Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Rr. 12
Bayerifche SubiMums ■ handes - Husifellung 1906
Seite 263
Erzeugnisse aus diesem Material sind die bekannten
Tonpfeifen, ferner Zellen fur elektrische Elemente und
dergleichen.
Wir kamen nunmehr zu der dritten Klasse von
Erzeugnissen der keramischen Industrie, bei der der
Brand noch schwåcher ist, und die wir als gewohnliche
Topferware bezeichnen. Hier waren zunåchst Fayence
und Majolika zu erwåhnen, zwei Benennungen, die in
mannigfaltigstem Sinne gebraucht worden sind. Ohne
uns hier auf Darlegungen daruber einzulassen, was man
hier oder da sonst noch als Fayence oder Majolika be-
zeichnet, so wollen wir unter Fayence Waren verstehen,
die aus mehr oder weniger gefarbtem Ton in schwachem
Feuer gebrannt sind, einen stark durchlassigen Scherben
haben und mit einer weiBen Zinn- und bleihaltigen Glasur
versehen sind. Als Majolika wollen wir solche Er-
zeugnisse benennen, die in ihrer Herstellungsweise den
Fayencen ahnlich sind, sich aber dadurch von ihnen
unterscheiden, daB sie nicht Gebrauchsgeschirr, Teller
oder dergleichen Waren darstellen. Vielmehr sind die
Majoliken entweder mit Reliefs versehen, oder bilden
geradezu figurliche Darstellungen. Majoliken in diesem
Sinne werden alierdings gegenwartig kaum mehr her-
gestellt, wenn wir nicht etwa die italienischen Firmen
abrechnen, die noch heute die Erzeugnisse der Familie
de la Robbia und anderer altertumlicher Kunstler
nachmachen. Was heute unter dem Namen Majolika
erzeugt wird, ist in der Tat nicht dieses Material, sondern
glasierte, ziemlich stark gebrannte Terrakotta.
Ahnlich wie die Majolika wird auch eigentliche
Fayence gegenwartig nur noch in Italien zum Zwecke
der Nachahmung alterer Erzeugnisse dargestellt, wahrend
die beruhmte Delfter Fayenceindustrie vollkommen
eingegangen ist.
Jedoch kann andererseits die heutige Industrie der
Ofenkacheln als eine Fortsetzung der alten Fayence-
und Majolikaindustrie bezeichnet werden, insofern auch
sie auf einem schwach gebrannten, gefarbten Scherben
mit deckenden, weiBen oder bunten Glasuren arbeitet
und dabei entweder glatte oder mehr oder weniger
mit erhabenem Ornament versehene Erzeugnisse her-
vorbringt.
Wir kamen nunmehr zu einer Klasse von Erzeug-
nissen, die im weitesten Umfange benutzt wird, namlich
zu dem sogenannten Irdengeschirr oder gemeinen
Topfergeschirr. Diese Waren werden aus gewohnlichem,
nicht feuerfestem, verhaltnismaBig leicht schmelzbarem
Ton hergestellt. Die Glasur besteht meist aus Ton-
und Bleiglåtte mit farbenden Metalloxyden. Statt deren
wird auch oft eine bleifreie Lehmglasur verwendet.
Da die gewbhnlichen Irdengeschirre mdglichst
billig hergestellt werden mussen, so werden sie vor
dem Glasieren nicht gebrannt, sondern die Glasur wird
auf die nur lufttrockene Ware aufgegeben. Vielfach
erhalten die Erzeugnisse vor dem Aufbringen der Glasur
noch einen Uberzug aus einer anders gefarbten Ton-
art, insbesondere einen weiBen Tonuberzug, so daB die
Notwendigkeit fortfallt, gefarbte Glasuren aufbringen
zu mussen. Geschirre, die als Kochgeschirre dienen
sollen, werden vielfach nur innen glasiert, damit sie
die Schwankungen der Temperatur besser aushalten
konnen.
Eine besondere Art der Kochgeschirre ist das
Bunzlauer Geschirr, das auBen eine braune Lehmglasur,
innen eine weiBe aus Kreide und Feldspat hergestellte
bleifreie Glasur erhalten hat und verhaltnismaBig stark
gebrannt ist. Das sogenannte feuerfeste Kochgeschirr
besteht dagegen aus Porzellan, das innen seine natur-
liche weiBe Farbe, auBen eine braune Bemalung besitzt.
Als letzte Klasse von Erzeugnissen der Tonwaren-
industrie waren die Terrakotten zu nennen, die zugleich
schon den Ubergang zu der Bausteinindustrie bilden.
Wahrend die bisher betrachteten Erzeugnisse immer
schwåcher gebrannt waren, so wurden die Terrakotten
als zuletzt in der Reihe stehende Erzeugnisse den aller-
schwachsten Brand besitzen, was auch fur eine Reihe
von Terrakotten durchaus zutrifft. Hierher gehoren
insbesondere die farbigen, namentlich mattroten Terra-
kotten, wie sie vielfach in Gestalt kleiner figurlicher
Erzeugnisse hergestellt werden. Dagegen sind andere
Terrakotten viel starker gebrannt, insbesondere die-
jenigen, die als Bauteile Verwendung finden sollen.
Terrakotten letzterer Art werden aus der namlichen,
wenn auch sorgfaltiger aufbereiteten Masse hergestellt,
wie sie zur Fabrikation guter Ziegel benutzt wird, und
sind schlieBlich nichts anderes, als Ziegel von unge-
wåhnlicher Form und GrbBe. Hierher gehoren auch
die sogenannten sandsteinfarbenen Terrakotten, die eine
Zeitlang fur im Freien aufzustellende Figuren sehr
beliebt waren und unter starkem Schamottezusatz bei
so hoher Temperatur gebrannt wurden, daB sie ohne
jeden Anstrich im Freien aufgestellt werden konnten.
Den Gegensatz hierzu bilden die gewbhnlichen,
in Garten vielfach anzutreffenden, bunt angestrichenen
Figuren, die aus schwach gebrannter Masse bestehen,
und wobei der auBere Eackuberzug der Witterung
gegenuber den Hauptwiderstand zu leisten hat. Auch
Schmuckvasen, Figuren fur kirchliche Zwecke usw.
werden vielfach aus schwach gebrannter, lackierter,
sogenannter kaltglasierter Terrakotta hergestellt.
Die bemalten Terrakotten des griechischen Alter-
tums, wie die schonroten, als terra sigillata bekannten
Terrakotten der Romer selen hier nur erwahnt.
Viele Erzeugnisse, die unter dem Namen Terrakotta
gehen, sind dagegen uberhaupt nicht als Erzeugnisse
der Tonwarenindustrie anzusehen, sondern bestehen aus
lackierter Gipsmasse oder aus sogenanntem HartguB,
was namentlich von massenhaft in den Handel ge-
brachten Heiligenfiguren glit.
In der Mauersteinindustrie waren zunåchst die
FlieBen und Platten zu erwahnen, ein Sammelname,
unter dem wir scharfer gebrannte, gegen die Einflusse
der Witterung, wie gegen diejenige der Abnutzung
widerstandsfahigere Ware verstehen wollen. Diese hat