Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Nr. 23
Bayerifche Subildums - handes - Huslfellung 1906
Seife 499
I. Der Bund behalt sich das Recht vor, alle von
eidgenossischen Beamten oder Angestellten in ihrer
amtlichen Tåtigkeit gemachten Erfindungen in seinem
Nutzen zu verwenden. Infolgedessen sind die Beamten
und Angestellten verpflichtet, der Oberbehorde allfållig
von ilmen gemachte Erfindungen sofort zur Kenntnis zu
bringen. Falls es sich dabei um eine wichtige und
fur den Bund als nutzlich anerkannte Erfindung handelt,
kann der Bundesrat dem Erfinder eine angemessene
Belohnung zuerkennen.
II. Dem Auslande, sowie in der Schweiz
wohnenden Privatpersonen gegenuber steht
den eidgenossischen Beamten und Ange-
stellten das volle Nutzungsrecht mit Bezug
auf ihre Erfindungen und die allfållig darauf
genommenen Patente zu. Wenn es sich jedoch
um die Landesverteidigung oder um die all -
gemeine Sicherheit handelt, kann der Bund
sich das Recht wahren, die Erfindung fur sich
zu behalten und gegen angemessene Ent-
schådigung deren Mitteilung od er Verkauf
an Dritte zu verbieten.
Bei Ausfuhrung dieses Beschlusses soll folgender-
maBen verfahren werden:
I. Die Mitteilung einer neuen Erfindung an die
Oberbehorde hat vor der Patentnahme und vor Ver-
offentlichung derselben zu erfolgen.
II. Fur Verbesserungen der Fabrikation konnen
keine Entschadigungsanspruche geltend gemacht werden,
da es Pflicht jeden Direktors und Beamten einer eid-
genossischen Werkståtte ist, im Betrieb Verbesserungen
und Vereinfachungen anzustreben.
Die Festsetzung der GroBe der Entschadigung an
den Erfinder wird sich in jedem Falle der Bundesrat
vorbehalten. Die Oberbehorden werden hinwieder so-
bald als moglich dem Erfinder Mitteilung rnachen, ob
der Bund von der Erfindung im Sinne der Bestimmungen I
und II Gebrauch machen will oder nicht.
Wåhrend in den preuBischen Erlassen, betreffend:
„Stellung der fiskalischen Verwaltungen zu dem Patent-
wesen" eine Entschadigung an den Beamten nicht vor-
gesehen ist, kann in der Schweiz hingegen in gewissen
Fallen auf eine solche erkannt werden. Fur auBer-
ordentlich wichtig und loyal halte ich aber die Be-
stimmung II, welche dem eidgenossischen Beamten
gegenuber den in der Schweiz wohnenden Privat-
personen und gegenuber dem Auslande das volle
Nutzungsrecht an seiner Erfindung zuspricht. Aller-
dings enthålt diese Bestimmung eine — jedoch vollig
gerechtfertigte — Einschrånkung, welche sich auf Er-
findungen betreffend die Landesverteidigung bezw.
die allgemeine Sicherheit bezieht.
Welche Erfahrungen man hinsichtlich der unter 1
genannten Entschådigungsfrage gemacht hat, ist dem
Verfasser nicht bekannt. Jedenfalls ist aber zu beachten,
daB ein unbedingter Anspruch auf Entschadigung auch
in der Schweiz nicht besteht, denn die Bestimmung,
»der Bundesrat kann dem Erfinder eine angemessene
Belohnung zuerkennen", schlieBt kein muB in sich
ein. Sehr beachtenswert ist auch die Bedingung, daB
eine Belohnung nur dann in Betracht kommen kann,
wenn es sich um eine wichtige fur den Bund
als nutzlich anerkannte Erfindung handelt.
Wir sehen also, daB eine Belohnung des Erfinders
auch in der Schweiz nicht ohne weiteres sichergestellt
ist. Hierzu kommt noch, daB fur Verbesserungen der
Fabrikation uberhaupt keine Entschadigungsanspruche
geltend gemacht werden konnen, da es zum Pflichten-
kreis des Beamten gehort, Verbesserungen und Ver-
einfachungen anzustreben. Unter welchen Umstånden
liegt nun eine »wichtige Erfindung" vor und wann
hat man es mit einer „Verbesserung" oder „Verein-
fachung" zu tun? Es kann wohl nicht bestritten wer-
den, daB eine Vereinfachung oder eine Verbesserung
unter Umstånden eine wichtige Erfindung bedeutet,
wo ist nun aber die Grenze zu suchen, welche die zu
entschådigenden Erfindungen von den frei zu uber-
lassenden trennt? Eine derartige Grenze durfte schwer
zu ziehen sein. Man wird aber nicht fehl gehen, wenn
man unter die „Vereinfachungen" und „Verbesserungen"
im Sinne der eidgenossischen Beschlusse diejenigen
Erfindungen rechnet, welche auf Beobachtungen oder
dergl. zuruckzufuhren sind, die der betreffende Beamte
anlåBlich seiner beruflichen Tåtigkeit auf dem ihm zu-
gewiesenen Arbeitsgebiet machte und zu deren Reali-
sierung kein allzu groBes MaB erfinderischer Tåtigkeit
gehbrte. Unter den Begriff „wichtige Erfindungen"
hingegen wird man im Sinne der eidgenossischen Be-
schlusse meist solche Erfindungen zu rechnen haben,
welche von hervorragender Bedeutung sind und ihre
Entstehung nicht einfach einer fur jeden intelligenten
Beamten naheliegenden Erkenntnis verdanken, womit
jedoch, wie bereits oben ausgefuhrt, nicht bestritten
werden soll, daB eine „Verbesserung" oder „Verein-
fachung" nicht auch von hervorragender Bedeutung
sein kann. Eine scharfe Grenze låBt sich aber, wie
bereits erwåhnt, nicht ziehen. Jedenfalls geht aber aus
obigem hervor, daB die durch die eidgenossischen
Beschlusse in Aussicht gestellte Entsehådigung nicht
so leicht zu erlangen ist, wie dies auf den ersten Blick
der Fall zu sein scheint.
Bezuglich der preuBischen Erlasse und der eid-
genossischen Beschlusse besteht aber ein wesentlicher
Unterschied. Aus den preuBischen Erlassen ist im
Gegensatz zu den eidgenossischen nicht zu entnehmen,
ob der Beamte befugt sein soll, seine Erfindung Privat-
personen, d. h. driften gegenuber auszunutzen.
Sehr fruhzeitig, d. h. schon im Jahre 1878, hat
sich die Tonindustrie-Zeitung mit den preuBischen Er-
lassen beschåftigt und dem Wunsche Ausdruck ver-
liehen, daB die fiskalischen Verwaltungen ihren Beamten
gegenuber der liberalsten Anschauung huldigen mbchten,
denn nur dadurch konnte man die Beamten aufmuntern,
an der Vervollkommnung der Betriebsmittel zu arbeiten.