Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 210
Bayerifche ^ubildums - =bondes = flusffellung 1900
Hr. 10
Die Nlihmeshalle mit der Bavaria in Mtinchen.
Tuschzeichnung von Wilhelm Schachl. Milnchen.
allgemeinen Nugenmerk diene, datz nicht Zierlichkeit, sondern
gediegene Grotze die erste Bebingung ist" — „Kutzerlich
grotz verbinde es damit aussullende Grotze, die Masse rnutz
durchdringenden Lindruck bervirkren, bleibenden, dem Tegen-
stand angemessenen".
Nllerdings dachte Ludwig da an Keinen anderen Stil
als den hellenischen, wie andere Zeitgenossen, aber datz der
Konig so lange er Bauten entstehen lietz, schlietzlich doch
nur — und ganz unabhangig — ein graderes bleibendes,
zeitloseres, Kunstlerisches 3iel versolgte als die ltachahmung
eines bestimmten Stiles, verkrundet deutlich die stolze Reihe
seiner Monumentalbauten. Grotze linlage, GrotzzugigKeit,
wie wir Heute so gern sagen, jene hohen Werte, die nur
Kunstlerisch reif erwogene Schlichtheit zu geben vermag, all
das und nur das ist's, was das bauherrliche Gebieten des
Konigs Ludwig auch vor seinen furstlichen Zeitgenossen aus-
zeichnet, was des Kbnigs Monumente allein fur alle Zeiten
uber die Bauten des 19. Iahrhunderts zu stellen vermag.
Man mag deshalb sehr wohl die etwa gleichzeitig in
Berlin entstandenen Bauten im einzelnen fur zierlicher, den
formalen Schmuckteilen nach fur seiner halten, die bedeutendere
und erfolgreichere Mchtschnur noch bis aus unsere Tage zu
geben, war Ludwigs einsachen Bauten mit Recht beschieden.
Vie Koniglichen Bauten der Ludwigsstratze in Munchen
werden durch diese Tinheit des Kunstlerischen Gedankens,
der in sehr einsachen Mitteln verkorpert, zu einem so grotzen
Zusammenwirken der Linien, zu einem Gesamtbilde vereint,
das Vorbeihastende allerdings nicht genietzen Konnen, uns
aber wie durch einen grotzartigen Raum, der aus den
Schmalseiten von dem Siegestor und der Feldherrnhalle
begrenzt wird, fuhrt. Noch mehr als die Ludwigsstratze ist der
Konigsplatz, der noch immer nicht seines gleichen in Deutsch-
land besitzt, so recht ein wunderoolles Venkmal von unseres
grotzen Konigs glucklichem Kunstlerischem Gebieten. liuch Hier
sind die Stilunterschiede der Bauten, die einem Bilde dienen
sollen, recht verschieden, aber auch Hier ist die Grotze des
Kunstlerischen Gedankens, die Schlichtheit der Linien, die
ganz Herrliche Triumphe in den Propylaen seiert, das, was
ganz Veutschland sehlte und glucklicherweise ein Jahrhundert
spater in Bayerns Nesidenz als bestes Vorbild aufgefatzt wurde.
IDie lacherlich darum, roenn Kleine Geister von Heute
den Stimmen jener Philister, die mitzmutig des Konigs
Bauten entstehen sahen, ein Tcho sind und das Nebeneinander
verschiedener Stile bemakeln, den grotzen einheitlichen Geist
fast aller Bauten aber nicht sehen und nicht fuhlen roollen ! -
Zweifellos entsprang dies grotze Kunstlerische Fuhlen
Ludwigs, das ihn recht eigentlich zum Koniglichen Bauherrn
des 19. Iahrhunderts gemacht, einem ahnlichen menschlichen
Lmpfinden, das seinen Vater, den ersten Konig von Bayern,
mehr sozial ausbauend wirken lietz.
Nn die grotzen erzieherischen Gaben und Moglich-
Keiten der Kunst glaubte der Konig bestimmt - fur sein
Teutschland erhob er die Kunst auf den Thron - und wie
prachtig gestaltete ihn ihr der Konig, mit welch geroinnender
Schlichtheit scharte sie Deutschlands schopferische Iugend um sich.
In der linschauung von der Kunst reinmenschlicher
Bestimmung fuhlte sich Ludwig gerade als Kronprinz mit
den besten Geistern seiner 5eit eins. Hatte nicht auch Ludwig
ahnliche Morte schreiben konnen, wie sie Klenze 1814 in
sein Vorwort zum Plane eines Monumentes fur den Volker-
frieden von 1813 niederschrieb: »le monument est ainsi
que les beaux arts memes purement religieux et philan-
tropique."? - gedensalls hat der Konig glanzend bewiesen,
wie in der Kunst kosmopolitische linschauung und nationales
Wollen vereint und vereinbar sind. (Er wutzte, datz nichts
so sehr als die Kleinheit Deutschlands Kunst geschadet, datz
ihr die Grotze am allernotroendigsten. liuf klassischen Statten,
vor den Bauten Roms, in Italiens grotzen alten Kultur-
stadten, an denen die Jahrhunderte zwar in verschiedenen
Formen, aber in einem grotzen Geiste gebaut, war des Konigs
Lmpfinden kraftig erwachsen.
lillerdings mag den Tadlern des koniglichen Bauherrn
in einem Punkte einigermatzen recht gegeben werden. So
nachhaltig befruchtend der Keim der Kunst Ludwigs I. gerade
auf unsere Zeit geroirkt, die Kleineren angewandten Kunste,
der Sinn fur zierliches lverk ging verloren, erhielt roenig
Nahrung. Geschadigt rourde aber die baukunstlerische Lnt-
roicklung Munchens vor allen Vingen, indem in den bau-
polizeilichen Vorschriften sur die hochbauten in der Kgl. Haupt-
und Residenzstadt Munchen von 1845 das gesunde Kunst