Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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SSS
Seite 142
Bayerifche 9ubiIdums«kandes« Husffellung 1906
Nr. 7
Lunte Biløer
aus Nurnbergs und Mittelfrankens Vergangenheit.'
Hlitgeteilt von K. Ardjipfekretår Sumdel, Hurnberg.
Die Rtirnberger benn Frankfurter Pfeifergericht.
Øus „Dichlung und Wahrheit" Kenni jedermann
Goethes lebendige Schilderung des Frankfurter
Pfeisergerichts, d. h. jener feierlichen Genchts-
, sitzung, in welcher die Nbgesandten der Stadie
Rtirnberg, lvorms und Bamberg alljahrlich dem Kaiser-
lichen Schultheitzen zur Rnerkennung der Vergunstigung,
nach welcher ihre tvåren in Frankfurt zollfrei sein sollen,
gewisse althergebrachte Geschenke uberreichten. (Es ist nun
in hohem Grade interessant, mit dieser Schilderung unseres
ltltmeisters eine uns erhaltene, aus der zweiten halfte des
16. Iahrhunderts stammende Instruktion des Rtirnberger
Rates**) sur seinen mit der „Rusholung der Zollsreiheit"
betrauten Nbgesandten zu vergleichen. Dabei zeigt es sich,
wie getreu und in viele Ginzelheiten genau des Dichters
Darstellung ist, auch seine Schlutzbemerkung, datz Rtirnberg
es unternommen hatte, die Pfeiser fur sich und seine Mit-
stadte jedes Iahr zu stellen, ist zulrefsendch) Im solgenden
sei unsere Instruktion, die auch eine Reihe neuer, von
Goethe nicht vermerkter 3uge enthalt, mit einigen unroesent-
lichen Ruslassungen wiedergegeben.
Ris Tag der „Rusholung" der Zollsreiheit war der
letzte Gerichtstag der Frankfurter Schoffen vor Maria
Geburt (8. September) ein stir allemale festgesetzt. Gerichts-
tage waren in Frankfurt der Montag, Mittmoch und Frei-
tag, und je nachdem nun das Fest Maria Geburt fiel,
murde einer dieser Tage gewahlt und am Rbend zuvor
die Stunde zur Uberreichung der Geschenke (geroohnlich
9 — 10 Uhr vormittags) mit dem Kaiserlichen Schultheitzen
vereinbart. Rm gleichen Rbend lietz der Rtirnberger Ge-
sandte auch die zur Bartholomaimesse anwesenden Rtirn-
berger Kaufleute bitten, sich am solgenden Tage um 7 Rhr
srtih im Rtirnberger hose einzufinden und der Heimatstadt
zu Thren die „Schenk" zum Romer hin und zurtick zu
begleiten.
Rm sestgesetzten Tage nun zieht zuerst der Wormser
Gesandte unter Vorantritt dreier Rtirnberger Stabtpfeifertt)
nach dem Rathause, hienach der Bamberger und schlietzlich
der Rtirnberger. Wahrend Worms und Bamberg „schenklen",
murden im Rtirnberger hose die zur Begleitung erschienenen
Kaufleute mit einer „Morgensuppe", Gebratenem, Gbst und
*) (Duellen sind durchweg Nrchivalien des hiesigen tt.ttreisarchives.
** ) 3m K. Ureisarchive Nurnberg. Ver Titel lautet i Instruktion
oder Vertzaichnus, welcherrnassen, auch zu was Seit, Tag vnd Stundt
die 3oIlfregheit zu Frannckfurt am Main vnd zu Maintz von wegen
der Statt Nurmberg Trfordert vnd Nufgeholt werdcn soll.
f) Freilich unterhielten die Nurnberger nicht, wie Goethe meint,
die Pfeiser allein, sondern zu gleichen Teilen mit Bamberg und
U)orms. Ilede der drei Stadte gab ihnen 18 Guiden zu Sold und
2 fl. Geleitgeld fur die Nnsbacher, roilrzburger, Mainzer ic. Geleitsreiter.
ff) Shren Nnzug jchildert uns Goethe.
Rase bemirtet, auch „tvein genug" gegeben. Dabei multen
die Rtirnberger aber gewaltig auspassen, datz die Wormser
und Bamberger nicht allzulange ausblieben, denn wenn die
Frankfurter Schoffen aufstanden, ohne datz die Rtirnberger
gekommen maren, mar die Zollfreiheit vertan und verspielt.
Kamen die Pfeiser nun endlich nach dem Rtirnberger
hos zurtick, so ordneten sich die Rtirnberger zum Suge nach
dem Romer. Voraus die Spielleute, dann solgt der Ge-
sandte, der offen in der rechten hand eine Holzerne „Kre-
denz"*) tragt, darin liegt ein Pfund Psefserntisse, ein rundes
Stablein und Kreuzmeise dartiber ein Paar „gefingerter",
gelber, lederner handschuhe. Rechts und links neben dem
Gesandten gehen zmei Rtirnberger Btirger und die tibrigen
folgen hinterdrein. Kommt der 5ug nun in den grotzen
Saal des Romers, mo die Schoffen unter dem Vorsitze des
Schultheitzen tagen, so nahm der Gesandte innerhalb der
Schranken Russtellung und wartete, bis der gerade zur
Verhandlung stehende Fall erledigt und die Sachmalter ihre
Reden geschlossen hatten. Vauert dies zu lange, so gibt
der Schultheitz ihnen ein Zeichen, zu schmeigen. Runmehr
verneigt sich der Gesandte vor Schultheitz und Schoffen und
spricht: „Gestrenge, Tdle und Threnseste! Herr der Schultheitz!
Threnseste, hochgelerte, stirsichtige, erbare und meise, gtitige,
liebe Herren! Hier erscheine ich und bringe die Gerechtigkeit
von roegen meiner herren, eines ehrenfesten, stirsichtigen,
ehrbaren und roeisen Rates der Stadt Rtirnberg von der
Freiheit roegen, die ihre (Erbarkeiten und derselben Btirger
alljahrlich zu Frankfurt haben, dieselbe damit zu bestatigen,
roie dann von Riter herkommen ist, und bitte roiederum
um solche Freiheit und Gerechtigkeit, roie dann ehrengedachte
meine Herren und ihre Btirger dieselbe bisher gehabt
haben." Ver Schultheitz fragt zunachst: „Lieber Freund,
seid ihr ein Rtirnberger Btirger?" Der Gesandte ant-
roortet: „Ja!" Varauf spricht der Schultheitz: „So roill
ich euch hiemit bei den Pflichten, damit ihr einem erbaren
Rate zu Rtirnberg zugetan seid, eingebunden haben, datz
man Keine anderen sremden Gtiter unter der Zollsreiheit
durch- oder unterschleifen roolie." Runmehr nimmt der
Bote des Schultheitzen die Geschenke an sich und daraus
fragt der Gerichtsschreiber noch nach Taus- und Familien-
namen des Gesandten und „schreibt ihn ein". Run spielen
die Pfeiser nochmals aus und dann geht der Zug in der
srtiheren (Vrdnung nach dem Rtirnberger hof zurtick, roo
die Teilnehmer roiederum mit stitzem oder Rheinroein
traktiert roerben.**)
*) Goethe jagt Becher; dies durfte auch gemeint sein. Ver
Enkel des Schultheitzen Textor hatte ja oft genug mit diesen Nurn-
berger Bechern, Stabchen und Handschuhen gespielt.
**) Ver Bewohner des Nurnberger Hofes erhielt fur die Erlaubnis,
das Mahl bort abzuhalten, und flir die leihweise Nblaffung des be-