Ausstellungszeitung Nürnberg 1906
Forfatter: Paul Johannes Rée
År: 1906
Forlag: Wilh. Tümmels Buch- Und Kunstdruckerei
Sted: Nürnberg
Sider: 1096
UDK: St.f. 91(43)(064) Aus
Amtlisches Organ Der Unter Dem Protektorate Sr. Konigl. Hoheit Des Prinsregenten Luitpold Von Bayern
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Seile 936
Bayerikhe Jubiltiums«handes«Husifellung 1906
Nr. 38
matertal in das Nusland gehen. Datz auch Kunftfteme,
welche in immer schoneren Farben und besseren Qualitaten
aus den Markt Kommen, als Konkurrenz empsunden
werden, wird nicht der Lrwahnung bedursen. Sie be-
schranken aber die Verwendung von Natursteinen nur bis
311 einem gewissen Grade. 3u grotz ist der Reid}tum des
Gebirges an brauchbaren Felsen, der g ewachsene Stein
Hat die monumentalen finlagen stets sur sich, er hat den
Vorteil des Ursprunglichen, tvidersfandsfahigen, Nafurlichen.
Wie Konnte man sich ein Kaifer tvilhelm-Denkmal oder
ein Hervorragendes Portal, eine Kirchenfassade und dergl.
aus Kunststein denken!
fiber trotz allen Dorteilen, welche dem Gewerbe das
verhaltnismatzig leicht erreichbare Rohmaterial liefert, Hat
es doch alle Ursache, vorwarts zu streben, es mutz fort-
schreit en in bezug aus Formung seiner Produkte.
Und s0 reden wir aufs neue dem Umstande das
IDort, datz die Fichtelgebirger Steinhauerei sich
immer mehr in das Gebiet des Kunstgewerbes
hinuber wagen mutz.
Mie wir wiederholt erwahnten, geht dies, es
eignet sich das Ulaterial recht gut zu feinerer flrbeit und
es wird nur der flnregung bedtirfen, datz aus ihm flrbetten
Hergestellt werden, wie wir solchen aus den Tagen des
Mittelalters ab und zu noch begegnen. Kunstler Heran-
zuziehen oder aus dem einheimischen flrbeitermateriale
£eute heranzubilden, welche bis zu einem gewissen Grade
Zum Kunstgewerbe sich eignen, durste wohl wenig Schwierig-
keit machen. Datz Fortschritt not tut, hat auch die bayer.
Staatsregierung erkannt. Sie hat in Wunsiedel eine Stein«
Hauerschule eingerichtet, welche zunachst erst anfangt und
uber die flnsangsstadien noch nicht Hinaus ist. Wird ihr
in dem angedeuteten Sinne eine weitere Lntwicklung ge-
lingen, so wird sie doppelten Segen stisten.
In den Bezirksamtern lvunsiedel und Munchberg, auch
in denen von Rehau und Bayreuth arbeiten ungefahr
2000—2500 Steinhauer, indirekt hangen als Fuhrleute,
flbraumer, Zeichner und dergl. noch mehr Leute in diesen Be=
zirken mit der Granitgewinnung zusammen. Das Gewerbe
zieht immer mehr Menschen an sich. (Es liegt in der Natur
desselben, datz jene flngehorigen ein setzhastes Geschlecht
sind, ein lvandern von Fabrik zu Fabrik ist unmoglich,
zum mindesten sehr erschwert, denn die Steinhauer sind an
ihren Wald gebunden und selten geht aus dem Heimatlichen
Gebiete einer hinaus ; denn die Steinhauer sind meist auch
Grundbesitzer, welche sast ausschlietzlich langsam und stetig
vorwartskommen. Ivahrend der Mann in die Bauhutte
oder Steinschleiserei geht oder tvind und IDetter trotzend im
Ivalde arbeitet, bewirtschastet die Frau das Kleine, sich meist
immer mehr entwickelnde Besitztum.
In allen grotzeren deutschen Stadten tressen wir, wie wir
wiederholt erwahnten, aus die Erzeugnisse der Fichtelgebirger-
Steinhauerei, sur viele hat das eigenartige Gewerbe Inter-
esse, auch sur solche, welche weit entsernt von den Fichtel-
gebirger Bergen wohnen- deshalb glauben wir auch, datz
unsere Schilderung manchem nicht unwillkommen sein wird.
Die gemerdsroirtschaftliche Cntroickelung
von Rofenbeims Stabt unb Land. 1806—1906.
Von Ludwig e! d, Kgl. Seminarletjrer, 8tadtarchioar.
Øas Inntaler Haus, mit welchem die Stadt Rosen-
Heim durch ihren „ftllg. Gewerbeverein" so jung-
srisch, so selbstandig und eigenartig vor den
flusstellungsbesucher tritt, verdient auch eine ge-
schichtliche Ivurdigung. Dars es doch als fibschlutz einer
genau hundertjahrigen Lntwickelungsreihe ausgesatzt werden,
welche dem „schonsten Markt Qberbayerns" (flpian 1566)
die ihm vor alters eigene Stellung wiedergegeben Hat!
Denn Nosenheim stand vor 1618 zu Nurnberg und Munchen
im gleichen Bevolkerungsverhaltnis wie heute, stand in
Bayern, Schwaben, Gsterreich und Tirol als Verkehrsplatz
im gleichen flnsehen wie heute, genotz im Munde von
Neisenden und Gelehrten des Rufes als „Bayerns Rose",
„Rosengarten am Inn", als „Bayerns Schmalzgrube". Die
Quellen dieses Mohlstandes waren: der handel nach
dem getreidearmen, weinreichen Tirol, auch nach Gsterreich
und Ungarn, der Verkehr an der Stratzengabelung
Mtinchen-Reichenhall und ^all; das Gewerbe in Back-,
ikon-, Holz-, Hanfwarenund Mefallerzeugnissen. Die Ergiebig-
Keit dieser Quellen lag Hinwiederum begrundet in den
Landesprodukten (hans, Flachs, holz, pech, Honig,
Machs, -Vieh, Haute, Unschlitt, 'Kalk, Gips, Muhl- und
Wetzsteine, 'Kupser, Lisen, Salz, 'Getreide) sowie in dem
Tharakter Rosenheims als Bruckenkops und V er-
einigungsstelle der von Mahl-, Schlag-, £0h-, Schleis-,
Sagmuhlen und hammern besetzten Flusse Sims und Mang-
fall mit dem Inn. fiber im 17. und 18. Jahrhundert
versagten die Quellen und zu flnsang des 19. Jahrhunderts
war Rosenheim nur noch die Halfte seines Namens: ein
Heim von 1760 £euten, die samt Gemeinde einen Besitz
von 100 000 sl. Vermogen oder pro Kopf 60 fl. einschatzten.
Die Schranne war ein Stumpfelmarkt geworden, die £anden
und Schopperstatten (Werften) feierten. „Fleitz, Spekulation
und Industrie sind aus Rosenheim verbannt" (1793), die
„vollige Gewerbslosigkeit" (1803) erlaubt nicht einmal die
Lrrichtung einer Llementarschule und erzwingt 1805 eine
Deputation, einen Notschrei an den Sandesfursten. 1806
Kam - er selbst, Max I., der neue Konig, und von seinem