Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 412
Bayerifdie Subilflums-bandes-fius^felIu^g 1906
Hr. 19
Mortel eingeschlossen bleiben. Die unangegriffenen
Teilchen verhalten sich nicht anders als feiner Sand.
Im entgegengesetzten Falle eines UbermaBes von
Kalkteig aber wird der TraB ganz und gar darin auf-
geldst und eine KalktraBverbindung gebildet, welche
fur Wasser durchlåssig und von Wasser angreifbar ist
und jedesmal Regen- oder Leckwasser aufnimmt oder
Wasser aus dem Boden ansaugt, das dann bei Sonnen-
schein verdunstet. Auf seinem Wege nach der Ober-
flåche aber nimmt das Wasser mit, was es aus dem
Mortel gelost hat und setzt es beim Verdunsten
wieder ab.
Bei Portland-Zementkalkmbrtel ist der chemische
Vorgang etwas verwickelter, die Wirkung oft noch viel
bedeutender. Beim Versteinern von Portland-Zement
an und fur sich nåmlich wird schon freier Kalk abge-
setzt, mit anderen Worten, er enthalt ohnehin schon
mehr Kalk als fur die Endverbindung notig wåre. Es
liegt auf der Hand, daB durch weitere VergroBerung
des Kalkgehaltes die Einheitlichkeit und Gute der
Endverbindung nicht gefbrdert werden kann; in Wirk-
lichkeit wird diese denn auch um so durchlassiger
fur Wasser, je mehr Kalk hinzugefugt war. Kehrt man,
wie es die Maurer und die Bauleute in ihrer Unkennt-
nis oftmals tun, das Verhaltnis sogar so um, daB ein
wenig Portland-Zement in einer Unmenge Kalkteigs
ertrankt wird, so bekommi man einen die Eeuchtigkeit
so sehr anziehenden Mortel, daB die Mauer, welche
damit gemauert wird, durchgeregnet wird. Dasselbe
findet statt, wenn sehr wenig TraB mit sehr viel Kalk-
teig verarbeitet wird.
Dringt Wasser von innen nach au Ben, wie bei
Mauerbbschungen, oder wird immer und immer wieder
dieselbe Stelle an der Mauer befeuchtet, durch das von
einem Dache oder von der Schwelle einer tiefen Nische
ablaufende Wasser, so wird der Mortel auf die Daner
so sehr ausgelaugt, daB der weiBe Ausschlag das Aus-
sehen eines ausgeflossenen Stromes erhalt und die
Ziegel mit der Zeit lose aufeinander zu liegen kommen.
Das Losen der Steine wird befbrdert durch das
Schwinden der Mauerfugen infolge der Sandarmut des
Mbrtels.
Ein merkwurdiges Beispiel des Einflusses des
Mbrtels auf das Verwittern von Backstein ist ein
althollåndischer Giebel, welchen man vor einem Viertel-
jahrhundert zu Leiden abgebrochen und aus Ehrfurcht
und Bewunderung fur das Alterttimliche im Hof der
technischen Hochschule von neuem aufgebaut hat.
Der Backstein, welcher an der ursprunglichen Stelle
den Jahrhunderten getrotzt hatte und neu verarbeitet
vollkommen unversehrt war, zeigt jetzt, nach ungefahr
25 Jahren sehr deutliche Zeichen von Verwitterung.
Wie kommen nun die Steine dazu abzuschiefern?
Dieses findet darin seine Ursache, daB in den Poren
im Innern des Steines, vor allem in denjenigen unmittel-
bar unter der Oberflåche, derselbe Vorgang stattfindet
als auf ihr: Verdunstung von Wasser und daraus
Niederschlagen festen Stoffes, Anhaufung auBerst kleiner
Kristalle in solchem MaBe, daB dadurch ein Druck
entsteht, der die Oberflåche zum Abbrockeln bringt.
Schiefer verschiedener solcher Mauerteile sind in meinem
Besitze. Meistens kann man sie mit Beihilfe eines
Taschenmessers leicht sammeln. Ich kenne mehrere
Bauten, wobei auch der Sandstein stark abschiefert.
Nur allein der Belgische Hartstein (ein dichter Kalk-
stein) bleibt unversehrt, weil er zu dicht und zu fettig
ist, um Wasser aufzunehmen.
Hartgebrannte Klinker schiefern aus derselben Ur-
sache ebensowenig ab. Daher kommt es, daB die
Ziegel des TraBrahmens selbst unversehrt bleiben,
selbst wenn der Mortel Eeuchtigkeit aus dem Boden
aufnimmt und nach obenhin abgibt. Wo das Auf-
steigen des Wassers durch eine Eensterschwelle ge-
hemmt wird, håufen sich die Kristalle in den weicheren
Mauerziegeln unmittelbar unterhalb der Unterbrechungs-
stelle an und die betr. Ziegel schiefern ab. Der beste
Beweis des Zusammenhangs zwischen Ausschlagen und
Abschiefern des Mauerwerkes ist wohl, daB die Schiefer,
welche man einer Mauer, die dem Ubel unterworfen
ist, entnimmt, und die gewbhnlich an der AuBenseite
Spuren weiBen Ausschlags zeigen, an der Innenseite
bisweilen ganz weiB werden, wenn man sie einer ge-
linden Erwårmung aussetzt, z. B. wenn man sie, mit
der Innenseite oben, auf eine lauwarme Kaminplatte
legt. Plbtzliche, starke Erhitzung verursacht eine zu
schnelle Verdunstung des Wassers, um die Salze an die
Oberflåche gelangen zu lassen.
UngleichmåBigkeit in Zusammenstellung der
åuBeren Schicht und des Kerns befbrdert das Ab-
schiefern. NachgepreBte Ziegel werden, wenn sie nicht
allzugar gebrannt sind, eher abschiefern als andere
Ziegel von gleichem Brandgrad, doch die Hauptursache
liegt immer im Mortel.
Ein schlagendes Beispiel des verderblichen Ein-
flusses fetter Portlandzementkalkmbrtel auf die darin
verarbeiteten Mauerziegel fand ich im Mai d. J. in
einem im Juli und August d. v. J. gebauten, 41 m
hoben Fabrikschornstein, uber dessen Zustand mein
Outachten gewunscht wurde.
Ich fand diesen Schornstein in sehr baufålligem
Zustand. Eine Unzahl der Ziegel waren gerissen und
zermalmt und der Bau im ganzen zeigte einige groBe,
ungefåhr lotrechte Risse. Von Senkung war nichts zu
spuren und der fehlerhafte Zustand war also nicht
durch eine mindergute Fundierung bedingt; im Gegen-
teil war an dem Fundament nichts zu beanstanden.
(SchluB folgt.)