Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seife 262
Bayerifche Subildums-handes-fluskenung 1906
Nr. 12
eine groBe technisch-kunstlerische Versuchsanstalt ist.
Es wird aus einer Mischung von Sand, Salpeter und
Natronsalzen, ferner aus Kreide, Mergel und Lehm
geformt. Diese sehr schwer zu behandelnde Masse
wird dann bei niedriger Temperatur gebrannt und mit
Maleret unter der Glasur versehen. Die Erzeugnisse
sind also garnicht eigentlich Porzellan, da sie kein Kaolin
enthalten, auch nicht einmal Tonwaren, sondern noch
am ehesten als selbstandige, ohne Unterlage auftretende
Glasuren zu bezeichnen.
Bei dieser Mannigfaltigkeit der Erzeugnisse der
Porzellanindustrie muB es als kaum durchfuhrbar er-
scheinen, eine Begriffsbestimmung dafur aufzustellen,
was Porzellan eigentlich ist, da, selbst abgesehen vom
Frittenporzellan, jede gelegentlich vorgeschlagene Be-
griffsbestimmung fur Porzellan mit irgend welchen
Erzeugnissen dieser so vielseitigen Industrie in Wider-
spruch gerat. Die Sache liegt hier åhnlich wie bei
der beruhmten Erage, was eine Erfindung sei, wo es
auch im einzelnen Falle viel leichter ist, zu sagen, ob
eine Erfindung vorliegt oder nicht, als ganz im all-
gemeinen diesen Begriff festzusetzen.
Die zweite Gruppe der keramischen Industrie ist
diejenige des Steinguts und Steinzeugs, ebenfalls eine
ganze Reihe der verschiedensten Erzeugnisse umfassend.
Gegenuber der Porzellanindustrie werden Steinzeug und
Steingut bei weit geringeren Hitzegraden gebrannt.
Zunåchst schlieBt sich an das Porzellan an das saure-
feste Steinzeug, aus Kaolin und gutem feuerfesten Ton
hergestellt, nach Bedurfnis auch mit FluBmitteln ver-
setzt. Es ist, ebenso wie das Porzellan, durch und
durch gesintert, jedoch nicht von weiBer, sondern von
grauer, gelber oder brauner Farbe, und auch nicht, wie
Porzellan, in dunneren Schichten durchscheinend. Es
wird selten mit einer Lehm- oder Kalkglasur, meistens
mit Salzglasur versehen, vielfach aber auch nicht glasiert
und dient zur Herstellung aller mdglichen Bedarfsartikel
fur die chemische Industrie, in der es wegen der
Metalle angreifenden Flussigkeiten und Dampfe vielfach
an Stelle des Eisens sogar fur Pumpen und ahnliche
Maschinen benutzt wird.
Nur aus gutem, feuerfestem Ton ohne Beimengung
von FluBmitteln wird das gemeine Steinzeug hergestellt,
wie es in groBtem Umfange z. B. im nassauischen
Kannenbackerland und anderswo zu Krugen, Flaschen,
TrinkgefaBen usw. verarbeitet wird. Eine beliebte Art
und Weise, dies Material zu verzieren, besteht in der
Aufbringung von eingeritzten oder aufgelegten Orna-
menten und in Kobaltmalerei unter Salzglasur.
Eine bessere Sorte von glasiertem Steinzeug ist
das, was man in England Gesundheitsporzellan nennt
und wird fur Badezwecke usw. viel benutzt. Auch
Ausgusse sind in feineren Qualitåten aus diesem
Material hergestellt, wahrend die gewohnlichen, braun-
gefarbten Waren, wie auch die AbfluBrohren usw.
salzglasiertes gewbhnliches Steinzeug zu sein pflegen.
Das erwahnte feine Steinzeug wird entweder mit einer
bleifreien Kalkglasur versehen, die im Rohbrande auf-
gebracht wird, oder es wird nach dem Rohbrande noch
in einem zweiten Brande mit einer leicht schmelzenden
Glasur uberzogen.
Eine andere besondere Art von feinem Steinzeug
ist unter dem Namen Wedgewood bekannt und wird
namentlich in England, aber auch unter anderer Be-
zeichnung bei uns hergestellt. Es zeigt auf einer durch
und durch gefarbten Masse weiBe erhabene Verzierungen,
meist figurlicher Art.
Åhnlich wie das Steinzeug zerfallt auch das Stein-
gut in zwei Klassen, namlich in das Hartsteingut, auch
Feldspatsteingut oder Halbporzellan genannt, und in
das gewdhnliche Steingut. Ersteres, auch als feines
Steingut bezeichnet, wird aus fast weiB brennendem,
plastischem, feuerfestem Ton hergestellt und nach Be-
darf mit Quarz oder Feldspat, auch mit Kaolin ver-
setzt. Die verwendete Masse ist also derjenigen des
Porzellans sebr åhnlich. Es unterscheidet sich von
Porzellan hauptsachlich durch den schwacheren, den
Scherben nicht durch und durch dicht machenden Brand,
so daB also fur gewohnlich eine Glasur unerlaBlich wird,
wahrend eine solche bei den bisher betrachteten Er-
zeugnissen der Industrie nicht erforderlich war, um den
Scherben undurchlassig zu machen. Das feine Steingut
wird mit einer leicht schmelzenden, farblosen, bleihaltigen
Glasur versehen. Es kommt also sehr darauf an, daB
der Scherben auch wirklich farblos ist, da das Erzeug-
nis sonst nicht den gewunschten porzellanahnlichen
Eindruck machen kann. Um eine etwa auftretende
gelbliche Farbung des Scherbens auszugleichen, wird
diese durch einen geringen Zusatz von Kobalt-
verbindungen wieder aufgehoben. Es findet also hier
ein åhnliches Blåuen statt, wie bei Zucker und in
manchen anderen Fallen.
Diese Herstellungsweise bringt es mit sich, daB
das Steingut zweimal gebrannt wird; jedoch im Unter-
schied von Porzellan ist das Feuer des ersteren Brandes
nicht starker, sondern schwacher als das des zweiten
Brandes. Entsprechend der hierdurch erzielten leichteren
und billigeren Herstellbarkeit des Materials verwendet
man auf die Dekoration nicht soviel Sorgfalt, wie beim
Porzellan. Die einzubrennenden Verzierungen werden
vielfach nicht aufgemalt, sondern als Abziehbilder auf-
gebracht. Jedoch ist andererseits bei diesen Abzieh-
bildern ein dreimaliges Brennen notig, namlich auBer
den gewohnlichen Branden noch ein ganz schwaches
Erhitzen vor dem Einbrennen der Bilder, um den den
Abziehbildern anhaftendem Firnis zu vertreiben.
Noch schwacher gebrannt als das Hartsteingut
wird das gewdhnliche Steingut. Hier unterscheidet
man das heute kaum mehr dargestellte Tonsteingut,
im wesentlichen nur aus feuerfestem Ton und Quarz
bestehend, von dem Kalksteingut, das mehr oder
weniger groBe Zusatze von Kalk, Kaolin oder auch von
Schamottepulver erhalt. Auch das Kalksteingut weicht
jetzt mehr und mehr dem Hartsteingut. Unglasierte