Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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nr. 27
BayerlFche gubildums-Landes-HusFfellung 1906
Seite 595
landwirtschaftlichen Maschinen und hatte den Beklagten
als Elektrotechniker mit einem Jahresgehalt von
2700 Mark angestellt. Die Klågerin gab zur Begrun-
dung ihrer Anspruche an, daB sie dem Beklagten die
Leitung ihrer elektrotechnischen Abteilung ubertragen
habe, und daB ihm mithin das Studium und die Ver-
vollkommnung der in der Fabrik gebauten elektrischen
Pflugapparate obgelegen habe. Der Beklagte hingegen
bestreitet zunåchst eine leitende Tåtigkeit, ebenso
spater als Leiter der Abteilung konstruktive und
theoretische Aufgaben gehabt zu haben. Fernerhin
bestreitet der Beklagte, daB vor seiner Erfindung die
Herstellung elektrischer Pfluge zum Gewerbebetriebe
der Klågerin gehort habe. Nachdem der Beklagte von
einer Dienstreise ins Ausland zuruckgekommen war,
wo er naeh Angabe der Klågerin Versuche mit einem
von derselben gelieferten elektrischen Pflug zu machen
hatte, meldete er mit Wissen seiner Firma seine Er-
findung zum Patent an. Der Beklagte behauptet nun,
daB er mit dem Pflug keine Versuche anzustellen hatte,
sondern, daB ihm lediglich die Aufgabe der Inbetrieb-
setzung des Pfluges zufiel. Einen Widerspruch gegen
die Erteilung des Patentes hat die klågerische Firma
auf Anraten ihres Direktors nicht erhoben, weil dieser
es fur vorteilhafter gehalten habe, wenn das Patent auf
den Namen des in der Branche unbekannten Ange-
stellten nachgesucht werde.
Dem gegenuber wurde aber vom Beklagten geltend
gemacht, daB er zunåchst den Vorschlag gemacht habe,
das Patent fur die Klågerin gegen eine Lizenz zu
nehmen, ein Vorschlag, dem man nicht nahe getreten
sei, weil man die Erfindung nicht fur patentfåhig ge-
halten habe. Er hat nunmehr nach erfolgter Mitteilung
an seinen Direktor das Patent fur sich angemeldet und
nach der Anmeldung von der Klågerin 1000 Mk. er-
halten und zwar nach Angabe der Klågerin zur
Deckung der Anmeldekosten, nach der Darstellung des
Beklagten hingegen als KostenvorschuB zur Erwerbung
von Auslandspatenten.
Wesentlich zur Beurteilung der Sachlage ist noch
der Umstand, daB die Klågerin in ihrer Fabrik zwei
Pfluge mit der patentierten Einrichtung auf ihre Kosten
anfertigen lieB, angeblich, um den Beklagten Oelegen-
heit zur Beobachtung seiner Erfindung zu geben. Der
Beklagte hingegen behauptete demgegenuber, daB es
sich in diesem Falle nur um eine von ihm geduldete
Patentausfuhrung handle. Es sei noch erwåhnt, daB
die Klågerin, nachdem der Beklagte mit der Ver-
åuBerung seines Patentes umging, eine einstweilige
Verfugung erwirkt hatte, nach welcher es dem Be-
klagten bel einer Strafe von 10000 Mark untersagt war,
bis zur rechtskråftigen Entscheidung uber das in Frage
stehende Patent zu verfugen.
Das Reichsgericht hat in diesem Falle zugunsten
der klågerischen Firma erkannt und es fur glaubhaft
erachtet, daB die Klågerin die Spezialitåt der An-
fertigung von Originalkonstruktionen von Pflugen und
landwirtschaftlichen Maschinen pflege und schon fruher,
d. h. vor der Anmeldung des fraglichen Patentes auch
elektrische Pflugapparate herstellte, installierte und
probierte. Der Natur dieses Betriebes entnimmt es,
daB die Klågerin notwendig auf die Vervollkommnung
ihrer Produkte bedacht sein musse, und daB dies von
keinem der bel ihr angestellten Techniker habe ver-
kanut werden konnen. In dieser Entscheidung vom
4. Mårz 1903 hat das Reichsgericht zum Ausdrucke
gebracht, daB die Erfindung eines Angestellten
dann dem Dienstherrn zuzusprechen ist, wenn
die Erfindung einen in das Produktionsgebiet
des fraglichen Betriebes fallenden Oegenstand
betrifft, d. h. wenn es sich um eine Ver-
vollkommnung der betreffenden Fabrikate
handelt.
Wieder eine reichsgerichiliche Entscheidung vom
5. Oktober 1903, welche sich mit der eben zitierten
nicht in allen Punkten deckt, besagt:
„Die Entscheidung der Frage, ob die von
einem Angestellten wåhrend des Dienstverhålt-
nisses gemachte Erfindung dem Dienstherrn
angehbre, und ob hiernach dieser die von dem
Angestellten gemachte Erfindung fur sich in
Anspruch nehmen konne, ist von einer Be-
urteilung der ganzen Stellung des Angestellten
in dem Oeschåftsbetriebe des Dienstherrn ab-
hångig zu machen."
Bel der dieser Entscheidung zu Orunde gelegten
Begrundung, welche den Anspruch des Dienstherrn
fur nicht gerechtfertigt erachtete, wurde festgestellt, daB
weder der Dienstvertrag des Beklagten, noch die ihm
vorausgegangenen Verhandlungen genugende Anhalts-
punkte fur den klågerischen Anspruch ergeben håtten,
und daB der Beklagte, welcher als technischer Leiter
fur eine neu erbaute Fabrik der Klågerin angestellt
war, fur die Einfuhrung der in dieser Fabrik her-
zustellenden Waren zu sorgen hatte.
Weiterhin wurde hervorgehoben, daB dem Be-
klagten speziell fur die Tåtigkeit im Laboratorium —
es handelte sich um eine Sprengstoffabrik — ein be-
sonderer Chemiker zur Seite gestellt war, welcher sich
ausschlieBlich auf dem Qebiete der Chemie zu be-
schåftigen hatte, wåhrend dem Beklagten die Leitung
des ganzen Betriebes oblag. Das Oericht hat ferner
in Betracht gezogen, daB der Beklagte mit einem
Oehalt von 5500 Mark angestellt war, und daB
diese Vergutung als eine vie1 zu niedere er-
scheinen muBte, wenn die Klågerin nach dem
Dienstvertrag auch Anspruche auf die Ergeb-
nisse der erfinderischen Tåtigkeit des Beklag-
ten zu machen berechtigt wåre.
Im vorliegenden Falle hat aber das Oericht noch
besonders Gewicht auf das Verhalten der Klågerin, nach-
dem der Beklagte die Erfindung angemeldet hatte, ge-
legt. Die Klågerin hatte nåmlich gegen die Erteilung
des Patentes Einspruch erhoben, olme jedoch die Er-