Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seite 538 Bayeritoe 9ubildums-kandes-Huskellung 1906 Nr. 25
Die Glashutten fuhrten durch schlechte Rentabilitdt
schliehlich nur noch ein Kummerliches Dasein und die stetig
wachsende Bevolkerung genet in Not. Nuswanderungen
groheren Stiles begannen und gegen diese wurden von
der Gbrigkeit strenge Gesetze erlassen. Mas helsen Gesetze,
wenn die Lxistenz bedroht ist; zur rechien 3eit Kam noch
wirkliche Hilse.
Nn den fall- und wasserreichen Bachen entstand eine
Neihe Lisenhammer, dort wurde das aus aller Herren
Lander weitum gesammelte und zugefuhrte Nlteisen in Glut
gebracht und meist zu Husstab, Nadreisen, aber auch zu
sonstigem Gebrauche und in vorzuglicher Qualitat umge-
hammert. Line 3eit ruhigen, fteten Fortschreitens brach
damit am Lnde des 18. Iahrhunderts an und der Verdienst
aus den hammerwerken ver-
mochte mehr als alle Nus-
wanderungsverbote. Die Be-
volkernng blieb und fand ihr
genugendes Nuskommen, be-
sonders nach der 3eit der
napoleonischen Kriege. Der
Nufschwung der Lisenhammer,
der bis in die funfziger Iahre
des vorigen Iahrhunderts
dauerte, hinterlieh deutliche
Spuren damaligen lvohlstandes.
Lin hammerbetrieb be-
schaftigte mancherlei £eute: Nus-
Kauser des Nlteisens, welche in
allen lvindrichtungen auszogen,
eigentliche Hammerschmiede,
eine recht bedeutende Neihe
Nohlenbrenner in den ringsum
liegenden Grten, Fuhrleute fur
die holzkohle, welche auch das
fertige Produkt zur Nusfuhr und
das Nlteisen zur Linfuhr brach-
ten, daneben noch eine erkleck-
liche 3ahl anderer Lxistenzen.
So lange in Dentschland meist holzkohle zur Bear-
beitung des Lisens benotigt wurde, blieben die Lisenhammer
in dem an Holz und Wasserkrasten reichen Spessart aus
der hohe. Ntit dem Lintritt eines neuen Verfahrens, das
auch der Steinkohle die Verwendung bei herstellung von
besseren Gualitaten Lisen und Stahl sicherte, war der Lisen-
industrie zum grohen Teile der Todesstoh versetzt.
Line lange 3eit des Rudtgangs solgte sur die Spessart-
bewohner und mit Notwendigkeit setzte die Nuswanderung
wieder ein, welche insbesondere sich nach den Vereinigten
Staaten Nmerikas bewegte. Ls gibt Kaum eine Familie
in den betroffenen Grten, welche dort nicht Nngehorige
hat. Das Nusbluhen der Industrie nach der Grundung
des Deutschen Reiches bietet dem Nrbeitsuchenden der
Gegend jetzt manche auswartige Gelegenheit zu Verdienst.
3u hunderten ziehen Vater und arbeitskrastige Sohne aus
Ivochen, Ntonate, ja fast ununterbrochen aus Iahre in die
Fremde, um bei den grohen Baufirmen die Ranal- und
Lrdarbeiten zu verrichten; eine Harte anstrengende Tatig-
Keit, meist auch noch im Ivasser stehend ausgesuhrt, welcher
nur der abgehartete zahe Spessartbewohner ohne gesund-
Heitlichen Schaden gewachsen ist. Der Frau bleibt daheim
die Sørge um Haus und Feld und die Lrziehung der
Rinder. Vom Verdienste verbraucht der Nrbeiter auswarts
bereits die halste zu seines Lebens Unterhalt. Ivas er
in die Familie Heimbringt, wiegt den Schaden nicht aus,
den seine Nbwesenheit als Hausvater angerichtet.
In anerkennenswerter lveise Haben Staat und Humane
Gesellschaften Linrichtungen und Unterstutzungen getroffen,
welche jedoch dem Grundubel nicht hinreichend zu steuern
vermogen. Die Nussicht aus Lisenbahnen in das Herz des
Spessarts, wie die jetzt sicher gestellte Llsavatalbahn, er-
stillen den Waldbewohner wie-
der mit neuer Hossnung, er
denkt an einen regen Fremden-
verkehr und der Spessart eignet
sich als Lrholungsausenthalt
geradezu vorzuglich. Gute
Unterkunst ist liberal! zu sin-
den. Riesenhotels mit raffi-
niertem Luxus fehlen aller-
dings Gott sei Dank noch, dafur
bennt die Rechnung aber auch
nicht die Schraube ins Lnd-
lose: „lvird es dazu Kommen,
dah sich auch der Herrliche
Spessart einer Halbwegs regen
Tiroler Sommersrequenz zu er-
sreuen hat, dann wird wohl
auch der Segen des Verkehrs
sich auf die Spessarter Bevol-
Kerung erstrecken." Diese Worte
Nrthur Nchleitners sollten eine
Nlahnung abgeben, den Hebel
dort anzusetzen, wo die Nus-
Kohlerhutte. sicht auf Lrsalg winkt.
Lines Hohen Besuchers,
unseres geliebten Prinzregenten Luitpold, erfreut sich der
Spessart jeden Herbst, wenn die Saujagden in den Hoch-
waldrevieren um den Rohrbrunn stattfinden. Nnhanglich-
Keit und ehrliche Freude ist auf den Gesichtern der von
allen Seiten Herbeigeeilten einfachen Bevolkerung zu lesen.
Dort oben auf lustiger hohe ist vor 15 Iahren ein
Konigliches Iagdschloh in alter Spessartbauart an den Rand
des hochwaldes gebaut worden. Ivaldesruhe und der
alten Lichen Rrasi stromt in das herz des Komglichen
Herrn, der hier von den anstrengenden und vielverzweigten
Regierungsgeschaften in der Iagd aus das urwuchsige
Schwarzwild Lrholung sucht.
Das eigentliche lvaldgebiet im Spessart blieb durch
seine Geschichte lange Iahrhunderte, ja bis aus unsere 3eit
stir die Nuhenwelt abgeschlossen und hat seine Ligenart
bewahrt.
Im Vorspessart, d. H. der Randzone des Gebirges,
hatten gunstigere Boden- und Verkehrsverhaltnisse einen