Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seife 714
Bayerifche 9ubilflums-Landes •Husifenung 1906
Hr. 31
einfache Verbesserungen, die lediglich als ein Ergebnis
naheliegender fachmånnischer MaBnahmen anzusprechen
sind, nicht unter diejenigen gerechnet werden, fur welche
eine Entlohnung angestrebt wird. Es fragt sich nun,
wo liegt hier die Qrenze? Wann hat man es mit
einer erfinderischen Tåtigkeit zu tun und unter welchen
Voraussetzungen ist eine einfache, in das Gebiet des
fachmånnischen Konnens fallende Verbesserung ge-
geben? VerhåltnismåBig leicht scheint diese Erage
zu beantworten zu sein, wenn die fragliche Verbesserung
zum Patent angemeldet wird. Erachtet das Patentamt
den Anmeldungsgegenstand als patentfåhig, so liegt in
der Regel eine neue „Erfindung" im Sinne des Patent-
gesetzes vor. Da nun nach ståndiger Praxis des Patent-
amts alle Verbesserungen, welche in das Gebiet der
handwerksmaBigen MaBnahmen fallen, von der Paten-
tierung auszuschlieBen sind, so kann eine solch nahe-
liegende Verbesserung aueh nicht als Erfindung an-
gesprochen werden, sie scheidet demnach von selbst
aus; alles andere aber was vom Patentamt patentiert
wird, muB man streng genommen als Erfindungen
ansehen.
Nun kann aber nicht bestritten werden, daB das
Patentamt den Begriff »Erfindung" nicht immer sehr
hoch anschlågt, d. h. es wurden schon sehr viele Dinge
patentiert, zu deren Schaffung sicherlich keine Ent-
faltung einer erfinderischen Tåtigkeit gehorte, und nach
der jetzt herrschenden Praxis des Patentamtes ist es
nicht ausgeschlossen, daB die einfachsten Verbesserungen,
welche der Urheber vielleicht selbst als keine er-
finderische Schopfung bezeichnen mochte, patentiert
und somit als »Erfindungen" sanktioniert werden. Es
soll durch Obiges gegen unser so vorzuglich geleitetes
Patentamt kein Vorwurf erhoben werden, sondern es
soll damit lediglich gesagt sein, daB es unmoglich oder
zum mindesten sehr schwer ist, eine Grenze zwischen
den Begriffen »einfache Verbesserung" und »Erfindung"
zu ziehen, wobei noch zu berucksichtigen ist, daB eine
Definition des Begriffes »Erfindung" in unser Patent-
gesetz uberhaupt nicht aufgenommen wurde, und daB
der Ruf nach einer mildeien Praxis des Patentamtes
nicht ungehbrt verhallte. Andererseits muB aber auch
wieder hervorgehoben werden, daB oft relativ einfache
Verbesserungen von sehr hoher Bedeutung sind, und
daB es daher auch nicht angezeigt erscheint, solche
von der Patentierung auszuschlieBen, zumal wenn es
sich um Verbesserungen handelt, welche sich doch
nicht ohne weiteres jedem Fachmanne aufdrången.
Wenn wir aber von dem Rechte des Angestellten an
seinen Erfindungen sprechen, und wenn wir infolge-
dessen den Begriff »Erfindung" zu wurdigen gezwungen
sind, so konnen wir uns eben vorlåufig nur auf das
Patentamt verlassen und wir mussen zunåchst alles das
als Erfindung ansehen, was eben patentiert wird. In-
wieweit auch Qebrauchsmuster hierbei in Erage
kommen konnen, soll auBer Betracht bleiben.
Hinsichtlich der Begriffe »Verbesserungen" und
»Erfindungen" sind wir somit vorzugsweise oder
besser gesagt, ausschlieBlich auf die Anschauung des
Patentamtes bezw. des Reichsgerichts angewiesen.
Die Angestellten streben nun, wie dies allgemein
bekannt sein durfte, eine gesetzliche Regelung der
Erfinderfrage an, sie sind mit den bestehenden Rechts-
verhåltnissen nicht zufrieden und verlangen, daB sie
Eigentumer der von ihnen herruhrenden Erfindung
werden. Gegen diese Forderung werden seitens der
beteiligten Kreise eine Reihe von Einwånden erhoben,
deren wichtigster darin gipfelt, daB der Angestellte mit
seinem ganzen Wissen und Konnen fur seine Firma
einzutreten habe, und daB demnach auch die Resultate
seiner erfinderischen Tåtigkeit dem Arbeitgeber zuzu-
sprechen selen. Weiterhin wird der Einwand erhoben,
daB an einer Erfindung oft gleichzeitig von mehreren
gearbeitet werde, und daB man bel der Heranziehung
weiterer Hilfskråfte den jeweiligen Stand der Sache
bekanntgebe. Nun konne es vorkommen, daB der
zuletzt beigezogene den SchluBstein zu dem bereits er-
richteten Gebåude finde und in solehen Fallen konne
man die Erfindung doch keineswegs demjenigen zu-
billigen, welcher das Endglied in die Kette einfugte,
da er ohne besonderen Auftrag und ohne Renntnis
des Erfolges der Vorarbeiten kaum zur Erfindung ge-
langt wåre. Auch wåre es unrichtig, alle Mitarbeiter
als Erfinder anzusehen, denn es lieBe sich fast nie
feststellen, inwieweit die einzelnen Mitarbeiter zum
Aufbau und zur Losung beigetragen hatten.
Die Falle, daB unter den eben beschriebenen Um-
stånden eine Erfindung gemacht wird, sind nicht selten
und dieselben werden auch, da in der Regel ein be-
stimmter Auftrag vorliegt, nach unserer Rechtsprechung
bel einem eventuellen ProzeB stets zugunsten der
Arbeitgeber entschieden werden.
DaB durch die Unzufriedenheit der industriellen
Beamten eine Unsumme technischen Wissens der All-
gemeinheit verloren geht, ist kaum zu bestreiten. Dies
hat seinen Grund darin, daB der Angestellte den
prozessualen Weg nicht gerne beschreitet, weil ihm ein
gesetzmåBiger Anspruch auf Entschådigung nicht zu-
steht. Aus diesen Grunden hullen sich die Erfinder
sehr oft in tiefes Schweigen, eine Tatsache, die leider
nur zu wahr ist und die nicht fordernd auf die Ent-
wicklung der heimischen Industrie einwirkt. Es ist mir
ein Fall bekannt, daB ein Beamter einer sehr bedeuten-
den Fabrik an einer Kraftmaschine einen MiBstand be-
hoben hatte, welcher den Gang der Maschine in Frage
stellte und vor der Erfindung des betreffenden Beamten
zu vielen MiBhelligkeiten fur die Firma fuhrte.
Die Losung selbst behielt der Beamte fur sich und
so lange er bei der Firma war, lieB er an den frag-
lichen Maschinen die von auBen nicht wahrnehmbare
und an und fur sich geringfugige aber doch bedeutende
Verbesserung vornehmen und alle Klagen verstummten.
Nach seinem Weggange jedoch zeigten die Maschinen
wiederum dieselben Fehler und die Klagelieder wurden