die Zellulose nicht veråndern. Lange Jahre diente
als Mittel hierzu das Atznatron, eine dem Kalk in
chemischer Beziehung sehr ahnliche Verbindung. Nur
erfordert Holz ein sehr starkes Kochen, das man deshalb
in Dampfkesseln ausfuhrt, in denen die Lauge schlieB-
lich unter einem Druck von zehn Atmospharen ein-
wirkt. Man kommt auf diese Art zu einer vorzuglichen
Zellulose. Ausgedehnte Versuche haben aber gezeigt, daB
nicht allein das Atznatron tur den vorliegenden Zweck
zu brauchen ist, sondern daB es noch viele andere
Chemikalien gibt, mit denen man ebenfalls Holz zu
Zellulose verkochen kann. Den Sieg unter all diesen
Mitteln hat mit dem Jahre 1878 der saure schweflig-
saure Kalk davongetragen. Mit ihm gekocht liefert
Holz eine ganz wundervolle Zellulose, die von dem
lateinischen Worte sulfur (= Schwefel) her den Namen
Sulfitzellulose fuhrt. Sie ist so langfaserig, daB der
Versuch nahelag, sie etwa mit Baumwolle gemischt zu
verspinnen, doch hat sich das nicht mit Erfolg be-
werkstelligen lassen. Auf folgendem Umwege jedoch
kommt sie seit dem Jahre 1903, womit wir bis in die
neueste Zeit gelangt sind, in Gespinnste, welche
unter dem Namen Silvalin im Handel sind.
In der modernen Papierindustrie gelangt das
nasse Papier von dem erwåhnten Sieb auf Filztucher,
an die es den groBten Teil seiner Feuchtigkeit abgibt,
und geht dann uber groBe Zylinder, die mit Dampf
geheizt sind und es vollig trocknen. Diese Zylinder
sind auf das beste poliert, um dem Papier eine
moglichst schone Oberflåche zu erteilen. Fur die
Silvalinfabrikation sind aber diese Zylinder im
Gegensatz hierzu mit zahlreichen schmalen Rillen
versehen. Ihre scharfen Kanten zerteilen das ankommende
Papier in eine groBe Anzahl Streifen, die von einer
davorstehenden Maschine sofort zu Faden gedreht
werden. Stellt man fur ein Gewebe die Kette*) aus
Baumwollfåden her, und verwendet als EinschluB die
Zellulosefaden, so erhalt man das Silvalin, das zu funfzig
und mehr Prozent aus Holzzellulose besteht. Es dient
bis jetzt hauptsachlich als Ersatz fur Jute. Man hat
Sacke aus Silvalin hergestellt, und sie mit Material
gefullt unter mehrmaligem Umladen die Reise um die
Welt machen lassen, worauf sie in durchaus brauch-
barem Zustande nach dem Ausgangshafen zuruck-
gekommen sind.
Damit haben wir die Benutzung der Zellulose
als solcher kennen gelernt. Nunmehr gehen wir
*) Als „Kette" und „EinschluB" bezeichnet man die beiden,
im Gewebe sich gewohnlich rechtwinklig kreuzenden Fadensysteme.
zu den Verwendungen uber, die sie im chemisch
verånderten Zustande findet. Es erstrecken sich
diese Arten der Nutzung nach sehr verschiedenen
Richtungen.
Der Baseler Chemiker Schonbein hatte um das
Jahr 1840 das Ozon entdeckt. Vorstellungen theo-
retischer Art, die er daran knupfte, veranlaBten ihn
einmal zu untersuchen, wie sich Korper aller Art gegen-
uber einem Gemisch aus starkster Schwefelsaure. und
starkster Salpetersaure verhalten wurde, das nach seiner
Meinung „Antozon", einen von ihm angenommenen,
dem Ozon entgegengesetzten Stoff, enthalten soilte.
Dieses furchtbare Gemisch wirkte naturlich aufs heftigste.
Mancher Korper brannte in ihm auf, mancher wurde
ohne Feuererscheinung vollig zerstort. Besonders merk-
wurdig zeigte sich das Verhalten der Baumwolle,
jener von der Natur gelieferten fast reinen Zellulose.
Nach kurzem Eintauchen in obige Flussigkeit und
darauffolgendem sofortigem Hineinwerfen in Wasser,
das die Weiterwirkung der Satiren aufzuheben bestimmt
war, schien sie ganz unverandert gebheben zu sein.
Doch war das nur scheinbar der Fall. Denn nach dem
Trocknen erwies sie sich als ein Sprengmittel von auBer-
ordentlicher Kraft, einer Kraft, neben der die Leistungs-
fahigkeit des bis dahin allein gebrauchlichen SchieB-
pulvers geradezu verblaBt. So kam denn der neue Stoff
zu dem Namen SchieBbaumwolle.
Das alte Pulver, ein Gemisch aus Koble, Schwefel
tind Salpeter, genugte bis dahin so ziemlich allen An-
spruchen des Friedens, wie z. B. im Bergbau, und
ebenso im Kriege; und ma i hatte schwerlich so be-
sonderes Interesse an der SchieBbaumwolle genommen,
wenn ihre Erfindung nicht gerade in eine Zeit gefallen
ware, der starkere Sprengmittel erwunscht waren. Grund
hierfur war der allmåhlich zunehmende Eisenbahnbau.
Mit dem Verlassen der Ebene stellte sich bel diesem
die Notwendigkeit des Tunnelbaues hera tis, da nament-
lich die ersten Eokomotiven nur sehr geringe Steigungen
zu uberwinden vermochten. So traf denn die Bahn,
die das Rheintal entlang in die Schweiz fuhren solite,
im sudhehen Baden auf einen Felsvorsprung, den Id-
steiner Klotz, der durchtunnelt werden muBte. Hier
in der Nåhe Basels horten die Techniker vom neuen
Sprengmittel, und erzielten bei seiner Verwendung sehr
zufriedenstellende Resultate.
Auch die Militårs wandten dem neuen Spreng-
stoff ihr Interesse zu. Jedoch explodierten sehr hald
1600 kg, die die franzosische Regierung hatte herstellen
lassen, scheinbar ohne jede Ursache von selbst. Der
osterreichischen Regierung, die an 300 000 kg sudlich
von Wien aufgespeichert hatte, ging es nicht besser.
Man glaubte anfangs an ein Erdbeben, als auch diese
Menge eines Tages wiederum scheinbar ohne auBere
Veranlassung explodierte. Damit schienen die Aus-
sichten auf dauernde praktische Verwendung der SchieB-
baumwolle vernichtet. Doch die erfahrenen Spreng-
stofftechniker lieBen sich dadurch nicht abschrecken.