Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 132
Bayeritoe Uubilfiums* kandes = Huskellung 1906
Hr. 6
soleher ist derjenige zu bezeichnen, welcher das Muster
geschaffen hat; deshalb kann auch ein Qewerbetreibender,
welcher das von einem Zeichner oder von einem
Bildhauer hervorgebrachte Muster vervielfåltigt, d. h.
auf seine Industrieerzeugnisse ubertragt, nieht als Ur-
heber in Betracht kommen, sondern nur der betreffende
Zeichner oder Bildhauer. (S. C. Davidsohn, die Reichs-
gesetze.) Einschrånkend wirkt hier der § 2 des Ge-
schmacksmusterschutzgesetzes, welcher besagt, daB bel
solchen Mustern und Modellen, welche von den in
einer inlåndischen gewerblichen Anstalt beschaftigten
Zeichnern, Malern, Bildhauern etc. im Auftrage oder
tur Rechnung des Eigentumers der gewerblichen An-
stalt angefertigt werden, der letztere, also der betreffende
Eigentumer als Urheber gilt, wenn durch Vertrag nichts
anderes bestimmt wurde.
Da nun als Muster oder Modelle im Sinne des in
Erage stehenden Gesetzes nur „neue und eigentumliche"
Erzeugnisse angesehen werden, so wollen wir uns im
folgenden mit diesen Begriffen etwas nåher befassen.
Nach den Motiven zum Gesetze sind als neue und
eigentumliche Erzeugnisse alle Muster anzusehen, welche
aus der eigenen geistigen, schopferischen Tåtigkeit des
Urhebers entstanden und nicht bereits fruher vorhanden
gewesen oder so einfacher Natur sind, daB bei ihnen
von einer geistigen Tåtigkeit uberhaupt nicht gesprochen
werden kann.
Durch einfache Nachbildung irgend eines alten
Gegenstandes kann daher niemals ein schutzfåhiges
Geschmacksmuster geschaffen werden.
Das Reichsgericht vertritt bezuglich der Begriffe
„neu und eigentumlich" folgende Auffassung: „Neu
und eigentumlich ist ein Formenganzes, welches den
Formensinn des die bildliche Ausgestaltung Anschauen-
den in einer eigenartigen, von der Wirkung fruher
bekannter Verbindungen von Formenelementen ver-
schiedenen Weise beruhrt und deswegen eine originelle
Betåtigung der in Formen schopferischen Kraft des
Urhebers bei dieser Schopfung anzeigt."
Nach § 7 des mehrfach genannten Gesetzes ge-
niefit aber der Urheber eines Musters oder Modells
nur dann den Schutz des Gesetzes, wenn er dasselbe
zur Eintragung in das Musterregister angemeldet und
ein Exemplar oder eine Abbildung desselben bei der
mit der Fuhrung des Musterregisters betrauten Behorde
niedergelegt hat, bevor ein nach dem Muster oder
Modell gefertigtes Erzeugnis verbreitet wird.
Wie wir eben gesehen haben, muB die Anmeldung
der zu schutzenden Muster erfolgen, bevor ein nach
dem Muster gefertigtes Erzeugnis verbreitet wird.
Zur Feststellnng des Begriffs der Verbreitung eines
gewerblichen Musters sei an eine diesbezugliche Ent-
scheidung des Reichsgerichtes vom 16. Dezember 1898
erinnert. Der Tatbestand war folgender: Die beklagte
Firma X. lieB am 2. Juli 1895 ein Muster in das Muster-
register eintragen. Dieselbe Firma hatte dieses Muster
am 1. Juni 1895 einem Geschåftsfreund gesandt, welcher
am 5. Juni nach Brasilien abreiste und dort im Monat
Oktober Bestellungen auf dasselbe entgegennahm.
Weiterhin hatte die Firma am 28. Juni 1895 das Muster
in drei den Verkaufsnummern 1624, 1626 und 1627
entsprechenden Exemplaren ihrem Vertreter uberschickt,
welcher es am 1. Juli 1895 anderen Personen vorlegte
und von zwei Personen Bestellungen annahm, die aber
erst nach dem 2. Juli ausgefuhrt wurden. Auf Grund
dieses Tatbestandes konstatierte das Reichsgericht in
Anerkennung des erstrichterlichen Urteils, daB hiernach
vor der. am 2. Juli 1895 erfolgten Eintragung in das
Musterregister nach dem Muster gefertigte Erzeugnisse
nicht verbreitet worden seien. Der SchluBsatz der
diesbezuglichen Begrundung, welcher uber die oben-
erwåhnte Verbreitung noch weiteren AufschluB gibt,
lautet wie folgt: „Nach den Feststellungen des ersten
Richters sind vor dem 2. Juli 1895 Musterproben, ab-
gesehen von der nicht in Betracht kommenden Mit-
teilung an Vertreter der geschådigten Firma und an
einen Hamburger Geschåftsfreund, der als ihr Vertreter
handeln wollte, nur in Berlin zur Kenntnis anderer
Personen gebracht und dort von zwei Personen Be-
stellungen gemacht, die indes erst nach dem 2. Juli 1895
ausgefuhrt sind. Die Musterproben selbst sind den
Personen, welchen sie in Berlin vorgelegt wurden,
nicht zur Verfugung gestelIt, sondern in dem Gewahrsam
des Vertreters der Firma, auch als Bestellungen gemacht
wurden, verblieben, sie sind nur in einem beschrånkten
Kreise anderen vorgezeigt, um ihnen ein Bild von den
nach der Probe noch zu fertigenden Erzeugnissen zu
gewåhren und sie in den Stand zu setzen, sich uber
die Bestellung solcher Erzeugnisse schlussig zu machen.
In anderer Weise sind die Musterproben vor dem 2. Juli
1895 nicht verwendet und es ist deshalb ohne recht-
lichen Irrtum angenommen, daB sie nicht als nach dem
Muster gefertigte Erzeugnisse verbreitet worden seien."
Im AnschluB an diese Entscheidung sei es gestattet,
noch eine die Neuheit bezw. Eigentumlichkeit eines
Musters betreffende Kammergerichtsentscheidung zu er-
wåhnen. Inhaltlich dieser Entscheidung vom 1. April
1903 sind Postkarten, welche nur das photographische
Bildnis einer bestimmten Person tragen, nicht muster-
schutzfåhig. Fur derartige Werke kommt das Photo-
graphiegesetz vom 10. Januar 1876 in Frage. Wir
wollen nunmehr untersuchen, inwieweit driften Personen
die Benutzung geschutzter Muster zur Hervorbringung
neuer Entwurfe gestattet ist. Die Erorterung dieser
Frage erscheint schon deshalb wichtig, weil allgemein
der Glaube verbreitet ist, daB bereits geringfugige
Anderungen genugen, um aus dem gegebenen Muster
ein neues zu schaffen. An und fur sich findet diese
Frage ihre Erledigung durch den § 4 des betreffenden
Gesetzes, welcher besagt, daB die freie Benutzung
einzelner Motive eines Musters oder Modells zur Her-
stellung eines neuen Musters oder Modells als Nach-
bildung nicht anzusehen ist. Es kann selbstverståndlich
nicht fur jeden Fall vorausgesagt werden, unter welchen