ForsideBøgerAusstellungszeitung Nürnberg 1906

Ausstellungszeitung Nürnberg 1906

Forfatter: Paul Johannes Rée

År: 1906

Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei

Sted: Nürnberg

Sider: 1096

UDK: St.f. 91(43)(064) Aus

Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern

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Side af 1124 Forrige Næste
Seife 134 Bayerifche ^ublldums* Landes = Husifenung 1906 Hr. 6 Infolge der Heftigkeit der Explosion kann man mit SchieBbaumwolle nicht wie mit dem alten Pulver schieBen. Wurde man sie ganz in der gleichen Weise verwenden, so wurde sie, anstatt die Kugel in Bewegung zu setzen, das Gewehr oder Geschutz zersprengen. Man hat den neuen Sprengstoff indessen allmåhlich so abzuåndern gelernt, daB er bei der Zusammensetzung des modernen rauehløsen Pulvers eine bedeutende Rolle spielt. In anders abgeanderter Form finden wir die SchieB- baumwolle heute sogar tast in jedem Haushalt und zwar unter dem Namen Zelluloid. Dieses tur unge- zahlte Gebrauchsgegenstånde so verwendbare Material hat Hyatt im Jahre 1878 entdeckt. Er tand, daB sich nasse SchieBbaumwolle mit Kampfer, von dem er den flintten Teil zuselzte, gut vermahlen laBt. Erhitzt man diese Mischung aut 120°, so schmilzt sie zu Zelluloid zusammen. Nimmt man dieses Erhitzen in Formen vor, so erhalt man direkt Platten, Kamme, Puppen- kopte usw. mit jenem bekannten angenehmen Glanz der Oberflache. Wir kennen jetzt die Verwendung der Zellulose und der SchieBbaumwolle in tester Form: nun kommen wir zu den Arten ihrer Verarbeitung, die sie nach Uberfuhrung in den aufgeldsten Zustand tindet. Bekannt ist uns allen, daB sich z. B. Zucker und Salz in Wasser løsen, Spiritus lost aber nur ersteren, kaum dagegen das Salz. Gibt man sich nun Muhe, nach geeigneten Edsungsmitteln zu suchen, so kann man diese fur die meisten Korper tinden. SchieBbaum- wolle løst sich z. B. in einem Gemisch von Spiritus und Ather. Dieses Gemisch ist sehr bekannt und zwar unter der Bezeichnung „Hoffmannstropfen". Es tuhrt seinen Namen nach dem Hallenser Professor der Medizin dieses Namens, der es um das Jahr 1750 zuerst emp- fohlen hat, woraut es bald Volksmittel wurde. Edst man SchieBbaumwolle in diesem Gemisch, so bekommt man eine dicke, sehr stark klebende Flussigkeit, die vom franzosischen Wort „colle" tur Leim den Namen Collodium erhalten hat. Das Collodium ist ja auch ein beliebtes Volksmittel z. B. zum Bestreichen von Wunden, aut denen es, Indem der Spiritus und Ather verdunsten, ein blankes Haut- chen von bedeutendem Glanz zurucklaBt. Das haben ungezahlte Augen gesehen, aber erst Chardonnet kam auf die Idee, darauf die Industrie der Kunstsei de zu begrunden. Dazu verfahrt er so, dalf er das Col- lodium durch auBerordentlich feine Rdhrchen in Wasser einflieBen laBt. Irn Wasser løsen sich der Spiritus und der Ather, aber die SchieBbaumwolle, die nun nicht mehr geldst bleiben kann, scheidet sich in Form eines Fadens aus, der sogleich aufgehaspelt wird. Damit ware die Kunstseide bereits tertig, wenn das Material eben nicht SchieBbaumwolle, also hdchst explosiv ware. So muB man ihm denn noch diese getahrliche Elgen schaft nehmen. Es gelingt dieses durch Behandeln mit gewissen Chemikalien, die glucklicherweise den Glanz der Faden nicht zerstdren. Hat aber nun jemals die Welt einen eigentlichen Mangel an Seide verspurt, so daB die Erfindung der Kunstseide einer gewissen Notwendigkeit entsprach? Nein, das ist nicht der Fall, umsøweniger als der »Glanzstoff", mit welchem Namen die Kunstseide jetzt zumeist bezeichnet wird, weit weniger test, als die Naturseide ist. Sicherlich ware daher dem Glanzstoff wohl kein groBer Verbrauch beschieden gewesen, wenn eben sein Glanz nicht ein so auBerordentlicher und von dem der Naturseide verschiedener ware. Dadurch kdnnen bei der Herstellung von Besatzartikeln, Spitzen usw. ehemals unbekannte Eftekte erzielt werden, die im steigenden MaBe den Beitall der Damenwelt tinden, und einen dauernd groben Verbrauch an Kunstseide sichern. Wir sagten oben, dalf man so ziemlich fur alle Stofte Edsungsmittel tinden kann. Daher spornten die Erfolge Chardonnets zahlreiche Erfinder an, Zellulose aut andere Weise in Edsung zu bringen, um sie in verspinnbaren Glanzstoff zu verwandeln. Auch dieses ist gelungen. Seit langem weiB man, daB sich Zellu- lose selbst in sogenanntem Kupferoxydammoniak Idst. Dieses erhalt man, wenn man in Ammoniak — das ist jene schart riechende Flussigkeit, die unter dem Namen Salmiakgeist im Haushalt als Fleckwasser dient Kupferoxyd zur Edsung bringt. Ealft man diese Art von Zelluloseldsung in verdunnte Schwefelsaure flielfen, die das Edsungsmittel sotort zerstdrt, so scheidet sich die Zellulose auch hier in einem seidenglanzenden Faden aus. Mit diesen zwei Methoden ist aber die Mdglichkeit, Zellulose in Edsung zu bringen, lange nicht erschdpft. Es mdgen jetzt funt bis sechs Ver- fahren dazu in den Fabriken des In- und Auslandes im Gebrauch sein. Die Zeit wird entscheiden, welches von ihnen den schdnsten, und welches den billigsten Glanzstoff lietert. Diese beiden werden alsdann die endgultigen Grundlagen der Kunstseidenfabrikation bliden. Stellt man an Stelle so teiner Faden, wie sie die Kunstseide erfordert, grdbere Faden her, indem man die Zelluloseldsungen aus weniger engen Rdhrchen austlleffen laBt, so zelgt es sich, daB man auf diesem Wege zu tadellosen Imitationen von Menschenhaar komnit. Nicht minder vollkommen erschelnt die Nach- ahmung des kunstlichen Rolfhaares, zu dem man auf ganz ahnlichem Wege gelangt. Auch dlese Erzeugnisse bringen die „Vereinlgten Kunstseidefabriken zu Frank- furt a. M.", die mit dIe grdlften Anlagen Ihrer Art sind, seit einlgen Monaten zum Verkauf.