Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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(Ir. 25
Bayerifche Subildums-kandes-HusffeHung 1906
Seite 545
Zersetzung der Praterne durch schmelzendes Kali der
Fåulnis vollig gleiche. Der Vorgang tuUrt also auch
hier zu den Aminosåuren und besteht im wesentlichen
in einer Wasseraufnahme. Aber åhnlich wie bel der
Hefegåhrung zeigte es sich, da6 nicht allein die lebenden
Zellen den Zersetzungsvorgang bedingen und durch-
fiihren, sondern es treten auch Enzymwirkungen, d. h.
Wirkungen gewisser von den Bakterien hervorgebrachter,
aber nicht organisierter Substanzen ins Spiel. Jedoch
ist es bisher noch nicht gelungen, im einzelnen zu
ergrunden, welche Spaltvorgånge den betreffenden
Enzymen und welche den lebenden Mikroorganismen
ihr Eintreten verdanken.
Auch der weitere Addau der Aminosåuren ist
eingehend untersucht worden, doch wurde es hier zu
weit fuhren, die einzelnen Spaltvorgånge zu behandeln.
Als eine besondere Klasse von Fåulnisprodukten
faBt man die zum Teil furchtbar giftigen, zum Teil
auch harmlosen Ptomaine zusammen, die jedoch nach
ihrer chemischen Konstitution in ganz verschiedene
Klassen zerfallen. Sie leiten sich zum Teil vom
Lecithin her, einer in der Qehirn- und Nervensubstanz
auftretenden Verbindung, die leicht in Fettsåuren,
Glycerin-Phosphorsåure und Choliin zerfållt. Eng ver-
wandt mit letzterem sind das Betain, Muskarin und
Neurin 4). Einer anderen Gruppe gehbren die Ptomaine,
Cadaverin und Putrescin an, deren Bau und Zusammen-
setzung durch Untersuchungen Ladenburgs vollig
klargestellt ist. Eine andere Gruppe von Ptomainen
durfte mit dem Piperidin einem Bestandteile des Pletters,
in Verbindung stehen. Jedenfalls aber hat man keine
sachlichen Grunde mehr, die verschiedenen als Ptomaine
zusammengetaBten Korper unter einem Sammelnamen
zu vereinigen, und es wåre daher besser, wenn man
diese irretuhrende Systematik aufgåbe,
Andere Bakterienarten bilden die furchtbar giftigen
Toxine als Abscheidungsprodukte, doch ist ihre
chemische Konstitution noch nicht ertorscht.
Wir wenden uns nunmehr einer tieteren Stute des
EiweiBabbaues zu, nåmlich den sogen. quaternåren
EiweiBabkdmmlingen. Flierher gehbren Flarnstott, Harn-
såure und verwandte Verbindungen. Wåhrend der
Abbau der hochmolekularen Stickstottverbindungen i n
den hbheren Organismen bei diesen Stoffen Halt macht,
bleibt wiederum die weitere Arbeit Kleinlebewesen
vorbehalten, die die organischen Produkte hauptsåchlich
in kohlensaures Ammoniak ubertuhren. Diesen Punkt
des Abbaues kbnnen wir kunstlich auch direkt erreichen,
indem wir kraftige Spaltmittel, wie Bariumhydrat u. a.,
unter Erhitzen aut EiweiBkbrper einwirken lassen. Die
Zahl der Harnstottvergårer ist eine recht betråchtliche,
und ein wichtiges Resultat ihres Studiums war die
Entdeckung eines von ihnen produzierten wirksamen
Enzymes. — Nicht ganz direkt durfte die Harnsåure-
vergårung zu Amoniumkarbonat fuhren. Vermutlich
4) Diese alle sind im wesentlichen Tetraalkylammoniunlydrate.
werden, nach Untersuchungen von Gérard, zuerst
Harnstott und Tartronsåure entstehen, von denen der
erstere dann seinerseits in Ammoniumkarbonat zerfållt.
Das Ammoniumkarbonat zerfållt schlieBlich in Ammoniak
und Kohlensåure.
Damit sind wir bei den eintachsten anorganischen
Verbindungen des Stickstoffs, insbesondere beim Am-
moniak angelangt. Hier aber teilt sich bald der Weg,
indem tur die weitere Umsetzung des Stickstoffs zwei
Mbglichkeiten vorliegen. Wiederum treten Mikro-
organismen ins Spiel. Aber wåhrend die eine Art von
ihnen den Ammoniakstickstoff in Nitrit und Nitrat um-
wandelt, somit in eine wertvollere oxydierte Form bringt,
tuhrt ihn die andere aus dem gebundenen Zustande
in freien Stickstoff uber, bedingt also praktisch einen
Stickstoffverlust, wenn man bedenkt, wie schwierig der
Stickstoff wieder in Bindung zu bringen ist.
Uber die Bedingungen des ersteren Prozesses, der
Nitrit- und Nitratbildung aus Ammoniak, der soge-
nannten Nitritikation war man lange Zeit im Un-
klaren. Wåhrend man antangs glaubte, daB die Nitri-
tikation aut rein chemischem Wege vor sich gehe,
erkannte man seit Pasteur, daB lebende Organismen
bei ihr eine entscheidende Rolle spielen muBten. Aber
die Versuche, die Natur des Nitritikationserregers zu
ergrunden, ihn zu identifizieren, schlugen lange Zeit
fehl. Erst Winogradsky gelang es im Jahre 1889
einen Nitrifikationserreger rein zu zuchten und gleich-
zeitig den Grund tur die MiBerfolge fruherer Unter-
suchungen autzuklåren. Der von ilim isolierte Bazillus
zeigte sich nåmlich vollig untåhig, in Nåhrgelatine zu
leben, und da man sich vor Winogradsky stets der
Imptung aut Gelatinebbden zur Isolierung von Bakterien-
arten bedient hatte, muBten alle truheren Versuche
scheitern. Die weitere Untersuchung ergab dann, daB
die Oxydation von Ammoniak zu Nitrit und die von
Nitrit zum sauerstoftreicheren Nitrat zwei vollig ge-
trennte Prozesse seien und durch verschiedene Erreger
verursacht wurden. Der Nitritbildner vermag jedoch
nicht treies Ammoniak in Nitrit uberzutuhren, sondern
das Ammoniak muB, wie zahlreiche Untersuchungen
zeigten, an Kohlensåure gebunden sein. Alle organischen
gårungsfåhigen Stoffe sind der Nitritbildung Iiinder-
lich. Dagegen wird freie Kohlensåure, wie Godlewski
einwandtrei nachwies, gleichzeitig mit der Stickstoff-
oxydation assimihert, also Kohlenstoff in organische
Bindung ubergetuhrt. Dieser Nitritbildner zeigt dem-
nach ein ganz absonderliches Verhalten, denn gerade
die komplizierten, zersetzbaren und fur die Mehrzahl der
Mikroben assimilierbaren Molekule organischer Sub-
stanzen uben einen nitrifikationswidrigen EinfluB
aus. Sehr åhnlich verhålt sich der Nitratbildner; auch
er assimiliert Kohlensåure, unterscheidet sich aber da-
durch schart vom Nitritbildner, daB er nur Nitrit zu
oxydieren vermag und daB Ammoniak seine Ent-
wicklung auts Heftigste hemirit. Aus diesen Eigen-
schatten der beiden Nitrifikationserreger ergibt sich die